Katerstimmung beim deutschen
Flatrate-Pionier. Surf1 ist pleite! Andere Anbieter stellen ihr Angebot
zwangsweise ein, erlassen einen Anmeldestopp oder kündigen unliebsamen
Dauersurfern. Endet die Flatrate-Zukunft bevor sie richtig beginnen
konnte?

Noch am 28. August versprach das
Bitburger Unternehmen seinen Kunden im 4. Quartal 2000 eine
"interaktive Flatrate für nur 19 Euro monatlich" anzubieten. Leider
zeige es sich, dass das bisherige Konzept – für 139 Mark unbegrenzt
surfen – doch nicht finanzierbar sei, wie Surf1 Geschäftsführer Nylis
G. Renschler gestehen musste.
Bereits zu diesem Zeitpunkt geisterten die ersten Gerüchte über den
bevorstehenden Konkurs des ersten deutschen Flatrate-Anbieters durch
diverse Foren, bevor schließlich am 31. August die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens offiziell beantragt wurde. Mittlerweile wurden alle
Zugangsmöglichkeiten gesperrt. Fraglich bleibt, ob die Surf1-Kunden das
für ein Jahr im voraus zu zahlende Nutzungsentgelt überhaupt zurück
bekommen werden.

Surf1 ist nur ein Beispiel für
fehlgeschlagene Kalkulationen und einer gehörigen Portion Blauäugigkeit
mancher Provider. Auch andere Flatrate-Anbieter geraten mehr und mehr
unter Finanzierungsdruck. Schuld an der ganzen Misere seien, so
einhelliger Tenor der betroffenen Unternehmen, die sogenannten
"Poweruser". Diese seien zum Teil 24 Stunden am Tag online und
blockieren dadurch nicht nur die Einwahlports, sondern würden dadurch
auch die gesamte Kalkulation der Flatrate-Anbieter über den Haufen
schmeißen.

Insbesondere die Firma Sonnet hatte in letzter Zeit große
Zugangsprobleme. Verärgerte Nutzer äußern in Diskussionsforen die
Vermutung, diese Probleme seien absichtlich herbeigeführt um die Kosten
zu senken. Mittlerweile sind die technischen Schwierigkeiten nach
Angaben von Sonnet zwar behoben, doch trennt sich das Unternehmen nun
von den "Powerusern" und kündigt die Verträge.

Da mit dem griffigen Slogan "Für sagenhafte 79,- DM (Festpreis) im Monat kannst du mit Sonne surfen ohne Limit"
geworben wurde und – obwohl momentan auch bei Sonnet keine Neuanmeldung
möglich ist – immer noch wird, regt sich dagegen heftiger Widerstand
der betroffenen Nutzer. Es wurde der Ansturm auf das Angebot einfach
grob unterschätzt. Sonnet kalkulierte lediglich mit einer
Durchschnittsnutzung von drei bis vier Stunden täglich.

Auch die erst am 18. August
eingerichtete Flatrate der Düsseldorfer Firma DUSnet wird nach nur
einem Monat wieder eingestellt – erneut seien die "Poweruser", "die das
Angebot als günstige Standleitung nutzen" der Grund, so eine Pressemitteilung
des Unternehmens. Eine "gesunde" Mischkalkulation sei aufgrund der
enorm hohen Nutzungszeit nicht möglich. Die momentan geltenden
rechtlichen Bedingungen und Inter-Connection-Vereinbarungen würden ein
nicht querfinanziertes Flatrate-Angebot unmöglich machen,
schlussfolgert man.

Damit haben die Düsseldorfer den
Punkt getroffen. Die meisten der nun betroffenen Unternehmen nutzen
zwangsweise die Netz-Dienstleistungen der Telekom. Zur Zeit fallen
alleine für jede Online-Minute Inter-Connectiongebühren von 1,72 Mark
an, weitere Entgelte für Datenvolumen und Internetnutzung kommen noch
dazu. So sind die Kalkulationsgrenzen auf dem heiß umkämpften Markt eng
gesteckt. Zusätzlichen Preisdruck übt die Telekom durch ihr seit April
eingeführtes Flatrate-Angebot
aus. Befreit von den eigenen Gebühren und mit der Finanzkraft eines
Ex-Monopolisten in der Hinterhand, setzte sie dadurch die Preisspirale
nach unten in Bewegung. Mittlerweile bewirbt sie intensiv ihr T-DSL Flatrate-Angebot, das die magische 50 Mark-Grenze unterschreitet. Dabei setzt die Telekom erstmals auf einen Breitband-Zugang (DSL), der nach dem übertragenen Datenvolumen und nicht nach der Online-Zeit abgerechnet wird.

Kritiker sehen in der
Preispolitik des Ex-Monopolisten den Versuch, unliebsame Konkurrenten
aus dem Weg zu schaffen und rufen daher zum Protest auf. Sie
befürchten, dass längerfristig nur noch große Anbieter wie die Telekom
oder auch AOL den Preiskampf durchstehen können und kleinere
Unternehmen mit günstigeren Angeboten keine Chance mehr hätten.

Insbesondere von Verbraucherseite wird die Forderungen nach einem
Einschreiten der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation
immer lauter, doch die Regulierer fühlen sich nach Angaben von Heise online nicht für Internetzugangsgebühren zuständig. Andererseits antwortete die Regulierungsbehörde dem Initiator einer Telekom-Protest-Seite,
dass sie "Abhilfemöglichkeiten" prüfen werde. Es bleibt wieder einmal
abzuwarten, ob und wie sich die Politik – schließlich fordert man dort
schon länger die 50 Mark Flatrate – des Problems annimmt.