SaveBradley2007 ereignete sich im Irak ein Zwischenfall, dessen Bilder nach Meinung des US-Militärs nie die staubige Straße hätten verlassen dürfen, auf der sie aufgenommen wurden. Ein US-Helikopter feuerte auf Zivilisten, die man irrtümlich für Gegner hielt, und tötete so mehrere Unbeteiligte. Das Video der Bluttat erreichte die Enthüllungsplattform Wikileaks, die es im April 2010 unter der Überschrift „Collateral Murder“ veröffentlichte. Dem Whistleblower Bradley Manning droht nun eine lebenslange Freiheitsstrafe. Sein Fall wurde vergangenen Sonntag auf einer Podiumsdiskussion in Berlin diskutiert, organisiert vom Aktivisten-Netzwerk „reSource transmedial culture berlin“.

Kriegsverbrechen

Der Soldat Bradley Manning setzte die Obama-Regierung mit seinem Leak unter Druck. Manning, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gerade mal Anfang 20, ließ Wikileaks einen ganzen Berg brisantes Material zukommen, der Folter und zivile Opfer dokumentiert: ein weiteres Video, 260.000 diplomatische Noten sowie Akten über die Irak- und Afghanistan-Kriege. Der Prozess des jungen Mannes erreicht Anfang Juni vor einem Militärgericht die nächste Runde. Das Verfahren fand auch deswegen weltweite Beachtung, weil Manning monatelang unter inhumanen Bedingungen festgehalten wurde.
Es geht um einen polarisierenden Prozess. Für die einen ist Manning, der nach eigenem Bekunden auf US-Kriegsverbrechen aufmerksam machen wollte, ein tragischer Held, für die anderen ein gefährlicher Geheimnisverräter.

Im toten Winkel

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion, unter ihnen die isländische Abgeordnete und Netzaktivistin Birgitta Jónsdóttir, positionierten sich einhellig pro Manning. Der Dissenz betraf nur die Rolle der klassischen Medien. Nach Meinung von Jónsdóttir und dem Ex-Sprecher des Chaos Computer Clubs, Andy Müller Maguhn, hätten die Mainstream-Medien Mannings Fall größtenteils ignoriert – Investigativ-Journalist John Goetz hielt mir Verweis auf die Auswertungen von Spiegel, Le Monde, New York Times und Guardian dagegen.

Diskussionsverengung

Es hätte die Diskussion befruchtet, wäre durch Gegenmeinungen der Grundkonflikt hinter Veröffentlichung und Gerichtsverfahren zur Sprache gekommen. Er berührt die im Internetzeitalter besonders virulente Auseinandersetzung um Informationsflüsse. Mannings Anhänger pochen auf die Informations- bzw. Meinungsfreiheit – die fraglos unabdingbar ist zur kritischen Auseinandersetzung mit Regierungshandeln -, die Gegner des Inhaftierten wollen den Geheimnisschutz auch in Zeiten potentiell größtmöglicher Transparenz gewahrt wissen. Die schwierige Frage lautet: Verhindern Informationen das Töten – oder sind sie unter Umständen selbst tödlich?
Bilder: savebradley (CC BY 2.0)