„Viagra: Check it out, it´s ten times cheaper …“ Spam-Mails wollen gefälschte Medikamente
verkaufen. Fälschungen werden besonders über das Internet, illegale Versandhändler und auf dem Schwarzmarkt vertrieben. Den Verbrauchern drohen gesundheitliche Schäden, im schlimmsten Fall Lebensgefahr.

Der Handel mit gefälschten Arzneimitteln boomt auch in Deutschland.
Vor allem unechte Anabolika und „Lifestyle-Produkte“
wie Schlankheitspillen, Haarwuchs- oder eben Potenzmittel werden
über das Netz vertrieben.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind rund zehn
Prozent aller Arzneimittel weltweit Fälschungen, beim Internethandel
sollen es sogar 50 Prozent sein.

Experten schätzen, dass sich
damit rund 30 Milliarden Euro pro Jahr verdienen lassen und die
Fälscher höhere Gewinnspannen als beim Rauschgifthandel
erzielen. Der Markt in Deutschland ist unübersichtlich und
wandelt sich schnell. „Wer bei ein paar scheinbar harmlosen
Hilfsmitteln Geld sparen will, läuft Gefahr, seine Gesundheit
aufs Spiel zu setzen“, warnt Ariane Schwarz, Kommissariatsleiterin
des Landeskriminalamtes Berlin.

Zoll beschlagnahmt mehr Fälschungen

2006 beschlagnahmten die europäischen Zollbehörden
an den Außengrenzen der Europäischen Union 2,7 Millionen
gefälschte Arzneimittel, fast fünfmal soviel wie im Vorjahr.
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes gibt es Hinweise, dass die
Fälschungen unter anderem aus Osteuropa, Südostasien und
Südafrika nach Deutschland kommen. Die wachsende Zahl der Internet-Nutzer
verspricht den Betrügern einen immer breiteren Absatzmarkt.
Und die Anonymität des Internets schafft gute Voraussetzungen
dafür, die Spuren zu verwischen.

Gut gemachte Plagiate

Ob Mittel gegen Haarausfall, zur Potenzsteigerung, Raucherentwöhnung
oder zum Abnehmen – die Fälschungen werden Untersuchungen
zufolge immer besser. Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker
(ZL) kam kürzlich bei einer Analyse gefälschter Tabletten
des Haarwuchsmittels „Propecia“ zu dem Ergebnis, dass
sich die Plagiate auf den ersten Blick meist nicht vom Original
unterscheiden lassen. Nur der Farbton oder die Tiefe der Namensprägung
des (vermeintlichen) Herstellers wichen geringfügig von denen
der Originale ab.

Von falschen Angaben auf dem Beipackzettel oder der Verpackung
bis hin zur kompletten Fälschung von Präparaten ist auf
dem Schwarzmarkt alles vertreten. Neben etablierten Marken wie dem
Potenzmittel „Viagra“ werden auch noch nicht zugelassene
Produkte gefälscht und verschreibungspflichtige Präparate
beispielsweise als Nahrungsergänzungsmittel deklariert, um
die Zulassung zu umgehen. Die Kreativität der Fälscher
ist groß: Der im jeweiligen Produkt deklarierte Wirkstoff
ist unter Umständen in der Fälschung gar nicht, in geringerer
Dosierung oder in Kombination mit unbekannten oder giftigen Stoffen
(zum Beispiel Schwermetallen) enthalten.

Eine heikle Mischung: Herz-Kreislauf-Probleme, Schwindelattacken,
Schlaflosigkeit, Angstgefühle und Übelkeit – alles möglich,
abhängig von Präparat und Wirkstoffkombination. Mangelhafte
oder fehlende Hygiene- und Qualitätsstandards bei der Herstellung
bergen weitere Risiken. In Deutschland wurde zwar noch kein Todesfall
durch gefälschte Medikamenten nachgewiesen, doch sind in Europa
schon Plagiate mit potenziell tödlichen Nebenwirkungen aufgetaucht:
zum Beispiel gefälschte Viagra-Pillen 2004 in Großbritannien,
vertrieben über einen Londoner Internet-Anbieter.

Legale Vertriebskette weit gehend sicher

„Seit 1996 sind im Vertrieb über Apotheken und den legalen
Versandhandel 33 Fälle mit Deutschlandbezug bekannt geworden“,
sagt Klaus Gronwald, Kriminalhauptkommissar beim Bundeskriminalamt.
Eine verschwindend geringe Zahl, die Auflagen in Deutschland sind
hoch. Von der Forschungserlaubnis über die Zulassung bis zum
Vertrieb eines Medikaments genauso wie zur Zulassung einer autorisierte
Internetapotheke.

Mögliche Schutzmaßnahmen

Trotz enger Vernetzung und verstärkter Kontrollen von Bundeskriminalamt,
Landeskriminalämtern und Zollbehörden nimmt der Handel
mit gefälschten Arzneimitteln Experten zufolge weiter zu. Neben
der Gefahr für die Verbraucher bedeutet dies starke Umsatzverluste
für die Hersteller. Die Schätzungen variieren zwischen
3,4 und 25 Milliarden US-Dollar. Zurzeit werden von Polizei, Verbänden
und Herstellern verschiedene Maßnahmen zur fälschungssicheren
Kennzeichnung von Medikamenten diskutiert. Zum Beispiel könnte
man an den Verpackungen „funkende Chips“ (Radio Frequenz
Identifikation RFID) anbringen, die die Produkte automatisch identifizierbar
und unbegrenzt nachverfolgbar machen. Auch fälschungssicher?
Dr. Ursula Sellerberg, Pressesprecherin der Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände: „Bisher gibt es zu dieser und anderen
Maßnahmen nur Modellüberlegungen. Wann und ob diese standardmäßig
eingeführt werden und ob das Sicherheitsproblem damit gelöst
wäre, lässt sich momentan noch nicht sagen.“