Die Verschlüsselung der eigenen Daten scheint sinnlos geworden zu sein. Denn die Geheimdienste können trotzdem mitlesen, schreibt der Guardian unter Berufung auf den Whistleblower Edward Snowden. Und die Agenten setzen alles daran, ihr Überwachungssystem aufrecht zu erhalten – von Einsicht keine Spur. Für Stefan Plöchinger von der Süddeutschen Zeitung ist das Grund genug,  dem Staat bis auf Weiteres nicht mehr zu vertrauen.
Auf Twitter läuft die Debatte über die neuen Enthüllungen des Guardian schon auf Hochtouren. Das allerdings heißt so viel nicht: Denn viele Twitterdebatten spiegeln keinesfalls „die Netzgemeinschaft“ als solche wieder – vielmehr finden manche Diskussionen zwischen dem immer gleichen Personenkreis statt. Das und mehr in der wöchentlichen Presseschau.

Video der Woche

http://www.youtube.com/watch?v=uy1af0A2Bn0
Das heutige Video der Woche hat es sogar bin in den Guardian geschafft: Der „Geh wählen“ Metallmix 2023 der IG Metall. Auf eher unkonventionelle Art und Weise fordert die Industriegewerkschaft insbesondere junge Menschen auf, am 22.September wählen zu gehen.

NSA knackt Codes – Die Kryptoparty ist vorbei

Stimmt es, was Guardian, New York Times und ProPublica Neues über die NSA-Methoden veröffentlicht haben, könnte das den letzten Rest Vertrauen in die Privatheit von Online-Kommunikation zerbröseln. Wie die Zeitungen unter Berufung auf interne, von Snowden geleakte Geheimdienstpapiere berichten, können der US-amerikanische Geheimdienst NSA und sein britisches Pendant GCHQ selbst den Teil des Internetverkehrs einsehen, der verschlüsselt wurde. Protokolle wie HTTPS oder SSL, mit denen etwa Banken ihren Kunden die Sicherheit aller Online-Geschäfte garantieren wollen,  wären damit nicht sicherer als ein Schließfach aus Pappe. Das Vorgehen der NSA gleiche dabei dem eines Diebes, der den Tresor selber mit konstruiert hat – und zum High-Tech-Werkzeug greift, falls er einen unbekannten Schutzraum knacken muss. Die NSA habe Kontrolle über internationale Verschlüsselungsstandards, lasse Hintertüren in Programmcodes einbauen und setze Supercomputer zum Dekodieren ein. Brisant für große Internetgiganten wie Google oder Facebook: Der Geheimdienst implementiert die Schwachstellen in Zusammenarbeit mit den Technologieunternehmen, nicht alleine. Welche Unternehmen aber kooperieren, ist unbekannt.
Alle Codes haben NSA und GCHQ angeblich noch nicht entschlüsseln können – doch um dieses Ziel zu erreichen, dürften die US-Agenten auf ein Jahresbudget von 254,9 Mio. Dollar zurückgreifen. Zum Vergleich: Das Ausspähprogramm Prism koste jährlich 20 Mio. Dollar.

Was bleibt?

Der Staat, oder zumindest die Geheimdienste, scheinen also sogar mitzulesen, was verschlüsselt wurde. Stefan Plöchinger von der Süddeutschen Zeitung zieht angesichts der aktuellen Enthüllungen ein ernüchterndes Fazit: Die Spitzelaktionen der Geheimdienste seien „total“ angelegt und würden auf einem Generalverdacht gegen die eigene Bürger basieren. Vor allem aber gebe es seitens der Geheimdienste keinerlei Einsicht, dass hier zentrale Grundwerte der modernen Demokratie – wie die Privat- und Intimsphäre – verraten werden. Denn die Geheimdienste würden fieberhaft daran arbeiten, ihre Fähigkeiten nun nicht zu verlieren – zum Beispiel durch massiven Druck auf die Medien. Was bleibt dem mündigen Bürger nach diesem Vertrauensbruch? Zumindest dürfe er den Regierungen nicht mehr trauen, „solange diese totale Sicherheit über grundlegende Freiheiten stellen – womit ja auch Freiheit vor dem Staat gemeint ist.“ Und es gelte, die Staatsspitzel vor digitale Hürden zu stellen, auch wenn das den neuen Informationen zufolge ein denkbar schwaches Mittel sei.

Reiselust

Überwacht wird – das scheint die bittere Realität sein – rund um den Globus. Und deutsche Firmen unterstützen autokratische Regime bei der Überwachung ihrer Bürger, so steht es in der Süddeutschen Zeitung zu lesen. Neu veröffentlichte WikiLeaks-Dokumente legen nahe, dass deutsche Unternehmen Überwachungstechnologien an Turkmenistan und ähnliche Länder verkaufen (wollen). Denn der Markt für Überwachungstechnik ist milliardenschwer. Firmen wie Atis oder Gamma Group senden ihre Reisevertreter regelmäßig in autoritäre Regime. So wurde bereits 2011 bekannt, dass die Gamma Group ein Angebot für eine „Überwachungslösung“, an den turkmenischen Präsidenten schickte  – für ein Programm, das mächtiger ist als PRISM. Die neuen Daten belegen nun auf eindrucksvolle Weise das weiterhin andauernde Engagement der deutschen Firmen in autoritären Staaten. Alleine dieses Jahr waren Mitarbeiter deutscher Firmen demnach in Turkmenistan, Oman, Kasachstan und Äquatorialguinea zu Gast. Allerdings seien die Exporte von Überwachungstechnologie in der Regel legal und werden das auch bleiben – zumindest wenn es nach dem Willen der Bundesregierung gehe.

Die feinen Unterschiede

„Ein neutrales Netz ist das wichtigste Ordnungsprinzip des Internets“. Die Parteien aber üben sich in Zurückhaltung, schreibt Angela Gruber auf Zeit Online. Im Bundestagswahl trete die Netzneutralität bislang nicht in Erscheinung. Angesichts drängender Fragen zur Rolle von Unternehmen in der digitalen Welt und den Zugangsmöglichkeiten der Bürger sei das ein Fehler. Denn an der Netzneutralität entscheide sich, wie das Internet in Zukunft funktionieren wird. Ansatzpunkte für eine Debatte aber sind vorhanden, zeigt ein Blick in Wahlprogramme der Parteien. Dort kommt auch die Netzneutralität zur Sprache. Dabei fallen zunächst zwei Dinge auf: Zum einen definieren die Parteien den Begriff Netzneutralität nicht immer gleich. Und zum anderen gebe es durchaus unterschiedliche Ansätze, wie ein wertneutrales Internet sichergestellt werden soll. Die feinen Unterschiede zwischen den Parteien arbeitet Angela Gruber in ihrem Artikel anschaulich heraus.

Twitter? Überbewertet!

„Was sagen denn die User dazu?“, tönt es immer öfter durch Fernsehsendungen. Danach liest jemand Kommentare aus dem Internet vor, u. a. von Twitter. Ole Reißmann (SPIEGEL ONLINE) ist genervt davon, welches Meinungsgewicht Twitter-Nutzern in Medienberichten zugebilligt wird. Also hat er den Anteil ausgerechnet, den aktive User des Microblogging-Dienstes an der Gesamtzahl der Wahlberechtigten haben – ausgehend von denjenigen Kommentatoren, die Meinungen zum TV-Duell zwischen Merkel und Steinbrück beisteuerten. Nach einer Korrektur beträgt der Wert 0,058 Prozent. Reißmann fragt außerdem danach, wer die Twitterer – deren genaue Zahl für Deutschland unter Verschluss bleibe – eigentlich sind. Seine Vermutung: Geht es um die Rezeption des TV-Duells, seien hauptsächlich Politiker, Journalisten, Werber und Berliner Blogger beteiligt gewesen. Die agierten innerhalb einer Blase, weil ihre Kommunikationspartner weitestgehend aus demselben Personenkreis stammten. Eines seien sie gewiss nicht: Das Netz.
Mitarbeit: Tobias Mayer
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