Mit dem "Ersten internationalen Forum zur elektronischen
Demokratie" in Issy-les-Moulineaux gestaltet Frankreich den Weg in die Cyber-Politik des 21. Jahrhunderts
mit.
Issy-les-Moulineaux – den langen Namen dieser Kleinstadt bei Paris sollten
sich deutsche Cyber-Aktivisten merken! Gleiches gilt für den cyber-freundlichen Bürgermeister und Abgeordneten
André Santini, der seine Kommune in eine wahre Hi-Tech-Brutstätte verwandelt hat: Ob Frankreichs erstes digitales
Rathaus, interaktive Ortsräte, Schulen im Netz, lokales Web-TV oder internationale Hi-Tech-Firmen und
Cyberclubs, all dies kann man in einem – ehemals – verschlafenen Pariser Vorort von 46.000 Einwohnern entdecken.
Mit der erfolgreichen Organisation des "Ersten internationalen Forums zur elektronischen Demokratie" am 16. März
ist der liberal-konservative Bürgermeister André Santini seinen Amtskollegen mal wieder um einiges voraus.
Die erste "wirtschaftliche Welle" des IT-Business und des E-Commerce hat sich bisher auf die Elite bzw. die
Großstädte des Landes beschränkt. Vordenker wie André Santini sehen nun auch Konsequenzen für das
demokratische Leben, die zweite, "politische Welle" im Cyberspace: "Die technische Revolution ist im Begriff,
einen neuen Typus von Bürgern zu schaffen: Sie sind in der Lage, die Handlungen ihrer gewählten Politiker zu
kontrollieren, ihre Meinung in Echtzeit und über Online-Lobbies zu verbreiten … und bald werden diese Bürger
auch zum Wählen per Knopfdruck bereit sein. Die neuen Informationstechnologien geben uns eine ausgezeichnete
Gelegenheit zur Modernisierung unserer Demokratien. Als Wiege der Demokratie hat Europa die Pflicht, über die
politischen Auswirkungen der Entstehung der Informationsgesellschaft nachzudenken."
Nicole Fontaine (Präsidentin des EU-Parlaments), Robert Verrue (Generaldirektor der "DG Information Society" der
EU), der amerikanische Politikberater Phil Noble (Politicsonline.com), die deutsche EU-Parlamentsabgeordnete
Erika Mann (SPD) und 60 weitere hochkarätige IT-Akteure aus aller Welt lernten sich teilweise erst in Issy
kennen – und debattierten dann angeregt über die folgenden drei Leitfragen:
1.
Wie können neue Informationstechnologien den Bürgern und Wählern
helfen, mehr über die Politik zu erfahren und besser ihre Rechte
wahrzunehmen?
2.
Wie können Bürger größeren Einfluß auf Richtungs- und
Sachentscheidungen der Politik nehmen; wie können sie Politik aktiver
mitgestalten?
3. Wie sollten sich die politischen Parteien auf die Informationsgesellschaft vorbereiten?
Die engagierten Podiumsdiskussionen zur "neuen politischen Kultur im IT-Zeitalter", zur "direkten Demokratie" und
zur "globalen IT-Demokratie" sowie die Einzelgespräche der Forumsteilnehmer aus Politik, Verwaltung,
Wissenschaft und IT-Wirtschaft hat André Santini wie folgt zusammengefasst:
– Für Europas Parlamentarier, Landesregierungen und Kommunalverwaltungen befindet sich das flächendeckende
politische Internet noch in den Kinderschuhen; es besitzt aber ein ausgezeichnetes Entwicklungspotential.
– Die Akteure des lukrativen E-Business sollten derweil nicht allein über die großen Weichenstellungen der
Datenautobahn entscheiden (Zugangs- und Ausrüstungspreise, Netzwerke, Datenschutz, etc.).
– Die IT-freundliche Regierung von Premierministers Lionel Jospin wird die kommende französische
EU-Präsidentschaft zu einer weiteren Förderung der Neuen Medien in Europa nutzen – ihr idealistisches Ziel:
"IT-Zugang und -Ausbildung für alle…"
– Nach erfolgreichen Tests bei den Europawahlen von 1999 sowie bei "Primaries" im US-Bundesstaat Arizona ist in
Europa bald an E-Voting in größerem Rahmen zu denken, z.B. bei den – französischen – Präsidentschaftswahlen
im Jahre 2002.
– E-Voting könnte die Wahlbeteiligung, die Identifizierung mit Mandatsträgern und die gewünschte "öffentliche
Verantwortung" der Bürger deutlich stärken. Dies gilt sowohl für klassische politische Wahlen, als auch für die
Wahl eines Betriebsrats, einer Bürgervertretung, eines Verbandsvorstandes, einer Schülervertretung, etc.
Dass dieses erste "internationale Forum zur elektronischen Demokratie" in einer kleinen dynamischen Hi-Tech-
Kommune bei Paris stattgefunden hat, ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Nach einigen Jahren der "Minitel"-Lähmung
und einer der forcierten Aufholjagd zum europäischen Internet-Standardniveau scheint es Frankreichs politischer
Elite diesmal zu gelingen, von Anfang an international an der Entwicklung der E-Demokratie mitzuarbeiten.
Bei ihren ersten Scharmützeln für den Präsidentschaftswahlkampf von 2002 haben der konservative
Staatspräsident Jacques Chirac und sein sozialistischer Gegenspieler
Premierminister Jospin Jospin bereits deutlich das Online-
Terrain abzustecken versucht. Das Internet wird in den kommenden französischen Wahlkämpfen – als Thema und Medium –
eine zentrale Rolle einnehmen. Trotz allem sollte man jedoch keinen spektakulären Multimedia-Wahlkampf im "american style"
erwarten – die französische Republik liegt weiterhin in der Mitte des "alten Kontinents".