(24.08.2006) Das Land der direkten Demokratie nimmt sich des eVotings an. Der Schweizer Bundesrat hat dazu eVoting-Projekte in den drei Pilotkantonen Genf, Neuenburg und Zürich untersucht.
(24.08.2006) Das Land der direkten Demokratie nimmt sich des eVotings an. Der Schweizer Bundesrat hat dazu eVoting-Projekte in den drei Pilotkantonen Genf, Neuenburg und Zürich untersucht.
Am 31. Mai 2006 hat der Schweizerische Bundesrat einen Bericht über die Pilotprojekte zum
eVoting (in der Schweiz spricht man von “Vote électronique”) gutgeheißen und an das Parlament verabschiedet. Die Politik müsse die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, damit die direkte Demokratie mit den gesellschaftlichen Veränderungen Schritt halten könne: Mit dieser Argumentation will der Bundesrat die schrittweise Einführung des Vote électronique in der Schweiz ermöglichen.
Mit diesem Bericht schliesst der Bundesrat die in parlamentarischen Vorstössen geforderte Abklärung der Chancen und Risiken sowie der Machbarkeit des Vote électronique in der Schweiz ab. Die Bundeskanzlei hatte in den Jahren 2004 und 2005 zusammen mit den Kantonen Genf, Neuenburg und Zürich fünf erfolgreich und pannenfrei verlaufene Pilotversuche mit Vote électronique bei eidgenössischen Abstimmungen sowie zahlreiche Versuche auf kommunaler und kantonaler Ebene durchgeführt.
Vote électronique kann künftigen Generationen die demokratische Teilnahme auch bei veränderten Lebensbedingungen ermöglichen, womit die Legitimation politischer Entscheide durch breit abgestützte Volksentscheide für die Zukunft gesichert wird. Der elektronische Weg erleichtert die Stimmabgabe in einer immer mobileren Gesellschaft und bei stetiger Zunahme stimmberechtigter Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.
Pilotprojekte in drei Kantonen
Bei der Realisierung ihrer Projekte verfolgten die drei Pilotkantone unterschiedliche Ziele: Der Kanton Genf verfügte bereits zu Projektbeginn über ein einheitliches kantonales Personenregister, aus dem am Stichtag ein Stimmregister gebildet wird. Im Kanton Neuenburg ist der Vote électronique fester Bestandteil eines kantonalen eGovernment-Portals (“Guichet Unique”). Dieses Portal bietet den im Kanton ansässigen Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen eine Reihe von Online-Dienstleistungen an. Wer den Guichet Unique nutzen will, muss mit dem Kanton Neuenburg einen Vertrag abschliessen, der mit den aus dem eBanking bekannten Verträgen vergleichbar ist. Der Kanton Zürich verfügt als einziger der drei Pilotkantone über dezentral organisierte Strukturen: Jede der 171 Gemeinden im Kanton Zürich führt ihr Stimmregister autonom. Der Kanton Zürich entwickelte deshalb ein mandantenfähiges System, mit dem die Gemeinden von der Eröffnung des Urnengangs (Hochladen der Stimmregisterdaten) bis zur Auszählung der Stimmen sämtliche Schritte selbstständig vornehmen können.
Bei den Schweizer Stimmberechtigten stößt Vote électronique auf großes Interesse. Die Mehrheit der im Rahmen begleitender Untersuchungen befragten Personen befürwortet die Einführung: Eine
repräsentative Umfrage in der Schweiz hat ergeben, dass rund zwei Drittel der Befragten Kenntnisse über Vote électronique haben. Über die Hälfte der Befragten würde den Vote électronique nutzen, wenn er ihnen zur Verfügung stehen würde. Mehr als 90% derjenigen Stimmberechtigten, welche an den Pilotversuchen teilgenommen und den Vote électronique zur Stimmabgabe genutzt haben, möchten ihn auch zukünftig nutzen. Unter den Stimmberechtigten ist auch eine weit verbreitete Sensibilität gegenüber den Sicherheitsrisiken des Vote électronique festzustellen.
Großes Einsparungspotenzial
Vote électronique ist auf lange Sicht auch wirtschaftlich sinnvoll, kann doch die Verarbeitung und Auszählung effizienter gestaltet werden. So hat eine Studie ergeben, dass sich pro Stimme ein Einsparungspotenzial von 1,61 Franken (ca. 1,02 Euro) ergibt, wenn die Stimme elektronisch und nicht brieflich abgegeben wird. Gleichzeitig lassen sich bei der brieflichen Stimmabgabe Kosten einsparen: Die wenigsten Stimmberechtigten müssen für die Portokosten aufkommen, da diese durch die Mehrzahl der Gemeinden übernommen werden.
Mittel- bis langfristig möchte der Bundesrat, die Zustimmung des Parlaments bezüglich schrittweiser Einführung von Vote électronique vorausgesetzt, die Möglichkeiten zur elektronischen Mitbestimmung weiter ausbauen. So sollen weitere Kantone bei der Durchführung ihrer eVoting-Projekte begleitet werden. Auch für Auslandsschweizer soll die Teilnahme an Vote électronique ermöglicht werden. Dazu sind jedoch zentralisierte und harmonisierte Stimmregister für Auslandsschweizerinnen und -schweizer notwendig, weshalb die Ermöglichung von Vote électronique für diesen Personenkreis erst mittel- bis langfristig ins Auge gefasst werden kann.
Zudem möchte der Bundesrat die elektronische Unterzeichnung von Volksinitiativen, Referenden und Kandidatur-Vorschlägen für Nationalratswahlen erlauben – hierzu ist allerdings die Verwendung digitaler Signaturen unumgänglich, die in der Schweiz aber noch wenig verbreitet sind. Das Parlament wird voraussichtlich noch dieses Jahr die Beratungen über eine allfällige Einführung von Vote électronique aufnehmen und 2007 über die schrittweise Einführung entscheiden.
Der Autor Max Klaus ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Schweizerischen Bundeskanzlei und befasst sich vorwiegend mit Fragen rund um das eVoting im In- und Ausland. Er war an der Erstellung des
Berichts aktiv beteiligt. Der Autor weist darauf hin, dass dieser Beitrag allein die Meinung des Verfassers wiedergibt.