Brauchen wir einen strengeren Datenschutz in der EU? Und wollen wir das überhaupt? Im Digitalen Salon stritten ExpertInnen gestern über den Entwurf der EU- Datenschutzverordnung im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrechten und Überregulierung.
Grundlage der Diskussion war der aktuelle Entwurf der Europäischen Datenschutzverordnung, den der Europabgeornete von Bündnis 90 / Die Grünen Jan Phillipp Albrecht für politik-digital.de bereits ausführlich beschrieben hat. Im ersten Digitalen Salon 2013, organisiert vom Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und DRadio Wissen wurden nun Inhalte der Verordnung zur Diskussion gestellt und unter anderem die Frage aufgeworfen, wo der Datenschutz anfängt und die Freiheit des Einzelenen aufhört.
Marlies Schaum von DRadio Wissen moderierte eine illustre Runde der Extrempositionen, bestehend aus der Datenschutzaktivistin Rena Tangens (Foebud, Big Brother Award) und dem HU-Juraprofessor Martin Eifert, beide Verfechter des Datenschutzes, dem Blogger und Datenschutzkritiker Michael Seemann sowie dem Direktor des HIIG, Prof. Ingolf Pernice, der eine vermittelnde Position einnahm.
Wozu Datenschutz ?
Auf die Eingangsfrage der Moderatorin, wozu überhaupt ein strengerer Datenschutz gebraucht werde, fielen die Antworten bereits sehr unterschiedlich aus. Jurist Martin Eifert sieht in der Reform des Datenschutzes vor allem eine notwendige politische Kontrolle für den Schutz der Autonomie des Einzelnen. Auch Rena Tangens möchte mit der Datenschutzverordnung „Persönlichkeitsrechte“ besser schützen. Ihr gehe es dabei Datenschutz nicht um Eigentum im Sinne von „Meine Daten gehören mir“, sondern vielmehr um ein persönliches Freiheitsempfinden, das es zu verteidigen gelte.
Michael Seemann hingegen sieht in der EU-Verordnung einen eindeutigen Rückschritt. Da wir im Prinzip alle datenverarbeitende Substanzen sein, bräuchten wir „lockere Gesetze“ und einen „entspannten Umgang mit Kontrollverlust“. Wo Eifers die persönliche Freiheit durch eine unregulierte Datenpolitik gefährdet sieht, wirft Seemann die Frage auf: „Wo ist der Freiheitsverlust, wenn jemand Daten von mir hat?“. Der Vertreter der Post Privacy-Bewegung plädiert für einen souveränen Umgang mit der Tatsache, dass andere Menschen Daten von uns besitzen.
Freiheit oder Einschränkung ?
Die Definition von Freiheit entpuppte sich in der Diskussion als grundlegener Streitpunkt, der letzlich auf unterschiedliche politische Positionen zurückzuführen ist. Diese münden wiederum in der Frage, was politische Regulierung eigentlich bringt: Schutz und Freiheit oder Einschränkung und Freiheitbeschneidung? Für die Aktivistin und Künstlerin Rena Tangens ist Regulierung nicht immer gleichbedeutend mit Berschränkung. Problematisch findet sie es allerdings, wenn Datenschutz als vorgeschobene „Ausrede“ von Unternehmen oder Behörden benutzt wird, um Informationen nicht preisgeben zu müssen.
Auch in konkreten inhaltlichen Fragen zur Datenschutzverordnung gab es differenzierte Positionen. So steht Seemann dem Vorschlag, AGBs verständlicher und lesbarer zu gestalten, kritisch gegenüber. Er bezweifelt, dass AGBs auch nach der Reform die wirklich gelesen würden. In diesem Punkt ist das Publikum des Digitalen Salons sich einig. Auf die Frage der Moderatorin, bei wem ein Interesse daran bestehe, zu wissen, was mit den eigenen Daten geschehe, gingen nahezu alle Hände nach oben. Martin Eifert sieht generell „Bequemlichkeit“ als häufigen „Killer des Datenschutzes“. So seien UserInnen durchaus dazu aufgefordert, mehr Eigenverantwortung für ihr Handeln im Netz zu übernehmen, wozu aber klar verständliche Geschäftsbedingungen nötig seien.
Datenschutz als „Verkehrsregeln“
Professor Pernice will zwischen Eigenverantwortung, politischer Kontrolle und persönlicher Freiheit abgewogen wissen und ist im Ergebnis zwiegespalten. Seiner Ansicht nach sollte zwar nicht „die ganze Welt durchgeregelt“ werden, dennoch sei es gut, wenn mit dem EU- Reformvorschlag gewisse Sorgen verschwänden. So könnten die angedachten Sanktionen gegen Datenschutzverletzungen von bis zu 2 Prozent des Jahreseinkommens von Unternehmen bereits als Warnung für andere fungieren. Ausruhen könne man sich auf der Datenschutzverordnung jedoch nicht, so Pernice. Er plädiert für eine Deutung der Datenschutzregelungen als Verkehrsregeln: „Wie im Verkehr kann das Netz zwar durch den Datenschutz geregelt werden, trotzdem wird es aber auch immer wieder Unfälle geben“, bringt er die Diskussion auf den Punkt.
Die Aufzeichnung des Gesprächs kann am Samstag, dem 2. Februar, ab 11 Uhr im Online Talk auf DRadio Wissen in voller Länge angehört werden.
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