Immer hochwertiger und komplexer werden Werbung und Propaganda im Internet. Das zeigen sowohl der sogenannte Islamische Staat wie auch rechtsradikale Hetzkampagnen. Bisher wurde noch keine wirklich funktionierenden Gegenmaßnahmen gefunden. Wie reagieren staatliche Institutionen und Unternehmen, deren Plattformen zur Distribution genutzt werden? Ein Überblick über “Counter Narratives” und “Flaggen”.

Ob Hinrichtungen von Geiseln oder Zerstörungen kultureller Stätten. Fast täglich berichten die Nachrichtendienste über die Gräueltäten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). In einem ähnlichen Ausmaß verbreitet der IS selbst Videos seiner Taten im Internet. Dort tobt schon seit einigen Monaten ein Stellvertreterkrieg: Die Dschihadisten gegen ihre Gegner. Die Propagandavideos des IS erinnern an Trailer neuerer Computerspiele und lassen den Krieg wie ein cooles Abenteuer aussehen. Dem gegenüber stehen staatliche Institutionen, private Unternehmen, Initiativen und Einzelpersonen. Sie versuchen, den Einfluss der Islamisten einzudämmen und diesem entgegenzuwirken.

Daher besteht der Bedarf nach einer richtigen Strategie. Mit ihr soll den qualitativ hochwertig produzierten Videos und vielfältigen Auftritten in den sozialen Medien entgegengewirkt werden. Eine solche Strategie wurde und wird bisher heftig in der westlichen Welt diskutiert. Anfang diesen Jahres setzten die Vereinigten Staaten und Frankreich noch auf Abschreckung: Mit Videos von realen Kriegsopfern- und folgen sollten interessierte Jugendliche aufgeklärt werden. Sehr erfolgreich war die Gegenpropaganda jedoch nicht. Ein Grund könnte sein, dass die Videos dem IS-Bildmaterial zu sehr ähneln.

Propaganda nicht unkommentiert stehen lassen

Unter dem Begriff “Counter Narratives” werden im englischsprachigen Raum bereits neue Strategie der Gegenpropaganda entwickelt. Im Deutschen gibt es bislang keine adäquate Übersetzung. Am ehesten trifft es vielleicht “Couragierte Gegenrede” oder “Gegenerzählung”. Dafür finden sich jedoch im deutschsprachigen Raum viele Beispiele. Insbesondere werden solche Strategie gegen Neonazis und Rechtspopulisten eingesetzt, wie die Plattform netz-gegen-nazis.de zeigt. Unabhängig davon, ob es sich um Nazis oder Dschihadisten handelt. Wichtig ist es, die emotional mitreißenden und wenig korrigierbaren Rekrutierungs- und Ideologie-Videos und Facebookseiten nicht unkommentiert stehen zu lassen. Gegenrede kann dabei vielfältig und von verschiedenen Seiten kommen. Ein ehemaliger britischer Islamist will zum Beispiel mit seiner Comicvideoserie “Abdullah X”, über Dschihadisten aufklären und Zweifel an deren Versprechungen wecken.

Auch auf europäischer Ebene handeln die staatlichen Institutionen. Sie haben das „Beratungsteam für strategische Kommunikation in Bezug auf Syrien“ (SSCAT) ins Leben gerufen. Das SSCAT soll die EU-Mitgliedsstaaten sowie europäische Institutionen bei der Ausarbeitung von Kampagnen unterstützen. Ziel ist die Aufklärung und Information von jungen und jugendlichen Menschen. Gerade bei ihnen handelt es sich um die potenziellen Rekruten des IS. In Deutschland wurden die Maßnahmen von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) umgesetzt. Gemeinsam mit drei bekannten Youtubern hat die bpb eine Videoreihe produziert, die über die Kernbegriffe des Islam aufklärt und dabei die Sprache der Jugendlichen trifft. In einer zweiten Reihe gibt es Interviews mit Wissenschaftlern und Experten. In Frankreich wird eine härtere Gangart eingelegt: Um junge Franzosen vom Kampf für den IS abzuhalten, werden in kurzen Videoclips unter anderem die Geschichten von Jugendlichen erzählt, die im Kampf umgekommen sind.

Ansichten von IS-Gegnern “bei weitem nicht stark genug” im Netzwerk

Die verstärkte Nutzung der sozialen Netzwerke zu Propaganda- und Rekrutrierungszwecken erkennen auch die Vereinten Nationen in einem Bericht an. Eine geeignete Reaktion der Unternehmen, auch durch bessere Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, wird angemahnt. Counter Narratives alleine reichten nicht zum effektiven Kampf gegen den IS, wie Google-Managerin Victoria Grand mahnte.

Facebook, Youtube und Co. haben jedoch zum Teil bereits schon reagiert und Sicherheitsteams aufgebaut. Die Videoplattform Vimeo beispielswiese hat ein Team von vier Mitgliedern. Facebook vier Teams in den USA, Indien und Europa. Die Facebook-Teams durchsuchen das Netzwerk nach möglicher Propaganda.

“Flaggen” gegen den IS und Hetze

Die wichtigste Waffe der Sicherheitsteams ist dabei die sogenannte “Flag”-Funktion. Dort kann jeder Nutzer Posts oder Videos mit fragwürdigem Inhalt markieren. Anschließend werden die entsprechenden Beiträge in den internen Prüf-Apparat weitergeleitet. Dort wird dann entschieden, ob ein Beitrag gelöscht wird oder nicht. Über die kritikwürdigen Löschpraktiken der Sozialen Netzwerke haben wir bei politik-digital.de berichtet. Die sozialen Netzwerke rechtfertigen ihre Geheimhaltung der Lösch-Richtlinien. So geben sie an, dass ihre Gegner die eigenen Vorgehensweisen nicht kennen sollen, um sich diesen anzupassen.

Aber auch die Gegenseite schläft nicht. Wenn ein Profil oder eine Seite gesperrt oder gelöscht wird, erscheint diese unter anderem Namen nach kurzer Zeit wieder. Zwar setzen die sozialen Netzwerke auf regelmäßige Social Media Trainings von NGOs. Doch trotzdem benötigt es neben der Arbeit der Sicherheitsteams der Unternehmen und NGOs weiterhin die aktive und engagierte Arbeit von Einzelnen, um der Propaganda vielseitig und großflächig mit Gegenpositionen und aufklärenden Inhalten entgegenzutreten.

Bild: balleyne (CC BY-NC 2.0)

CC-BY-SA

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