Staat und IT am Beispiel Jordanien: Kleines Land, große Ideen. Die Planungen für eGovernment sind im Gange und König Abdullah II hofft auf Investitionen und Arbeitsplätze.

„We are working to create a cutting edge governmental organization, moving away from the classical approach to a very transparent, efficiently managed entity to deliver services effectively.” So äußerte sich kürzlich der jordanische e-Minister, Dr. Zu’bi (Artikel im Star, Issue 92, Mai 2002).

Im April 2002 wurde dessen Ministerium für Post und Telekommunikation umbenannt in Ministerium für Information und Kommunikationstechnologie. Die Namensänderung, der eine Umstrukturierung voraus ging, unterstreicht die neuen Aufgaben, die das Ministerium übernommen hat: den Ausbau der IT Industrie und die Koordinierung und Implementierung des eGovernment Projekts. In der Tat spielt das Ministerium eine wichtige Rolle in den Bemühungen, den wirtschaftlichen und sozialen Wachstum des Landes voranzutreiben, den Anschluss an die Informationsgesellschaft zu sichern und den Grundstein für den Wohlstand zukünftiger Generationen zu legen.

30.000 Arbeitsplätze – Jordanien ein neues Silicon Valley

Jordaniens Bemühungen auf dem IT-Sektor sind vor allen Dingen wirtschaftlich motiviert. Laut einer Studie, die dem König Abdullah II. und dem Kabinett Anfang 2000 vorgelegt wurde, soll der Ausbau des IT-Sektors bis zum Jahre 2004 Investitionen in Höhe von 150 Mio. Dollar anziehen, 30.000 Arbeitsplätze im IT-Bereich schaffen und Exporterlöse in Höhe von 550 Mio. Dollar erwirtschaften. Jordanien – ein arabisches Silicon Valley? Um die E-Visionen in die Tat umsetzen zu können, braucht das Land neue gesetzliche und institutionelle Rahmenbedingungen, eine starke Public-Private Partnership und ein effizientes staatliches Management – eGovernment eben.

Seit gut zwei Jahren arbeiten verschiedene Stakeholder aus Staat und Wirtschaft zusammen, um ein Aktionsplan für die nächsten 5-10 Jahre zu entwerfen, nach dem ein voll entwickeltes eGovernment aufgebaut werden und eine eKultur entstehen soll. Mittlerweile ist die erste Phase, in der eine Bestandsaufnahme erstellt und die Vorraussetzungen und Bedingungen für eGovernment in Jordanien analysiert wurden, abgeschlossen. Nun geht es an die Umsetzung. Das Ministerium für Information und Kommunikationstechnologie will sich auf acht Pilot-Projekte konzentrieren in den Bereichen: Business Registrierung, Lizenzvergabe an Telekommunikationsunternehmen, Steuern und Soziales, Procurement, Kfz Dienstleitungen, Immobilien, Personal, policy and practice.

Der erste Schritt sieht vor Informationen über Ziele, Aufgaben und Arbeitsweise der einzelnen Ministerien ins Netz zu stellen. Im zweiten Schritt wird die Infrastruktur für ein interaktiven Informationsaustausch zwischen Kunden (Bürgern / Unternehmen) und Staat aufgebaut und zu guter letzt soll der Kunde selbst Transaktionen durchführen können, z.B. ein Führerschein online verlängern. Laut Herrn Khasawneh, Direktor des E-Government Programms des Ministeriums für Information und Kommunikationstechnologie, sind die ersten beiden Pilot-Projekte bereits umgesetzt.

Nur 1 Prozent der Jordanier nutzt das Internet

Fast alle jordanischen Ministerien sind mittlerweile online (in englischer und arabischer Sprache). An einem allgemeinen Portal wird noch gearbeitet. Die Qualität des angebotenen E-Government Service ist unterschiedlich. Die meisten Ministerien befinden sich noch in der Anfangsphase. Es ist auch klar, dass eGovernment vorhandene Dienstleistungen nur ergänzen und verbessern, nicht aber ersetzen kann.

Um möglichst alle Teile der Bevölkerung zu erreichen, wird der Entwicklung arabischsprachiger Seiten Priorität gegeben. Bisher sind viele der jordanischen IT-Fachkräfte in andere Länder des Nahen Ostens, vorwiegend die Golf Staaten, ausgewandert, da man dort mehr verdienen kann. Deshalb legt die Regierung Wert darauf, dass lokale IT Firmen zur Umsetzung des E-Government und eCommerce mit herangezogen werden.

E-Government ist kein Allheilmittel gegen einen trägen, schlecht bezahlten Verwaltungsapparat, der auf einem schwachen Back Office System aufgebaut ist. Um effektiv zu sein, muss eGovernment auf gut gepflegte und kompatible Datenbanken zurückgreifen können. Die wohl größte Herausforderung liegt aber in der geringen Internet Nutzung in Jordanien. Sie liegt bei ca. 1 % der Bevölkerung. Angesichts der Tatsache, dass 42% der Bevölkerung in Jordanien unter 15 Jahren ist, gibt es hier ein großes ungenutztes Benutzerpotential. Allerdings müssen sich erst einige sozio-politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen ändern, um das Potential voll ausschöpfen zu können. Neben dem Zugang zur Computer – nur jeder zehnte Haushalt (5-9 Personen) hat ein PC, da Computer und Software relativ teuer sind in Jordanien – stellen hohe lokalen Telefonkosten und ‘langsame’ Leitungen ein weitere Hindernis dar.

Nicht nur der König, die Regierung und die Wirtschaft haben das Potential des Internet erkannt. Auch die Nichtregierungsorganisationen machen sich die Kommunikationsmöglichkeiten zu nutze. So verbirgt sich unter
www.jordandevnet.org eine Datenbank mit 700 Nichtregierungs-organisationen, internationalen Organisationen und Wohltätigkeitsvereinen, die in Jordanien tätig sind. Neben der Suche nach Organisation und Tätigkeitsfeld bietet die Site eine Jobbörse, ein Veranstaltungskalender und relevante Nachrichten. Die Site wurde mit Hilfe von Geldern des Department for International Development (DFID, Großbritannien) von einer jordanischen Software Solution Firma erstellt.

Kleines Land, große Ideen – so lautet das Motto. Man darf gespannt sein.

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Erschienen am 6.1.2003