Seit Freitag, den 3. Mai 2002 können Bieter aus der Wirtschaft ihre Angebot dem Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums via Internet unterbreiten.

Ist der Kopierer in einem der bundesdeutschen Ministerien defekt, müssen die Verwaltungsangestellten bei einem Arbeitseinsatz von drei Personen fünfundzwanzig Tage auf ein neues Gerät warten. Zu diesem Ergebnis kam die Unternehmensberatungsgesellschaft KPMG in ihrer Studie
“Internettechnologien in der Beschaffung der öffentlichen Hand” vom September 2001. Solche langwierigen und gleichzeitig kostenintensiven Beschaffungsvorgänge sollen künftig der Vergangenheit angehören.

Am vergangen Freitag haben Brigitte Zypries, Staatssekretärin im Bundesministerium des Inneren (
BMI), und Dr. Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (
BMWi), den Startschuss für die erste vollständige elektronische Beschaffung auf Bundesebene im Haus der Wirtschaft in Berlin gegeben. Knapp ein Jahr nach Beginn der technischen Umsetzung erhalten Bieter aus der Wirtschaft nun die Möglichkeit, ihre Angebote komplett und rechtsverbindlich ohne Medienbruch über das Internet abzuwickeln.

E-Vergabe ist in die Initiative
BundOnline2005 der Bundesregierung eingebunden und gehört aufgrund der großen Bedeutung für Verwaltung und Wirtschaft zu den Leitprojekten der Verwaltungsmodernisierung. Insgesamt vergeben Bund, Länder und Gemeinden Aufträge in Höhe von rund 250 Mrd. Euro pro Jahr. Das entspricht etwa einem Anteil von 13 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Die Vergabe von Aufträgen erfolgt grundsätzlich im Wettbewerb, wobei unterschiedliche Leistungen wie z. B. Liefer-, Dienst- und Bauleistungen – von der Stecknadel bis zur Autobahn- von über 30.000 öffentlichen Auftraggebern nachgefragt werden. Das Einsparpotential, das mit e-Vergabe erzielt werden könnte, liegt nach Schätzungen des BMWi bei ca. 10 Prozent.

“Mit dem Projekt e-Vergabe verändern wir die öffentliche Beschaffung für alle Ebenen der Verwaltung, auch in Ländern und Gemeinden. E-Vergabe ist ein weiterer wichtiger Schritt unserer eGovernment-Initiative BundOnline 2005, mit der wir mehr als 350 Dienstleistungen der Bundesverwaltung im Internet bereitstellen werden. Mit der elektronischen Beschaffung wird Verwaltungshandeln zukünftig effizienter. Dabei beachten wir die hohen rechtlichen Anforderungen, die an öffentliche Ausschreibungen gestellt werden. Ich erwarte als Resultat deutliche Ersparnisse bei Prozess- und Transaktionskosten der öffentlichen Beschaffung sowie niedrigere Einkaufspreise.”, erklärt Brigitte Zypries.

Neben Einsparungen in der Verwaltung soll die Wirtschaft angekurbelt werden. Gleichzeitig wird mehr Transparenz über öffentliche Bekanntmachungen hergestellt.

“Auch die Wirtschaft gehört zu den Gewinnern, denn”, so Dr. Alfred Tacke, “dem zwischen den Unternehmen schon üblichen E-Commerce wird ein gleichwertiger Zugang zur öffentlichen Verwaltung geboten. Neben dem Wegfall von organisatorisch bedingten Bearbeitungszeiten, sehe ich eine Verbesserung der Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen und in der Folge eine Erweiterung des Bieter-Spektrums und damit des Wettbewerbs. Insbesondere der Mittelstand sollte davon profitieren. Zudem werden mit dem Projekt auch qualifizierte elektronische Signaturen in Wirtschaft und Verwaltung stärker verbreitet.”

Ähnlich äußert sich Ulrich Fricke, Vorstandsvorsitzender des
Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Technologie

auf der Kongressmesse
e-procure in Nürnberg: “e-Procurement verhilft zu geringeren Prozess- und Transaktionskosten und niedrigeren Einkaufspreisen; der Weg führt über eine zentralisierte, organisierte Zulieferkette (Supply Chain), über Preisvergleiche und Ausschreibungen.”

Die e-Vergabe wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in enger Abstimmung mit den Bundesministerien des Innern und für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit bisher 4,5 Mio. Euro gefördert. Neben dem Beschaffungsamt des BMI wird auch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung e-Vergabe im Pilotbetrieb testen und danach in Betrieb nehmen. Erster Pilotanwender ist das Beschaffungsamt des BMI, das 50 persönliche Organizer (PDA) elektronisch beschaffen will. Auf der
Vergabeplattform des Amtes können aktuelle Ausschreibungen eingesehen und auf elektronischem Weg innerhalb der Ausschreibungsfrist von ca. drei Monaten Angebote übermittelt werden. Voraussetzung ist eine Signaturkarte und ein Kartenlesegerät.

Die e-Vergabe ist ein Teil des Projekt
“Öffentlicher Eink@uf Online”, mit dem das Beschaffungsamtes ein Lösungsansatz für den öffentlichen Einkauf präsentiert. Das Leitprojekt e-Vergabe wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in enger Abstimmung mit den Bundesministerien des Innern und für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Rahmen seiner Technologiepolitik umgesetzt. Das Bundesministerium der Verteidigung und das Bundesministerium für Bildung und Forschung beteiligen sich mittlerweile ebenfalls. Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nehmen als Beobachter daran teil.

Das
Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und die
Wegweiser GmbH analysieren und bündeln die verschiedenen Erfahrungen während der Pilotphase, stellen die Übertragbarkeit der Ergebnisse sicher und leistet eine kohärente Verbreitung der Ergebnisse.

Im Gegensatz zu Beschaffungsvorgängen in der Wirtschaft unterliegen öffentliche Aufträge besonderen Anforderungen, die sich in umfangreichen Vergaberichtlinien und einem hohen Sicherheitsbedarf niederschlagen. Mit der Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen (Vergabeverordnung, Signatur- und Formvorschriftenanpassungsgesetz) hat die Bundesregierung im vergangenem Jahr die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. Die Realisierung von e-Vergabe ist durch Einbindung der digitalen Signatur und hohen verschlüsselungstechnischen Anforderungen eine technologische Herausforderung.

Die elektronische Beschaffung wird nach drei unterschiedlichen Vergaberegeln getestet, die Detailvorschriften der Vergabe von Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträgen enthalten: Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF), Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) und Verdingsungsordnung für Bauleistungen. Die VOB lässt im Unterschied zu VOL und VOF derzeit noch keine ausschließliche elektronische Angebotsangabe zu.

Im Herbst diesen Jahres soll zum ersten Mal eine VOB-Ausschreibung gestartet werden. Das BMWi geht davon aus, dass die Phase der Feldversuche bis Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein werden. Dies hängt allerdings nicht zuletzt davon ab, welche

Erfahrungen die Feldversuche bringen und welche Nacharbeiten erforderlich

sind.

Das Pilotprojekt e-Vergabe des Bundes soll den Ländern und Kommunen als Vorbild dienen.

Der Bund bietet den beiden Verwaltungsebenen Businesspläne an, damit diese von den Erfahrungen des Piloten profitieren können. Dabei soll eine Plattform für alle kommunalen Organe geschaffen werden, die den Kommunen , Gemeinden und Ländern offen steht.

Diese theoretischen Anleitungen und Hilfestellungen von Seiten des Bundes sind jedoch nur dann erfolgreich, wenn ihnen staatliche Zuschüsse folgen, wie Professor Birger Priddat von der Universität Witten-Herdecke in einem Interview mit politik.digital zu Verstehen gibt. Seiner Meinung nach sollten förderativen Strukturen aber nicht zu künstlichen Barrieren werden. Bei bestimmten Gütern, wie zum Beispiel bei Feuerwehrautos, könnten sich die Kommunen aus den Ländern zu virtuellen Nachfragekommunen zusammenschließen, um höhere Preisvorteile bei den Anbietern zu erreichen.

Erschienen am 10.05.2002