Die Fortentwicklung der elektronischen Behördendienste in Europa hat seit Herbst 2001 deutliche Fortschritte gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt die von der Europäischen Kommission initiierte Studie “Web-based Survey on Electronic Public Services”. Die Untersuchung wurde von der Unternehmensberatung
“Cap Gemini Ernst & Young” im April diesen Jahres durchgeführt und ist Bestandteil der eEurope-Benchmark-Initiative, mit der die Kommission die Nutzen der Informations-Gesellschaft für alle EU-Bürger zugänglich machen will.
In allen Mitgliedsländer der EU sowie Island, Norwegen und der Schweiz wurden die Behördendienste hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit über ein Internet-Portal untersucht. Dabei wurde der Entwicklungsstand der betreffenden Dienstleistungen prozentual in vier Kategorien abgestuft:
- Information: Bloßer Abruf von Auskünften über die Dienstleistung und die zuständige Behörde (25 Prozent-49 Prozent)
- Einseitige Information: Möglichkeit zum Download von Formularen, die in ausgedruckter Form auf herkömmliche Weise ausgefüllt und verschickt werden können. (50 Prozent-74 Prozent)
- Beidseitige Information: Auf einem Internet-Portal werden Online-Formulare bereitgestellt, mit Hilfe derer der Dienst (z.B. eine Anmeldung) abgewickelt werden kann. (75 Prozent-99 Prozent)
- Vollständige Transaktion: Die gesamte Kommunikation zwischen dem Bürger und der zuständigen Behörde wird über ein Online-Verfahren geregelt. Über spezielle Zugangs-Accounts können, falls notwendig, auch Finanztransfers abgewickelt werden. (100 Prozent)
Insgesamt sind der Untersuchung zufolge inzwischen 55 Prozent der öffentlichen Dienste online zugänglich, ein deutlicher Zuwachs also gegenüber dem Resultat von 45 Prozent bei der ersten Studie von Oktober 2001. Spitzenreiter ist demzufolge Irland mit 85 Prozent gefolgt von den skandinavischen Ländern. Demgegenüber haben Luxemburg und die Schweiz momentan noch den meisten Nachholbedarf. Deutschland liegt mit seinem Ergebnis von 46 Prozent im Bereich des unteren Mittelfeldes unter den untersuchten Ländern. Mit einem Zuwachs von 6 Prozentpunkten gegenüber der Vorgänger-Studie wurde den deutschen Behörden ebenfalls nur ein Ergebnis leicht unter dem Gesamtdurchschnitt bescheinigt.
In allen Ländern mit Ausnahme der Niederlande ist die Entwicklung der Online-Dienstleistungen für Unternehmen (68 Prozent) nach wie vor deutlich weiter fortgeschritten als bei denen für den privaten Staatsbürger(47 Prozent). Auch wenn in beiden Bereichen ein Anstieg stattgefunden hat, hat sich der Abstand doch noch einmal vergrößert.
Die zwanzig untersuchten Dienstleistungen wurden zudem inhaltlich in vier Gruppen gegliedert. Auch unter diesen bestehen zum Teil deutliche Unterschiede. Am besten entwickelt sind demnach die einnahmeorientierten Dienste (hauptsächlich Steuern und Sozialabgaben), bei denen ein Spitzendurchschnitt von 79 Prozent ermittelt wurde. Meldedienste (53 Prozent), staatliche Rückleistungen wie Sozialleistungen oder auch öffentliche Bibliotheken (48 Prozent) sowie Leistungen im Zusammenhang mit Dokumenten und Zulassungen (41 Prozent) haben einen deutlich geringeren Zuwachs zu verzeichnen.
Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse der deutschen Behörden erreichen immerhin sechs der zwanzig untersuchten Dienstleistungen die höchste Kategorie der “vollständigen Transaktion” (darunter fünf aus dem Bereich der einnahmeorientierte Dienste). Jedoch schaffen auch insgesamt neun Dienste noch nicht einmal den Sprung in die erste Stufe (vor allem Melde- und Registrierungsangelegenheiten). Dennoch sieht sich die
Bundesregierung durch die EU-Studie auf dem Weg zur Verwirklichung ihrer eGovernment-Initiative “BundOnline 2005” bestätigt. Sie weist insbesondere darauf hin, dass gerade die Dienstleistungen, die von der Bundesverwaltung angeboten werden, mit Bestwertungen abgeschnitten haben. Zudem habe es seit Abschluss der aktuellen Studie bereits weitere nachweisbare Fortschritte gegeben.
Die Autoren der Studie sehen sich erneut in ihrem Fazit des letzten Jahres bestätigt. Danach werden die besten Ergebnisse von Behördendiensten erzielt, die wenig komplex strukturiert sind und zugleich durch eine zentrale Organisation koordiniert werden (z.B. Steuerangelegenheiten, Angebote zur Jobsuche). Die bisherigen Initiativen der Untersuchungsländer haben ihren Schwerpunkt auch vor allem in diesen Bereichen gesetzt. Um hingegen auch bei den öffentlichen Dienstleistungen, bei denen eGovernement-Lösungen offenkundig schwieriger umzusetzen sind Fortschritte erzielen zu können, seien zwei Ansätze zu empfehlen:
- die lokalen Behörden sollten Möglichkeiten erhalten, an zentralen Online-Initiativen zu partizipieren und aus diesen Vorteile zu ziehen. So habe der zentrale Katalog der öffentlichen Bibliotheken in Österreich dadurch eine gute Lösung erzielt.
- eine langfristig angelegte Umorganisation der verwaltungsinternen Abläufe sollte zu einer Vereinfachung der Verfahren hinführen. Auf diesem Wege konnten die belgischen Sozial-Behörden bereits achtbare Fortschritte erzielen.
Bei einigen, sehr komplex und dezentral strukturierten Diensten (Umwelt-Genehmigungen) seien jedoch rasche Erfolge noch nicht zu erwarten. In diesen Fällen sei es sinnvoll, zunächst ein umfassendes Informationsangebot mit der Möglichkeit zum Download wichtiger Dokumente aufzubauen.
Künftig soll die eGovernment-Studie halbjährlich durchgefürt werden. Außerdem stiftet die Kommission einen “eEurope-Preis für innovative elektronische Behördendienste”.
Erschienen am 01.08.2002
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