Planer stehen heute immer häufiger vor dem Problem, sich mit ganz unterschiedlichen Interessen, Standpunkten und Erwartungen betroffener Bürger/innen und organisierter Interessensvertreter auseinandersetzen zu müssen. Sie können ihre Entscheidungen nicht länger von zentraler Stelle aus fällen, sondern müssen neue Möglichkeiten der Einbeziehung und Berücksichtigung aller Beteiligten schaffen. Dabei geht es nicht mehr nur darum, die Legitimation und Akzeptanz gegenüber Planungsvorhaben zu verbessern, sondern vielmehr durch die Berücksichtigung unterschiedlichen Wissens bessere und nachhaltigere Entscheidungen treffen zu können.

Vor dem Hintergrund der eGovernment-Bewegung stellt sich die Frage, inwiefern dabei auch auf die neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) zurückgegriffen wird. In der Planungspraxis lässt sich in diesem Zusammenhang die Herausbildung eines neuen Verfahrentyps beobachten: „Online-mediierte Verfahren“, die sich möglicherweise als Anzeichen für eine Planungskultur werten lassen, in der Planer/innen versuchen, anstelle Wissensmonopole zu behaupten und Planungen „von oben nach unten“ durchzusetzen, die unaufhebbare Vielfalt an Wissensformen und Ordnungsvorstellungen zuzulassen und produktiv zu nutzen.


Heterogenität als Herausforderung

In einer Gesellschaft, die sich immer stärker differenziert, dürfen wir gerade in Fragen des Zusammenlebens immer weniger auf Übereinstimmungen in den Sichtweisen und Lösungsvorstellungen hoffen. Bereits auf kommunaler Ebene, wo die Bürger/innen politische Entscheidungen hautnah erleben, ist mit auseinanderstrebenden Wertvorstellungen, Erfahrungshintergründen und Wissensvoraussetzungen zu rechnen. Man kann auch sagen, dass es auch in der Planung für alle erkennbar keinen Besser- oder Richtigwissenden mehr gibt, stattdessen lediglich Vertreter unterschiedlicher Sichtweisen und Lösungsvorstellungen. Dies bedeutet, dass das politisch-administrative System sich mit Aufgaben der Leitung und Koordination komplexer, dynamischer Systeme befassen muss, in denen heterogene Wissensformen und Ordnungsvorstellungen koexistieren und miteinander konkurrieren. Allerdings sind Planungs- und Beteiligungsverfahren (bzw. die dahinter stehenden Planungs- und Beteiligungskulturen) vor diesem Hintergrund als kritisch einzuschätzen: Denn erstens sind sie in einem relativ späten Phase im Planungszyklus verankert. Zweitens wird in ihnen die Idee der Beteiligung weitgehend auf Information über Vorhaben reduziert. Und drittens scheinen sie Vielfalt in den Sichtweisen und Auffassungen der Betroffenen eher zu behindern als zu befördern. In den letzten Jahren wurden jedoch vermehrt informelle Beteiligungsverfahren entwickelt und auch eingesetzt, in denen Planung als ein kommunikativer, argumentativer oder kooperativer Prozess zwischen heterogenen Akteuren verstanden wird.

Neue Impulse durch die E-Government-Bewegung

Aufwind erhalten Bemühungen um eine Öffnung der Planungs- und Beteiligungsverfahren für die Interessen und Sichtweisen der bislang nur Planungsbetroffenen durch die Verbreitung des Internets. Die neuen Medien werden im Rahmen der eGovernment-Reformbewegung als Weichenstellung für eine Reformierung institutioneller Arrangements im politisch-administrativen System gedeutet und eingesetzt. Dabei geht es nicht um die Nutzung der neuen Medien um ihrer selbst willen, sondern um soziale Innovationen, das heißt mehr um Government als um Electronic. eGovernment meint deshalb auch nicht die Digitalisierung vorhandener Verwaltungsabläufe, sondern die Neu- und Umgestaltung von Verwaltungsprozessen auf der Basis neuer organisatorischer Spielräume, die sich durch die Einführung neuer Medien ergeben. Ebenso geht es bei der ePartizipation nicht um die Digitalisierung vorhandener Planungs- und Entscheidungsverfahren. Ziel ist es vielmehr, mit Hilfe neuer Medien neue Beteiligungsverfahren zu entwickeln und diese als Teil einer neuen Verwaltungs- und Entscheidungskultur zu etablieren: ePartizipation ist also die Suche nach innovativen Beteiligungsmöglichkeiten unter Rückgriff auf die Möglichkeiten internet-basierter IuK.


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Der Autor des Textes, Dr. Oliver Märker, ist Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Autonome Intelligente Systeme und Mitarbeiter des Vereins Zebralog e.V. für medienübergreifende Dialoge.


Erschienen am 06.04.2006