Wie kann eGovernment strukturschwachen Regionen helfen? Und wie kann länderübergreifend zusammengearbeitet werden? Eine deutsch-polnische Veranstaltungsreihe geht diesen Fragen nach.
Am 13. November 2003 fand in Potsdam die Auftaktveranstaltung zu drei deutsch-polnischen Diskussionsrunden mit dem Titel „Über Grenzen hinweg- eGovernment in strukturschwachen Regionen“ statt. In der bis zum Sommer nächsten Jahres laufenden Veranstaltungsreihe sollen Leitgedanken und Lösungsansätze für ein modernes, leistungsstarkes und grenzübergreifendes eGovernment-Modell gesucht und entwickelt werden.
Zu dieser Veranstaltungsreihe hat die Alcatel SEL Stiftung für Kommunikationsforschung, das Hochschulkolleg E- Government der Alcatel SEL Stiftung, das Forum Soziale Technikgestaltung, das vom Fraunhofer FOKUS Berlin in Verbindung mit dem eGovernment Zentrum getragene Forum „E.GOV.BERLIN-BRANDENBURG“, die Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung und die polnische Organisation „Cities on Internet“- Association geladen. Durch diese Veranstaltungsreihe soll ein länderübergreifender eGovernment- Dialog initiiert werden. Denn die Zukunft dieser Region lasse sich nur gemeinsam gestalten.
Wie können eGovernment-Instrumente die Lösung der Probleme strukturschwacher Regionen unterstützen? Neben den Themenschwerpunkten Konzeptionen und Erfahrungen zu dieser Frage stand die Klärung der Ausgangsvoraussetzungen der betroffenen Regionen im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Regionen und ihre Perspektiven
In Potsdam wurden die Entwicklungen und Perspektiven der ländlichen Räume sowohl in Brandenburg als auch in Polen von Vertretern aus beiden Ländern vorgestellt. Dabei wurde herausgearbeitet, dass die strukturschwachen Gebiete in Brandenburg und Polen stark durch Bevölkerungsschwund betroffen sind. Professor Hans-Joachim Bürkner von der Universität Potsdam sprach in diesem Zusammenhang von „Brain Drain“- die Abwanderung von Wissen in lebenswertere und attraktivere Regionen. Damit sind laut Prof. Bürkner vor allem größere Zentren gemeint. Diese Zentren hätten eine starke Sogwirkung auf Kapital und Arbeit, welches dann in den ländlichen Regionen fehle.
Abwanderung führe auch zu Überalterung. Eine zunehmende Entfernung von Verwaltung und Bürger und der Rückgang der lokalen Informationsversorgung seien die Folge. Die Anbindung der Bürger und Bürgerinnen an lokalpolitischen Strukturen nehme weiter ab. Die wirtschaftliche Entwicklung gehe immer weiter zurück, weil aktive regionale Wirtschaftsförderung fehle und vernetztes Arbeiten nicht vorhanden sei.
Dr. Stephan Beetz von der Humboldt-Universität Berlin zeigte weitere Merkmale des ländlichen Raums auf, die bei der Konzeption von Lösungen mit einbezogen werden müssen, um tatsächlich die richtige Zielgruppe zu erreichen. Dr. Beetz berichtete, dass im dünnbesiedelten ländlichen Raum kleine, in sich abgeschlossene Strukturen (Dörfer) vorzufinden sind. Die Politik sei oft an Personen wie den Bürgermeister eines Dorfes gebunden und weniger an Institutionen. Die Entfernung zwischen Verwaltung und Bürgern sei häufig sehr groß, während es in einer Stadt kaum ein Problem sei, ein Amt aufzusuchen.
Ähnliches berichteten die Referenten aus Polen. In den ländlichen Regionen Polens hätten viele Menschen keinen Zugang zu Computern, die Ausbildung und Qualifizierung der ländlichen Bevölkerung sei schlecht. Frau Elwira Piszczek von der Kopernikus-Universität Torun/ Polen wies darauf hin, dass die Förderung im Bereich der neuen Technologien notwendig sei. Wenn die Ausstattung der Bevölkerung in ländlichen Gebieten mit Computern gefördert und verbessert würde und gleichzeitig der Umgang mit neuen Möglichkeiten des Lernens wie eLearning geschult würde, könnte die Ausbildung und Qualifizierung der Menschen in den strukturschwachen Gebieten Polens erheblich verbessert werden.
eGovernment in strukturschwachen Gebieten- Leitfragen
Kann eGovernment die Lösung der Probleme in strukturschwachen Regionen unterstützen? Wie kann durch Wissenstransfer und Kooperation Kosten eingespart werden und positive Effekte erzielt werden? Wie lassen sich Lösungen, die für die Regionen in Polen und Brandenburg erarbeitet wurden, auf andere Regionen in Europa übertragen?
Diese Fragen wurden vor dem Hintergrund der Perspektiven der Grenzregionen erörtert. Ansätze und Ideen, wie solche eGovernment- Lösungen aussehen können, wurden von den verschiedenen Referenten vor dem Hintergrund der Leitfragen vorgestellt.
Ansätze und Ideen
Die Einführung von eGovernment soll die Unterstützung von kommunalpolitischer Arbeit und bürgerschaftlicher Partizipation fördern. Dabei betonten die Referenten, dass unbedingt darauf zuachten sei, die Bürgerinnen und Bürger der Kommunen in den Prozess des elektronischen Verwaltens und Regierens von Beginn an einzubinden. Bisher habe dieser Prozess in erster Linie nur die Verwaltungen betroffen. eGovernment-Modelle sollen die Entfernung zwischen dem Bürger und der Verwaltung verringern, im besten Fall sollen die Bewohner dünnbesiedelter Gebiete den Gang zum Amt online erledigen können.
Gleichzeitig soll Öffentlichkeit hergestellt werden, die Entscheidungen der Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger transparenter erscheinen. Aspekten wie Barrierefreiheit, Zugänglichkeit, Verständlichkeit und Mehrsprachigkeit der Angebote müsse besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Eine Gefahr sei die digitale Spaltung, die sich im Stadt-Land-Gefälle spiegelt.
Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse
Um gute und effektive Lösungen zu entwickeln, werden in der Veranstaltungsreihe auch die Ergebnisse von Media@Komm, dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit geförderten Projekt, mit einbezogen. Horst Waeltring, Leiter des Projektträgers Multimedia beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass „eGovernment- Modelle teuer sind“ und die Gefahr bestehe, dass aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen insbesondere in strukturschwachen Gebieten die Entwicklung nicht genügend vorangetrieben werden könnte. Außerdem bräuchten Projekte dieser Art einen längeren Entwicklungszeitraum und die Erfahrung mit Media@Komm hätte gezeigt, dass es einer intensiven Projektbetreuung zur Sicherstellung guter Ergebnisse bedürfe.
Erschienen am 26.11.2003
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