Am Freitag, den 25. Oktober 2002 wurden zum dritten Mal die Deutschen Big-Brother-Awards verliehen. Netzaktivisten vergaben den Preis in acht Kategorien, unter anderem ‘Politik’, ‘Verbraucherschutz’, ‘Arbeitswelt’ und ‘Kommunikation’.

Großkonzerne, zwei Minister und Klaus Wowereit als Bundesratspräsident – so nobel die Liste der Preisträger klang, scheuten die Ausgezeichneten bis auf einen doch die Verleihung der Big Brother Awards. Denn die Awards gehen an Preisträger, für die Datenschutz und Privatsphäre von Verbrauchern Fremdwörter sind.

So strafte die Experten-Jury aus Datenschützern und Computer-Aktivisten Wowereit für die Bundesratsinitiative ab, die Internet-Provider und andere Teledienstleister verpflichten will, auf unbeschränkte Zeit zu speichern, wer wann und wie ihre Dienste genutzt hat. Damit sei die vollständige telekommunikative Überwachung möglich, begründeten die Preisverleiher ihre Entscheidung.

Hessens Innenminister Volker Bouffier hatte nach Meinung der Jury “stellvertretend für seine Kollegen in anderen Bundesländern” einen Big Brother Award für die Novellierung des Landespolizeigesetzes verdient. Das Gesetz habe Rasterfahndungen erheblich vereinfacht, auch gegen Bedenken von Teilen der Justiz.

Big Brother-würdig waren auch die Karteien, in denen das BKA potenzielle politische Gewalttäter und kriminelle Ausländer “präventiv” speichert, auch ohne dass vorher strafbar geworden seien.

In der Kategorie Arbeitswelt ging der Preis an die Bayer AG in Leverkusen, weil der Konzern von neuen Auszubildenden einen Drogentest verlangt. Den Big Brother Award im Bereich Verbraucherschutz bekam die Deutsche Post. Sie war bereits im vergangenen Jahr nominiert worden, weil sie Daten aus Adressänderungen und Nachsendeanträgen weiterverkauft.

Wer die Weitergabe seiner Daten ablehne, werde von der Post mit einem Anschreiben doch noch zur Einwilligung gedrängt, rügte die Jury des Big Brother Awards.

Software-Riese Microsoft war bereits mehrfach nominiert worden, aber bisher stets leer ausgegangen. Die Jury wollte sich Vorwürfe vermeiden, sie prügele einfach auf das Hassobjekt vieler Computerfreaks ein. Diesmal ging aber doch ein Big Brother an den “Windows”-Produzenten – für seine Lebensleistung. Neben zahlreichen Sicherheitslücken baue Microsoft in neue Programme wie “Media Player” Registrier- und Überwachungsmechanismen ein.

In einer Sache ging die vielgeschmähte Softwarefirma aber mit gutem Beispiel voran: Der Datenschutzbeauftragte von Microsoft Deutschland erschient auf der Verleihungszeremonie um Preis und Kritik entgegennehmen. In der Vergangenheit hatten die Preisträger wie Innenminister Otto Schily die Veranstaltung geschwänzt.

Ihre Negativ-Preise verliehen die Organisatoren um den Bielefelder Computer-Verein FoeBud e. V. zum dritten Mal. Big Brother Awards gibt es auch in England, den USA, Österreich und der Schweiz.

And the Big-Brother-Award 2002 goes to…

Microsoft AG
(Kategorie: Lifetime-Award)

Die Microsoft AG erhält den Big-Brother-Award für das Lebenswerk wegen der Summierung von Privacy-Problemen über viele Jahre hinweg (heimliche Registrierung, Passport, XP-Service-Pack 1, Palladium, .net). Dieser Preis ist gleichzeitig der Hauptpreis der Big-Brother-Awards des Jahres 2002 wegen der Realisierung von DRM (Digital Rights Management) durch die Hintertür (Windows Media Player).


Bayer Aktiengesellschaft (Kategorie: Arbeitswelt)

Die Bayer AG, Leverkusen, erhält den BigBrotherAward in der Kategorie Arbeitswelt für ihre demütigende Praxis Auszubildende vor der Einstellung einem sogenannten Drogenscreening zu unterziehen.



Innenminiter NRW Dr. Fritz Behrens (Kategorie: Regionalpreis)


Der hessische Innenminister Volker Bouffier erhält den Big-Brother-Award der Kategorie Politik, weil er im Land Hessen die vom Gericht verbotene Rasterfahndung per Gesetzesnovellierung quasi durch die Hintertür wieder eingeführt hat.


Deutsche Post AG (Kategorie: Verbraucherschutz)

Die Deutsche Post AG erhält den Preis in der Kategorie Verbraucherschutz wegen des datenschutzwidrigen Umgangs mit Daten aus den Post-Nachsendeanträgen (erzwungenes Doppeltes Opt-Out). Nur wer zweimal ausdrücklich widerspricht, kann verhindern, dass seine ihre Adresse weiter gegeben wird.


Hessischer Innenminister Volker Bouffier (Kategorie: Politik)

Der hessische Innenminister Volker Bouffier erhält den Big-Brother-Award der Kategorie Politik, weil er im Land Hessen die vom Gericht verbotene Rasterfahndung per Gesetzesnovellierung quasi durch die Hintertür wieder eingeführt hat.


Deutscher Bundesrat (Kategorie: Kommunikation)

Der Deutsche Bundesrat erhält den Big-Brother-Award der Kategorie Kommunikation für seinen Beschluss, Telekommunikations(dienste)anbieter zu verpflichten, die Verbindungsdaten von allen Nutzerinnen und Nutzern für eine nicht festgelegte Dauer für Zwecke von Polizei und Geheimdienste auf Vorrat zu speichern (Vorratsdatenspeicherung).


Toll Collect GmbH (Kategorie: Technik)

Die Toll Collect GmbH erhält den Big-Brother-Award in der Kategorie Technik, da mit der satellitengestützen Erhebung und zentralen Verarbeitung der Bewegungsdaten von Kraftfahrzeugen eine neue Dimension der Beobachtung von Verkehrsteilnehmern möglich wird. Die Zusicherung der Betreiber, dem Datenschutz zu genügen, erscheint uns bei der Größenordnung der Erfassung und den Möglichkeiten der Auswertung nicht angemessen.



Bundeskriminalamt, BKA (Kategorie: Behörden + Verwaltung)


Das Bundeskriminalamt erhält den Big-Brother-Award in der Kategorie Behörden und Verwaltung wegen der Einführung der drei Präventivdateien LIMO (Gewalttäter Links) REMO (Gewalttäter Rechts) und AUMO (politisch motivierte Ausländerkriminalität).

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