Kein Pardon vom IOC: Tagebuch Verbot für Sportler. Während der Olympischen Spiele dürfen Athleten nicht im Internet veröffentlichen. Sonst droht die Abreise aus Athen. Von Daniel Knabe und Clemens Lerche.

Fans und Freunde der deutschen Medallienhoffnung im Rudern sind enttäuscht. Denn vom Frauen-Achter werden sie außer über die Massenmedien nichts mehr erfahren. “Aber ab Morgen werdet Ihr Euch über unsere sportlichen Tätigkeiten wohl aus anderen Quellen informieren müssen […] denn wir dürfen während der Olympischen Spiele nichts veröffentlichen”, heißt es im Online-Tagebuch des
Frauen-Achters.

Während im Internet weltweit die sogenannten
Weblogs (Online-Journale in Tagebucheform) boomen, sind den Sportlern, ihren Sponsoren und selbst den offiziellen olympischen Medienpartnern diese Art der Berichterstattung verboten. Auch private Fotos dürfen die Athleten nicht veröffentlichen. Wer sich nicht an das Verbot hält, droht von den Spielen ausgeschlossen zu werden. Dementsprechend vorsichtig sind die Athleten und Schwimmerin
Hannah Stockbauer drückt in ihren “letzten Worten vor Athen” an ihre “lieben Daumendrücker” ihr Bedauern über das Schreib- verbot aus. Wie schon vor vier Jahren kann auch 2004
Franziska van Almsick ihr Online-Tagebuch nicht weiterführen.

Warnung vor den Detektiven

Das IOC warnt die Sportler in einem achtseitigen Schreiben vor den Konsequenzen der illegalen Berichterstattung. Die Berliner Zeitung
BZ zitiert einen Handballspitzenfunktionar: “Es wurden sogar Internet-Detektive angeheuert, um Athleten zu überwachen”.

Die rechtliche Grundlage für den Maulkorb-Erlass liegt in der Regel 59 der
olympischen Charta (pdf): “Während der Dauer der Olympischen Spiele können Athleten, Trainer, Presse-Attachés oder andere akkreditierte Teilnehmer nicht als Journalist oder in einer mit den Medien verbundenen Funktion akkreditiert oder tätig werden.” Ist denn ein Sportler, der seine Eindrücke auf seiner privaten Homepage veröffentlicht, gleich ein Journalist?

“Die Regel wird besonders während der Spiele sehr aktiv und konsequent angewendet”, sagte der Pressesprecher des Nationalen Olympischen Komitees Deutschland Dr. Stefan Volknant gegenüber politik-digital.de.

Dies verwundert, da das Internationale Olympische Kommitee (IOC) kurz nach den letzten olympischen Spielen in Sydney die “Weltkonferenz zu Sport und Neuen Medien” veranstaltete und dort die wichtige Rolle des Internet beschwor. Doch scheinbar waren das nichts als schöne Worte. “Wir müssen uns an das halten, was das IOC vorgibt”, sagt Volknant.

Die olympische Idee des Maulkorbs

Der Maulkorb-Erlass ist nicht neu. Schon zu den Olympischen Spielen 2000 in Sydney berichtete politik-digital.de. “Offiziell soll durch diese Rundum-Sperre verhindert werden, dass die Sportler im Netz Neuigkeiten über die anderen Athleten enthüllen. So viel Uneigennützigkeit seitens des IOC wirkt nicht besonders glaubwürdig”.

Denn nebenbei entsteht so ein Berichterstattungsmonopol der Medien. Die direkte Kommunikation mit Sportfans wird von den Funktionären nicht geduldet. Wo bleibt da die olympische Idee Coubertins, der mit den Spielen der Neuzeit die Demokratie stärken wollte?

Im IOC scheint diesbezüglich der olympische Gedanke verloren gegangen zu sein. So bleibt nur die Hoffnung auf Widerspruch in der Öffentlichkeit, damit 2008 in Peking die Sportler frei berichten können.

Erschienen am 12.08.2004