„Heute ist Google das Netz, und das Netz ist Google“ pries die Süddeutsche Zeitung in einem vor zwei Monaten erschienenen
Artikel die Suchmaschine. Doch seitdem immer mehr Möglichkeiten der Manipulation der Suchmaschine bekannt wurden, bröckelt Googles Image.

1998 entwickelten die Studenten Larry Page und Sergey Brin die
mathematisch-theoretischen Grundlagen für ihre spätere Anwendung Google. In Zeiten als Suchmaschinen Ergebnisse noch danach sortierten, wie oft das jeweilige Suchwort auf einer Seite zu finden war, war dem intelligenten Google der Erfolg gewiss. Google platziert nämlich nicht die Seite ganz oben, die das Suchwort am häufigsten enthält, sondern die, die am häufigsten von anderen relevanten Seiten verlinkt ist. Mit dieser neuartigen Technologie erhielt man bei einer Suche über Google die bis dato präzisesten Ergebnisse – die Unübersichtlichkeit des Internets wurde durchschaubarer. Und die Realität ebenfalls, bot doch Google eine einfache Möglichkeit, zum Beispiel mehr über neue Bekanntschaften herauszufinden. Einfach den Namen in das Suchfeld eintippen und schon weiß man mehr – das Verb „
googlen“ wurde in den Sprachgebrauch aufgenommen. Laut einer Studie von
OneStat.com ist Google heute die weltweit am meisten genutzte Suchmaschine – sie wird von 55, 1 Prozent der Internetnutzenden benutzt, rund 150 Millionen Suchanfragen werden täglich beantwortet.


Werbung: niemand entkommt ihr

Im September 2001 befand die
Stiftung Warentest Google für die „derzeit beste Suchmaschine im Netz“. Ein Kriterium für die gute Bewertung war für die Verbraucherorganisation auch die Werbefreiheit der Seite – ein Punkt der Google inzwischen wohl nicht mehr an die Spitze bringen könnte: Sucht man heute zum Beispiel nach dem Begriff „
gebrauchte Waschmaschine“ erhält man an erster Stelle des Ergebnisses einen Sponsorenlink des Quelle-Versandhandels und in der rechten Spalte weitere kommerzielle Werbeanzeigen. Diese Werbeanzeigen sind Teil des neuen ADWORD-Programms, das vor kurzem in Deutschland gestartet wurde. Dort können Unternehmen Anzeigen aufgeben und die Suchbegriffe bestimmen, bei denen ihre Werbung in der rechten Spalte erscheint. An welcher Stelle die Anzeige dort steht, entscheidet der Betrag, den das Unternehmen bereit ist pro Klick zu bezahlen. Die Anzeigen sind zwar klar als „Sponsorenlinks“ gekennzeichnet, dennoch leidet die Übersichtlichkeit der Seite und gerade ungeübte Internetnutzende können schwer zwischen unabhängigen und gekauften Resultaten unterscheiden.

Heute schon optimiert?

Aber nicht nur die zunehmende Werbung brachte Google in letzter Zeit in Bedrängnis, darüber hinaus wird kritisiert, dass die Ergebnisse immer unzuverlässiger werden.

PageRank, der googlespezifische Algorithmus, der präzise Suchergebnisse garantierte, musste in letzter Zeit immer häufiger verändert und angepasst werden, um die Manipulation durch sogenannte Search Engine Optimization (SEO) zu verhindern.

Inzwischen lassen die meisten großen Unternehmen ihre Internetpräsenzen durch Serviceanbieter „optimieren“. Diese wenden unterschiedliche Tricks an, um die Webseiten ihrer Kunden im Google-Ranking weiter nach oben rutschen zu lassen. Ein beliebte Methode ist die Einrichtung mehrerer Tausender Domains, welche alle die Kundenseite verlinken. Da die Anzahl der Verlinkungen ein entscheidendes Suchkriterium bei Google ist, wird die Seite im Ranking automatisch nach oben katapultiert. Ob solches Vorgehen Missbrauch oder legitimes Marketing ist, darüber diskutiert auch der
Deutsche Multimediaverband. Mit einem ersten
Richtlinienkatalog versuchte die Projektgruppe Suchmaschinen des DMMV Kriterien für korrektes Suchmaschinenmarketing zu erarbeiten.

Zensur gleich Wissensorganisation?

Durch zunehmende Werbung und zunehmend unzuverlässige Ergebnisse verliert Google für immer mehr Nutzende an Gebrauchswert. Diese Entwicklung wurde noch verstärkt, als bekannt wurde, dass Google landesspezifisch Seiten filtert, ohne den Suchenden darauf aufmerksam zu machen. Eine
Studie der Harvard Law School fand heraus, dass bei gleichen Suchwörtern die Ergebnisse von
google.fr und
google.de nicht mit denen bei
google.com übereinstimmen – rund 113 meiste rechtsextremistische Seiten sind aus dem europäischen Index entfernt worden. Google rechtfertigte dieses Vorgehen mit dem Hinweis, dass die gefilterten Seiten gegen Landesgesetze verstoßen hätten.

„Es gibt nicht zu viele Informationen in unserer Welt, sie sind nur schlecht organisiert.“ erklärte Google-Gründer Sergey Brin der
Financial Times Deutschland. Die Frage ist nur, wer darüber urteilt, welche Organisierung gut und welche schlecht für Informationen ist.

Erschienen am 12.12..2002