Auch im Internet bestimmen die bekannten Fernsehsender die Berichterstattung über die WM in Korea und Japan.

Die Fußball-Weltmeisterschaft ist eines der wenigen verbleibenden Medien-Pflichtereignisse. Auch wer sich nicht für “König Fußball” interessiert, kann bei Fernsehnachrichten, Werbespots und den unterschiedlichsten Internetseiten der WM nicht entkommen. Die hohe Aufmerksamkeit wird von verschiedenen Medien und Firmen strategisch genutzt. Für das Internet scheint die Ausgangssituation diesmal besonders günstig. Die Spiele finden zu Bürozeiten statt, also kann ein großer Teil der Bevölkerung eher auf das Internet als auf den Fernseher zugreifen.

Es bestätigt sich aber auch hier eine Entwicklung, die die bisherige Geschichte des Internet kennzeichnet. Die alten Medien und die vertrauten Marken dominieren auch im Netz. Zwar existieren auch neue Anbieter und neue Angebote, z.B. der Video-Download bei
Yahoo, vorerst bleibt aber die Fußballberichterstattung der Fernsehsender dominant. Wird dabei der Fußball anders präsentiert als im Fernsehen und kommen die speziellen Vorteile des Internet, z.B. Multimedialität und Interaktion, dabei auch tatsächlich zu Geltung?

Fußball auf allen Internetkanälen?

Zunächst erschlägt einen der enorme Umfang der Angebote. Es gibt nur wenige Verweigerer unter den Fernsehsendern.
Pro Sieben gehört dazu, aber auch die Musiksender; bei
Viva z.B. ist der auffälligste Hinweis noch die Besprechung des neuesten FIFA-Computerspiels. Die anderen großen Fernsehsender hingegen verweisen alle von ihren Startseiten auf die Weltmeisterschaft. Das Angebot hat dabei eine auffallend gleichbleibende Struktur. Im Mittelpunkt stehen aktuelle Kurzinformationen und eine meistens ausführliche Übersicht zu allen Spielen, Gruppen und Mannschaften. Daneben gibt es oft eine Einführung in das kulturelle Umfeld. Das beginnt bei einer Stadienbeschreibung und endet beim landesüblichem Essen – bei der
ARD sogar mit Rezepten. Auch zur WM-Geschichte finden sich bei fast allen Sendern zumindest die Daten und Fakten, meist darüber hinaus auch Anekdoten und Bilder. Mangelnde Suchfunktionen machen das Ganze jedoch zu einem eher reduzierten Infotainment-Angebot.

Die Fernsehzuschauer erhalten im Internet aber durchaus Zusatzwissen. So lassen sich viele kleine Informationen und Geschichten, die im Laufe der Fernsehübertragung scheinbar spontan eingeflochten werden, im Netz wiederfinden. Das Wissen wird jedoch einer dem Durchklicken dienlichen Häppchenstruktur angepasst. Ein fast gleichrangiges Thema neben dem Fußball ist die Medienarbeit selbst. Besonders der logistische Aufwand und das Medienpersonal steht dabei entsprechend den Fußballern im Vordergrund. Bei
Premiere World erfährt man beispielsweise unter der Rubrik “Unser Team”, dass Monica Lierhaus am liebsten “Ente in allen Varianten” isst.

Hier wird außerdem deutlich, dass die Netzangebote auch ein fußballfernes Publikum ansprechen wollen. Das funktioniert häufig über Geschlechterklischees, so dass auch die “richtigen” Fußballfans noch etwas zu lachen haben. Dazu gehört natürlich auch die nichtverstandene Abseitsregel. Extra für Frauen bietet das
ZDF eine Rubrik über die attraktivsten Spieler. Auf einer Leiste mit ausgesuchten Porträts erfährt man dann Einschlägiges, beispielsweise zum spanischen Stürmerstar Raul: “Ein ruhiger Typ mit sinnlichen Lippen und einer sehr markanten Nase”.

Unter den Fernsehsendern im Netz enttäuscht besonders Premiere World, das ein deutlich eingeschränktes Angebot anbietet. Die Finanzprobleme dürften hierfür der Hauptgrund sein. Auch im Fernsehprogramm selbst sind die sogenannten Zusatzinformationen deutlich reduziert. Während man bei der Winterolympiade noch einen Vorgeschmack von “digitalem Fernsehen” erhielt, lässt sich jetzt während der Live-Übertragung von Spielen nur eine Statistiktafel aufrufen, in der man noch nicht einmal eigenhändig navigieren kann. Der Fernsehübertragung selbst hat dies vielleicht eher gut getan, zumindest lobt die
Frankfurter Rundschau die unaufgeregte und nüchterne Berichterstattung.

Flash-Animationen und Torwandschießen

Unterscheidungen zwischen den verschiedenen WM-Angeboten ergeben sich eher aus Nebenaspekten. Das
ARD-Angebot hat eine gesonderte Schiedsrichterkritik und bietet persiflierende Zusammenschnitte von Kommentaren als Real-Audio-Download an. Beim
ZDF kann man sich die zehn schönsten Tore der WM-Geschichte als Flash-Animationen zeigen lassen. Außerdem werden dort die wichtigsten Fußballverletzungen anschaulich erläutert.

Selbstverständlich bietet jeder Sender eigene “interaktive” Formate an, meist in Form von niedlichen Spielen oder Quizvarianten. Bezeichnend scheint mir hier die Nostalgie zu sein, die all diese interaktiven Angebote letztlich auf althergebrachte und emotional angereicherte mediale Formen zurückführt. Beim ZDF ist es natürlich ein Torwandschießen, bei der ARD ein virtuelles Tipp-Kick und bei Sport1.de – als Angebot von Sat.1 und DSF – ist es ein Fußballbildchensammelspiel. Die beschränkten Ressourcen des Internets, v.a. Speicher- und Übertragungskapazitäten, aber auch geringer Personalaufwand der Sender, werden dabei noch produktiv genutzt, da an kulturell vertraute Formen in neuem medialen Gewand angeknüpft wird.

Im Gesamtüberblick ist die Fußballweltmeisterschaft im Netz jedoch nicht wirklich innovativ. Störend wirken besonders die langen Seitenaufbauzeiten. Bei Béla Réthys Formbarometer müssen erst langwierig animierte Spieler der deutschen Mannschaft geladen werden. Dann erhält man eine äußerst banale Beurteilung der Vorzüge und Schwächen eines Spielers. Über Sebastian Kehl heißt es dort lapidar “überfordert sich, will zu viel; mangelnde internationale Erfahrung”. Den Fernsehsendern scheinen nicht wirklich interessante Formen einzufallen, mit denen Fußball jenseits der Mechanismen des Fernsehens wie Zeitlupe und Interview medial attraktiv gemacht werden können. Damit dürfte aber auch klar sein, dass vorerst unsere Vorstellungen von Fußball weiterhin vom Fernsehen und nicht vom Internet geprägt werden.