Fußballfans, deren Interesse über das Spielfeld hinausgeht, kommen bei indirekt-freistoss künftig auf ihre Kosten.

Fußballfans fiebern schon seit geraumer Zeit dem 31. Mai entgegen, denn dann wird das Auftaktspiel der WM 2002 angepfiffen. Sportliche Großereignis, besonders wenn es um Fußball geht, sind bekanntermaßen mediale Megaereignisse. Der Fußball hat schon längst den Sportteil, sein ureigenstes Ressort, verlassen, und feiert den siegreichen Einzug in den Politik-, Wirtschafts- und Kulturteil der überregionalen Zeitungen.
Florian Coulmas, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, kämpft für ein fußballfreies Feuilleton, denn Intellektuellen, “die dem Fußball die Reverenz erweisen, ist das übel zu nehmen”.

Das sieht Oliver Fritsch, Chefredakteur von
indirekter-freistoss anders. Fritsch, der auch Mittelfeldspieler beim FC Großen-Buseck ist, hält Fußball durchaus für “feuilletonwürdig”. Indirekter-freistoss ist eine täglich aktualisierte Fußballpresseschau, wobei Stimmen der überregionalen und internationalen Qualitätspresse zitiert, sortiert, kommentiert und gebündelt werden. Dabei werden Organe wie die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Frankfurter Rundschau, die taz, die Neue Züricher Zeitung, der Tagesspiegel, die Welt und der Spiegel gesichtet, aber auch internationale Printerzeugnisse wie El Pais, Guardian, L’Equipe, As oder Corriere dello Sport berücksichtigt.

Indirekter-freistoss ist ein Produkt des
Zentrums für Medien und Interaktivität (ZMI) der Justus-Liebig-Universität Gießen. Während einer Zugfahrt unterhielten sich Fritsch und seine Kollegen mit ihrem Chef, dem Politikwissenschaftler und Geschäftsführenden Direktor des ZMI – Prof. Claus Leggewie – über die geteilte Leidenschaft und geboren wurde die Idee einer Fußballpresseschau.

Das Konzept von indirekter-freistoss.de



Fritsch hat die Fußballberichterstattung über Jahre hinweg beobachtet und die “Qualitätspresse” nach “kritischen, argumentativen, kompetenten, ironischen und dennoch der Sache wohlgesonnen” Hintergrundinformationen aus dem Dunstkreis Fußball durchforstet. Er vermisste jedoch ein “reines” Fußballmedium, dass sich kritisch mit dem Ballsport auseinandersetzt. Diese Lücke soll das Format indirekter-freistoss schließen.

“Fußball bietet seinem Beobachter ein Brennglas menschlichen Miteinanders”, meinen die Macher von indirekter-freistoss. Daher möchte das Team um Fritsch den Focus auf soziale Spielregeln, Fragen nach Fußballstil, Wahrnehmung des Geschehens auf und um den Platz, politische sowie kulturelle Zusammenhänge im Machtgefüge Fußball richten und die verwendeten Texte als Quelle für wissenschaftliche Analysen nutzen. Torschussstatistik und Tabelleauswertungen sind nicht von Interesse.

Mit indirekter-freistoss wurde somit ein neues Medienformat geschaffen, das zuvor weder online noch offline existierte. Denn bisher gab es kein Medium, das eine täglich aktualisierte Fußballpresseschau präsentierte. Das Internet eignet sich sicherlich am besten zur Publikation dieses Konzeptes, da indirekter-freistoss mit seinem wissenschaftlichen und journalistischen Ansatz eine Nische bedient. In den Printmedien wäre seine Vermarktung schwieriger. Schließlich kann die Gießener Presseschau im Netz kostenlos genutzt werden.

Anlässlich des Finales um die Champions League startete am 17. Mai die Zusammenarbeit mit
spiegel.online, auf deren Seite sich nun auch die Presseschau von indirekter-freistoss befindet. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten erklärt das Team: “Das Bedürfnis nach argumentativer Auseinandersetzung mit dem Fußballsport ist hierzulande groß, insbesondere bei einer Fußball-WM. Zu bedenken ist auch die Tatsache, dass die Spiele der WM 2002 zu fernsehfeindlichen Zeiten übertragen werden. Davon werden wir profitieren.”

Die Seite: informativ und interaktiv

Zielgruppen von indirekter-freistoss sind neben der allgemein interessierten Fußballöffentlichkeit, Zeitungsleser, die den Sportteil aus Desinteresse oder fehlender Kenntnis meiden oder Textproduzenten, die die Möglichkeit zur schnellen Recherche suchen. Denn neben der aktuellen Presseschau bietet indirekter-freistoss den Usern weitere interessante Rubriken. Im “Ballschrank” befindet sich ein Archiv, in dem ältere Newsletter und einzelnen Dossiers zu den Themen wie “Rassismus unter holländischen Hooligans” oder “Fußball und Ökonomie” liegen. Außerdem steht dem User eine Sammlung von Zitaten zur Verfügung. So wird Stefan Effenberg mit den Worten “Wenn du 100 Zeitungen hast, und vorne steht Effenberg drauf, dann verkaufst du 99. Steht Spieler A oder B drauf, verkaufst du nur zwei” zitiert.

Unter “Eigentore” kann man merkwürdige Episoden nachlesen, beispielsweise wenn die Bundesliga-Profis Niko Kovac von Bayern München und Magnus Arvidsson von Hansa Rostock auf die Frage nach ihrer Bereitschaft zu einer freiwilligen Gehaltsreduktion in Anbetracht der Kirch-Krise wie folgt antworten: “Leo Kirch? Wer soll das sein?” “Leo wer?”.

In der “Verlängerung” wird das Buch “Die Spielemacher. Profiteure und Strippenzieher im deutschen Fußball” von Thomas Kistner und Ludger Schulze besprochen.

Unter WM 2002 werden die einzelnen Mannschaften aus dem Blickwinkel der überregionalen und internationalen Presse vorgestellt. Beim “Querpass” gibt indirekter-freistoss den Ball an andere Seiten ab. Derzeit besteht ein Link zu
“efino Cup – Das große Börsenspiel zur WM 2002”.

Indirekter-freistoss hat jedoch auch ein eigenes Gewinnspiel, bei dem Insider die Möglichkeit haben, ihr breitgefächertes Wissen der Fußballgemeinde mitzuteilen. Sie müssen den auf einem Foto abgebildeten Spieler erkennen und eine originelle Story über ihn erzählen. Die Schiedsrichter von indirekter-freistoss legen augenzwinkernd objektive Faktenlage und subjektiv-stilistische Kriterien als Maßstab bei der Beurteilung an. Der Pokal des Gewinners besteht aus einem wertvollen Buchpreis und der Exklusivveröffentlichung seiner Story bei indirekter-freistoss.

In der “Mannschaftsaufstellung” präsentiert sich schließlich das Team von indirekter-freistoss. In Bezug auf die Zukunft des Projektes erklärt Fritsch: “Wir wissen noch nichts Genaues. Mit der gleichen Intensität wie bisher – und vor allem wie in den nächsten drei Wochen – können wir sicherlich nicht weitermachen, was jedoch auch nicht nötig ist. Schließlich wird mit dem Ende der WM auch die öffentliche Aufmerksamkeit am Fußballgeschehen auf ein Normalmaß zurückgehen. Es kann auch nur für den Fall weitergehen, wenn wie irgendwelche Mittel eintreiben können, was allerdings machbar sein sollte. Auf alle Fälle wird das Produkt aber weiterlaufen, und sei es nur auf Sparflamme”.