Die Zukunft der Berichterstattung im Netz bei sportlichen Großereignissen heißt Video Streaming
Erstmals findet eine Fußball-Weltmeisterschaft auf dem asiatischen Kontinent statt, noch nie wurde sie in zwei Ländern gleichzeitig ausgetragen und noch nie erreichte ein sportliches Großereignis eine solche multimediale Bandbreite. Am 30. Mai wird in Japan und Süd-Korea der
17. Fifa-World-Cup 2002 eröffnet. Zählte der Olympische Gedanke (“Dabeisein ist alles”) für das Internet-Angebot während der letzten beiden olympischen Spiele noch relativ wenig, so bekommen Fans und Zuschauer auf der ganzen Welt zur diesjährigen Fußball-WM eine veritabele Hightech-Show geboten. Die Welt-Fußball-Organisation (Fifa) hat auf internationaler Ebene einen großvolumigen Kooperationsvertrag mit dem Internetportal Yahoo geschlossen. Neben Mannschaftsaufstellungen, Spielplänen, Merchandising und aktuellen Live-Nachrichten rund um das Turnier, versucht
Yahoo Schwerpunkte im Bereich
Streaming-Media zu setzen.
Geboten werden Video-Höhepunkte aller 64 Begegnungen und ein Archiv mit Clips der letzten neun Fifa-Weltpokale. Doch wer sich für Pay-TV nicht erwärmen kann und im Internet den Kick sucht, wird enttäuscht. Fußball wird zwar zum großen Test für das Streaming im Internet – der einstige “Freeworld”-Gedanke des WorldWideWeb jedoch ist längst verworfen. Um in den Genuß von Videobeiträgen zu kommen müssen WM-Begeisterte eine Mitgliedschaft im Yahoo-Vip-Club erwerben, die mit 22,50 Euro zu Buche schlägt. Als Gegenleistung erhält der Gast ganze vier Minuten Videomaterial pro Spiel – als Highlights zusammengefasst. Die Bestellung des Services berechtigt zu insgesamt 15 Stunden Streaming, die zu Spitzennutzungszeiten allerdings nicht garantiert werden können. Der Abruf von Spielergebnissen, Mannschaftstabellen und Hintergrundnachrichten wird von Yahoo kostenfrei angeboten. Die Fifa macht in Zusammenarbeit mit Yahoo deutlich, dass sich die globale Vermarktung von Medienereignissen längst nicht mehr nur auf Fernsehübertragungen eingrenzen lässt. Gerade im Streit über die Senderechte an der Fußball-Weltmeisterschaft spielt das Internet eine zunehmend wichtige Rolle. In Deutschland wurde diese Tendenz vom Breitband-Provider
T-Online und dem
Deutschen Fußball Bund (DFB) erkannt, da mit über 30 Millionen Internetnutzern (laut Infratest April 2002) eine ausreichend große Zielgruppe vorhanden ist. Beide wollen während der Wettkämpfe im Internet kooperieren. Vor dem Hintergrund der großen Entfernung zu Asien und der damit verbundenen Zeitverschiebung sieht Thomas Holtrop, Vorstandsvorsitzender von T-Online, im Internet “eine attraktive Plattform für die aktuelle Berichterstattung aus Japan und Korea”. Marketingexperten argumentieren, dass “zu den Spielzeiten zwischen 15.30 Uhr und 20.30 Uhr Ortszeit die meisten Zuschauer am Arbeitsplatz, in der Uni oder in der Schule sind”.
Auch beim DFB und T-Online stehen multimediale Inhalte im Vordergrund. Auf den Websites beider Unternehmen sollen zum Beispiel aktuelle Interviews und Hintergrundberichte aus dem Mannschaftsquartier, exklusive Live-Chats mit den Nationalspielern und die Highlights aus den DFB-Pressekonferenzen als Video-Dateien angeboten werden. Außerdem können User auf Basis-Informationen wie tägliche News, Tabellen und Statistiken, sowie historische Daten zurückgreifen. Kostenpflichtige Inhalte sind bislang nicht zu finden. Nach Angaben von T-Online bekommen die zahlreichen Journalisten vor Ort sogar eine Internet-Lounge zur Verfügung gestellt. Abgesehen von Pay-per-View Aspekten gewinnt das Internet für die gesamte Print-Branche zur WM-Berichterstattung an Attraktivität. Die dpa-infocom GmbH bietet zum Worldcup ein umfangreiches Content-Modul mit aktueller Berichterstattung, Hintergründen, Statistiken und vielen Bildern. Online- Formate von
Kicker und
Sport-Bild, genauso wie jede Tageszeitung deren Ausgaben im WorldWideWeb zu finden sind, werben mit ähnlichen Angeboten.
Unterdessen versucht das europäische Internet-Portal
Sports.com in Verbindung mit dem amerikanischen Telekommunikations-Dienstleister Avaya seinen Live-Ticker auf den mobilen Bereich auszuweiten. Bei diesem Service bekommt der User alle Tore per SMS direkt auf sein Handy. Fußball-Fans haben in diesem Jahr die Chance auf ein engmaschiges, globales Netzwerk von Informationsdienstleistungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2002 zurückzugreifen- ob kostenpflichtig oder kostenfrei. Hautnahes Erleben soll möglich gemacht werden. Zurückzuführen ist dieses breite Angebotsspektrum auf flexible Verträge, die die Fifa ganz im Gegensatz zum Internationalen Olympischen Komitee mit seinen Medienpartnern schloss. Die olympischen Funktionäre konnten bislang aufgrund langfristiger Vermarktungsverträge mit Fernsehsendern nur extrem wenigen Online-Diensten die Berichterstattung von den Wettkampfstätten erlauben. Jegliche Informationsvermittlung über das neue Medium wurde mit Argusaugen überwacht. Online-Journalisten erhielten keine Presseakkreditierung, Sportlern wurde untersagt, persönliche Eindrücke von den Spielen in “Internet-Tagebüchern” im Web zu veröffentlichen. Die Bedrohung durch Streaming-Media und die mediale Aufmerksamkeit des Internets war zwar 2000 in Sydney offenkundig, doch Konzepte zur Realisierung einer Vermarktungsstrategie konnte keiner vorlegen. Die Kommerzialisierung des Sports funktionierte bislang nur deshalb so gut, weil sich nationale Übertragungsrechte fein säuberlich nach Ländern getrennt verkaufen ließen. Das Internet stand lange Zeit auf keiner Rechnung.
Der diesjährige Fußball-Weltcup wird entscheiden, ob Online-Dienste in Zukunft verstärkt bei sportlichen Großereignissen auf Streaming-Formate zurückgreifen werden. Es bleibt jedoch die Frage, wie kostenpflichtige und kostenfreie Inhalte künftig verteilt werden. Eine breite Akzeptanz von Pay-per-View Übertragungen im Internet würde die momentane Gewichtung empfindlich verschieben. Fans hätten bald die Möglichkeit, sofern sie nicht die vollkommene Kommerzialisierung des Sports im WWW unterstützen wollen, sich Spiele ohne Ton oder sogar ohne Ball anzusehen. Eine durchaus interessante Vorstellung. Doch der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten, soviel ist schon mal klar. Alles andere ist Theorie.
Erschienen am 23.05.2002
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