Wer kennt schon DRM? Bislang wenige. Dabei erhitzt Digitales Rechte-Management die Gemüter: Rettung der Musikindustrie oder Gefahr für Verbraucher? Ein Symposium suchte nach Antworten und Alternativen.

Wer kennt schon DRM? Bislang wenige. Dabei erhitzt Digitales Rechte-Management die Gemüter: Rettung der Musikindustrie oder Gefahr für Verbraucher? Ein Symposium suchte nach Antworten und Alternativen.

Rechteinhaber setzen zunehmend auf Schutzmechanismen außerhalb des Urheberrechts. Viele sehen die Lösung im Digitalen Rechte-Management (DRM). DRM soll die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken durch technische Schutzmechanismen in Hardware und Software kontrollieren. Damit könnte, so die Vision der Rechteindustrie, jeder Nutzungsvorgang einzeln kontrollier- und damit abrechenbar werden. Kritiker halten dagegen, DRM verletze die Privatsphäre, widerspräche den vielfältigen Nutzungsgewohnheiten und reduziere den Universal Computer zum Abspielgerät.

Nicht die Technik allein

Wenn über Digitales Rechte-Management gesprochen wird, ist meist von technischen Kontrollmechanismen die Rede. Aber dass nicht Technik allein eine Lösung bedeute, darin waren sich die Teilnehmer des
Symposiums an der Humboldt-Universität einig. Digitales Rechte-Management, erklärte
Niels Rump, Berater bei Rightscom Ltd, müsse immer aus den Elementen Technik, Recht und Geschäftsmodell bestehen. Damit war der Rahmen des Symposiums abgesteckt.

“Der Angreifer ist der Kunde”

Die vollständige technische Durchsetzung von DRM sei grundsätzlich nicht möglich, erklärte
Matthias Bauer , von der Universität Erlangen. Der Mathematiker demonstrierte, dass Rechteinhaber nie die vollständige Kontrolle über die Nutzung ihrer Werke auf dem Computer ihrer Kunden ausüben könnten. Bei jeder Sicherheitsfrage müsse man sich klar machen, so Bauer, gegen wen man sich verteidige. Die Situation bei DRM sei da eine besonders schwierige. Denn: “Der Angreifer ist der Kunde”. Somit verfüge er über nicht nur über die Inhalte, die es zu schützen gilt, sondern auch über das System, in dem sie gespeichert und abgespielt werden: seinen eigenen Rechner. “Eine vollständige Kontrolle über die Nutzung der Inhalte kann es nicht geben”, so Bauer.

Auch das System, das die
Trusted Computing Group um Microsoft und Sony entwickelt, könne die Daten nicht vollständig vor den Nutzern abschotten, meint Bauer. Immer werde es Punkte geben, an denen ein unverschlüsselter Datenstrom abgefangen werden kann.

Technik schützt Recht, Recht schützt Technik

So sieht auch der Jurist
Stefan Bechtold die Wirksamkeit von DRM nicht allein im Schutz von Inhalten durch Technik. Das Besondere sei vielmehr „das Ineinandergreifen unterschiedlicher Schutzmechanismen“. Zunächst sollten die technischen Mechanismen ja die Verletzung von Urheberrechten verhindern. Zur Absicherung legten Inhalteanbieter aber zusätzlich in Lizenzverträgen genaue Nutzungsbedingungen für ihre Werkstücke fest. Deren Umsetzung werde durch Technik geschützt, so dass nicht gewährte Nutzungsformen gar nicht erst ermöglicht werden. Gleichzeitig sind diese Techniken durch die
Urheberrechtsnovelle in Deutschland wiederum selbst vor Umgehung geschützt. Wer die Nutzungsbestimmungen also umgehen will, wird von der Technik gehindert. Wer die technischen Schutzvorrichtungen umgeht, macht sich strafbar – selbst wenn er damit Nutzungsformen durchsetzen möchte, die nach dem Urhebergesetz eigentlich erlaubt sind.

Urheberrecht: Vom Urheberschutz zum Nutzerschutz

Bechtold sieht deshalb einen Funktionswandel für das Urheberrecht. Während es für den Rechteinhaber meist nur noch als „Sicherheitsnetz“ eine Rolle spiele, könnte das Urheberrecht für die Nutzer zum wichtigen Mittel werden, um ihre Rechte durchzusetzen. Wenn technische Mechanismen Verwendungen verhindern, die dem Nutzer urheberrechtlich zustehen, könnte das Gesetz einem zu restriktiven Schutz durch DRM entgegenwirken. Einen Durchsetzungsanspruch gibt es aber nach dem 1. Korb der Urheberrechtsnovelle nur für analoge Kopien. Der rechtliche Rahmen um DRM sei, so schloss Bechtold seinen Vortrag, „ein einziges Chaos“.

Auch
Alexander Dix, Landesbeauftragte für Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht in Brandenburg, sieht Widersprüche im derzeitigen Urheberrecht. Seit der Novelle, so Dix, „stehen Datenschutz- und Urheberrecht im Wertungswiderspruch“. Manche Schutzvorrichtungen würden durch die Registrierung jeder einzelnen Nutzung Bestimmungen des Datenschutzes verletzen. Die Umgehung sei aber durch das neue Gesetz verboten. Dabei seien gerade das moderne Urheberrecht und das Pauschal-Vergütungssystem aus dem Recht des Bürgers auf unbeobachtete, nicht registrierte Nutzung von Werken entstanden. Der Bundesgerichtshof lehnte in einem Urteil von 1964 die Forderung der GEMA ab, jeden Käufer eines Kassetten-Rekorders zu registrieren. Daraus ließe sich, so Dix weiter, ein Recht auf Privatkopie auch für digitale Werke ableiten. Zwar nicht im Sinne einer kostenlosen, wohl aber einer unbeobachteten Nutzung.

“Elektronischer Hausfriedenbruch”

Dix warnte, dass DRM-Systeme durch die Registrierung und Analysierung der Nutzungsgewohnheiten sehr empfindliche Datenbestände erzeugten. Die Grundrechte auf Datenschutz, Informationsfreiheit und auf Unverletzlichkeit der Wohnung wären in ihrem Wesengehalt berührt. Man könne das, so Dix, als “elektronischen Hausfriedensbruch” bezeichnen. Digitales Rechte-Management könne sich nur dann durchsetzen, wenn es durch Anonymisierung oder Pseudonymisierung datenschutzgerecht gestaltet werde.

Auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen

Den Abschluss des Symposiums bildete eine Debatte um die Plattenindustrie. Der Berater Hubert Gertis sieht DRM als Versuch der Industrie, ihr „Geschäftsmodell des 19. Jahrhunderts ins 21. zu retten.“ Dabei deuteten die Labels ihre eigenen Produkte falsch, meint Gertis. Auf dem Weg von der Platte über die CDs zu Musikfiles sei eine wichtige Wertkomponente nahezu verloren gegangen: die emotionale Bindung an das Werkstück. Musikhörer lieben nun mal nicht nur das Lied, sondern auch die Platte – mit einer Datei fällt das schwerer.

Deshalb sieht auch
Felix Stalder, Dozent für Medienökonomie in Zürich, „dringenden Handlungsbedarf“. Eine Lösung sieht Stadler in der Ausdehnung der Pauschalvergütung auf digitale Netzwerke. So wie heute für jeden CD-Rohling und jeden Kopierer ein Beitrag an die Verwertungsgesellschaften ginge, könnte zukünftig auch für den Breitband-Zugang eine Abgabe erhoben werden. Stadler geht nach Zahlen für die USA von einer Gebühr von 15 Prozent aus – für einen DSL-Anschluss von T-Online wären das derzeit etwa 4 Euro. Online-Verwertungsgesellschaften würden die Einnahmen nach Popularität an die Künstler weiterleiten. Wer viel auf Börsen wie KaZaa getauscht werde, bekäme auch mehr.

Die Kritik an Digitalem Rechte-Management machte das Symposium deutlich. Verteidigen wollten sich die DRM Schrittmacher nicht. Microsoft hatte die Einladung nicht einmal beantwortet.