Stärkere politische Regulation oder mehr Selbstkontrolle: Die politische Seite von MP3 ist die politische Seite des Internets.
“Wir haben MP3 ja nicht einfach so ins Netz gestellt”, sagt Karlheinz Brandenburg vom Entwicklerteam des Frauenhofer Instituts für Integrierte Schaltungen Erlangen. “Es gab nur sehr bald auch nicht-lizensierte Versionen. Zum Teil waren diese auch aus unserer Sicht illegal”, erklärte Brandenburg in einem Interview gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Dem Siegeszug des digitalen Musikformats hat die Illigalität jedoch nichts anhaben können. Mit der Entwicklung des bahnbrechenden Kompressionsalgorhythmus Anfang der 90er Jahre und dem gleichzeitigen Entstehen von Musiktauschbörsen a la Napster war der Erfolg vorprogrammiert. Fortan rippte – wie das umwandeln von CD-Daten in MP3 genannt wird – die Jugend was das Zeug hielt und legte die Daten zum Tausch online. Seither läuft die Musikindustrie Sturm, fordert von der Politik neue Gesetze und Maßnahmen zur Eindämmung der verbotenen Raubkopien.
So verlangte Peter Zombik, Vorsitzender der Geschäftsführung des
Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft, unter anderem eine Regelung, um die Provider und Serverbetreiber in die Verantwortung nehmen zu können. Im Gespräch war eine Filtersoftware, die Adressen von MP3-Seiten blockieren und damit indirekt das Copyright der Musikindustrie schützen sollte. Die vom europäischen Parlament im Mai 2000 verabschiedete E-Commerce-Richtlinie, die beinhaltet, dass Provider bei “Caching” und “Hosting” keine Verantwortung für Online-Inhalte mehr tragen, setzte jedoch einen Schlußpunkt unter die Diskussion.
Auch deutsche Intellektuelle wie Michael Krüger, Leiter des Münchner Carl Hanser Verlages und selbst Autor, legen sich beim Thema MP3 und Urheberrecht ins Zeug. So forderte Krüger im letzten Jahr von Bundeskulturminister Julian Nida-Rümlin eine Diskussion am Runden Tisch, um der weltweiten Verletzung des Copyrights Herr zu werden.
Von Seiten des Gesetzgeber ist die Lage von MP3-Dateien jedoch klar. Rechtlich ist der MP3-Austausch von MP3-Files, die von urheberrechtlich geschützten CDs kopiert worden sind, absolut illegal. Das umwandeln ist zwar noch legal, da es erlaubt, ist sich für den privaten Gebrauch eine Kopie zu machen. Auch ist es erlaubt eine Kopie einer CD oder auch nur einzelner Tracks an Freunde weiterzugeben, der Download aus dem Internet jedoch nicht.
Nicht strafbar dagegen sind freigegebene MP3-Files, die zum Beispiel auch zur politischen Kommunikation eingesetzt werden könnten. In der Praxis sieht es jedoch anders aus. Radio, Fernsehanstalten oder der
Deutsche Bundestag setzen auf Streaming-Formate (z.B. Realplayer), mit denen eine Übertragung von Audio- und Bildsignalen in Echtzeit möglich ist.
Großer Beliebtheit erfreut sich das MP3-Format jedoch auf einer anderen Ebene der politischen Kommunikation. So finden sich in den Musiktauschbörsen zahllose Dateien mit rechtsextremistischen Inhalten. Neben Mitschnitten von Reden Adolf Hitlers stehen auch Musiktitel von einschlägigen bekannten Bands aus der Neo-Nazi-Szene, wie Skrewdriver, Reichssturm oder Endsieg, zum Download bereit.
Spätestens hier ist die politische Seite des MP3-Formats die politische Seite des Internets. Muß das Internet stärker poltisch reguliert, seine Nutzer überwacht und beobachtet werden? Oder setzt man auf Selbstregulation im Sinne liberaler Meinungsfreiheit und Bürgerrechte? Die Internet-Community ist gespalten: Zum einen herrscht ein allgemeiner Konsens, sich gegen rechtsextremistische oder andere illegale Inhalte auszusprechen. Diverse Onlineangebote wie das
Netz gegen Rechts kämpfen für die Abschaltung und Verbannung solcher Inhalte aus dem Netz. Zum anderen gibt es jedoch Initiativen, wie die des Chaos-Compuer-Clubs oder von Freedom of Speech, die sich für uneingeschränkte Informationsfreiheit und damit gegen Zensur im Internet wehren.
Erschienen am 26.03.2002
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