Ministerin Künast empfiehlt Gang zur Verbraucherberatung
Nach Viren und Trojanern wird das Internet derzeit von einer neuen Plage heimgesucht. Sogenannte Dialer-Programme installieren sich beim Surfen im Netz auf den heimischen PC und stellen eine kostspielige Telefonverbindung über eine 0190 Nummer her. Schnell wurde der Ruf nach Justiz und Politik laut. Doch die wehren ab. Das Landgericht Berlin verurteilte eine Mutter, die von ihrem Sohn verursachten Kosten zu bezahlen, Verbraucherschutzministerin Renate Künast rät Geschädigten den Gang zur Verbraucherzentrale.
Dabei lauern die Dialer mittlerweile nicht mehr nur auf Hacker- oder Pornoseiten, auch auf vermeintlich seriösen Seiten sind immer häufiger Dialer-Programme zu finden. Meist wird der Nutzer mit zahllos aufpoppenden Fenstern bombardiert, der Dialer kommt dann als Sicherheitsupdate oder kostenloses Download-Programm auf den Rechner. Einmal bestätigt nistet er sich ins System und ersetzt nicht selten bestehende Einwahlverbindungen ins Internet.
Die Kosten für eine Einwahl des Dialers auf eine 0190-Nummer können dabei beliebig hoch sein. Von der Dialer-Programmen mit bis zu 900 Euro pro Verbindungsaufbau wird in Diskussionsforen im Netz berichtet. Die Kosten werden dann mit der nächsten Telefonrechnung fällig.
Der Missbrauch wird durch Richtlinien der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post möglich. Diese schreibt den Telekommunikationsunternehmen vor, jede Art von Anbieter eine 0190-Nummer zu Verfügung zu stellen, um gleiche Wettbewerbschancen auf dem Markt herzustellen. Und die Abrechnung via Telefonrechnung war als einfache und kostengünstige Abrechnungsmethode für Serviceunternehmen gedacht.
Mittlerweile werden jedoch Verbraucherschützer und der deutsche Elternverein aktiv. Sie fordern vom Gesetzgeber einen besseren Schutz vor möglichem Missbrauch dieser Abrechnungsart. Doch ändern wird sich vorerst nichts. Zwar heißt es aus dem Ministerium für Verbraucherschutz, man müsse schnellstens dem Betrug ein Ende setzen. Allerdings setzt Verbraucherschutzministerin Renate Künast hierbei auf Selbstregulierung. “Deshalb möchte ich zuallererst an die Telekommunikationsunternehmen appellieren, Abhilfe zu schaffen”, erklärte die Ministerin in einem Interview mit
heise online. Geschädigten empfiehlt Renate Künast “den Gang zur Verbraucherberatung. Dort erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher erste Tipps, wie sie sich in ihrem speziellen Fall am besten wehren können.” (
update: neue Regelungen der Bundesregierung)
Dabei ist die derzeitige Rechtslage eindeutig. Die Anwahl einer 0190-Nummer kann vor Gericht als gültiger Vertragsabschluß gewertet werden. So sahen es auch die Richter im Fall einer Mutter, deren Sohn mit einem Dialer-Programm knapp 9000 Euro Kosten verursacht hatte. Das Landgericht Berlin bestätigte dem Anbieter die Rechtmäßigkeit seiner Forderungen, die Mutter muss zahlen.
Die Dialer-Problematik schlägt politisch hohe Wellen. So schaltete sich auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein und forderte neue gesetzliche Regelungen. Die Ansatzpunkte hierfür wären vielfältig. Zum einen könnte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation die Vergabe von 0190-Nummern besser kontrollieren. Zum anderen könnte aber auch ein Vertragsabschluß via Knopfdruck oder Einwahl eines Computers sicherer gestaltet werden.
Aber es gibt noch eine weitere Ebene. Die Dialer-Problematik tritt nämlich nur bei Computern mit einem Windows-Betriebssystem auf. Softwareproduzent Microsoft gewährt nämlich über sogenannte ActiveX-Elemente im Internetbrowser nahezu Vollzugriff auf den Clientcomputer, den Rechner des Users. Nur so können sich die Dialer-Programme auch einschleichen. Bei einem Open-Source-Betriebsystem wie Linux ist dies jedoch kaum möglich, hier kann der Anwender stets selbst festlegen, wie viel Sicherheit er beim Surfen haben möchte.
Erschienen am 11.04.2002
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