Eine aktuelle Studie zur E-Partizipation in Deutschlands öffentlicher Verwaltung bescheinigt abermals, dass das Thema hierzulande noch stark ausbaufähig und ein Kulturwandel vonnöten ist. Für die Zukunft gibt es aber bessere Aussichten – vor allem Kommunen sind überaus aktiv.
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Studien zur Online-Bürgerbeteiligung in Deutschland, das Ergebnis war stets ein ähnliches. Die Initiative eParticipation stellte 2005 fest „Die positiven Chancen von E-Partizipation zu mehr Bürgernähe und Bürgerzufriedenheit werden noch lange nicht umgesetzt“. Drei Jahre später kam auch eine Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums zu dem Schluss, dass E-Partizipation in Deutschland noch stark verbesserungsbedürftig sei. Zwar konnte Deutschland im internationalen Vergleich inzwischen stark aufholen, und trotzdem sind sowohl das Angebot als auch die Nutzung von E-Partizipationsangeboten gering und können nicht als Teil eines nennenswerten Beitrags zum politischen Diskurs gesehen werden.
In Zusammenarbeit mit der MATERNA GmbH führte der Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz in Halberstadt in diesem Jahr die Studie „E-Partizipation in der öffentlichen Verwaltung“ durch und veröffentlichte nun ihren Abschlussbericht. Die Studie untersucht die aktuelle Situation und den Planungsstand von E-Partizipationsangeboten in ganz Deutschland und beleuchtet damit auch Probleme und Chancen, die sich vor allem auf zukünftig geplante Angebote auswirken. Befragt wurden sowohl größere Kommunen als auch Landes- und Bundesbehörden.
Insgesamt wird dem Thema E-Partizipation in den teilnehmenden Behörden ein sehr großer Stellenwert beigemessen. Das eigentliche Ziel von E-Partizipation, mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger zu schaffen, sehen 75 Prozent der Studienteilnehmer erreicht. Die Zahl der Behörden, die bislang weder ein entsprechendes E-Partizipationsangebot bereitstellen, noch ein solches planen, beschränkt sich auf lediglich ein Fünftel. Auffällig ist, dass im Gegensatz zu Bund und Ländern die Kommunen einen signifikant höheren Ausbau der E-Partizipation planen.
Beschwerdemöglichkeiten und Stadtplanung sind Vorreiter
Die Themenbereiche, zu denen Angebote bereits existieren oder geplant sind, decken in erster Linie Beschwerdemöglichkeiten sowie Stadtplanung und -entwicklung ab, insbesondere auf kommunaler Ebene. Landesbehörden legen den Schwerpunkt eher auf eine allgemeine politische Mitsprache. Schlusslicht ist stets der Bereich Bildung. E-Partizipationsangebote für Haushalts- und Finanzplanung hingegen werden als wenig sinnvoll eingestuft. „Im Bereich Bürgerhaushalt ist jedoch eine Menge Experimentiergeist zu sehen“, hebt Professor Dr. Jürgen Stember, der Leiter der Studie, hervor. „In anderen Bereichen würde man sich das mehr wünschen, zum Beispiel im Bereich Bauleitplanung, wo gesetzliche Beteiligungsmöglichkeiten vorgeschrieben sind“, so Stember. Bereiche, für die laut Ansicht der Verwaltung ein verbessertes Angebot geschaffen werden sollte, sind zudem Verkehrsplanung, Umwelt, Familie und Jugend.
Bereitgestellt werden die Möglichkeiten zur E-Partizipation hauptsächlich auf den eigenen Webseiten der Behörden, soziale Netzwerke werden dazu selten genutzt. Das Gleiche gilt auch für die Bereitstellung von Daten zum politischen Diskurs.
Erfolg der Angebote auch durch Nutzer begrenzt
Hinsichtlich der Beurteilung der Nutzerzufriedenheit gab die Hälfte der befragten Behörden an, dass diese gut oder sehr gut sei. Der Umfang der Nutzung hingegen wird nur von 40 Prozent als gut oder sehr gut eingestuft. Besonders große Zweifel bestehen an der Qualität und Repräsentativität der Nutzerbeiträge, sie würden weder den Diskurs vorantreiben, noch könnten sie das Meinungsbild der Bevölkerung widerspiegeln. Aus diesem Grund wird häufig von vornherein auf die Einrichtung von Angeboten zur E-Partizipation verzichtet. Professor Stember sieht als Grund dafür, dass „viele, die eigentlich in die Zielgruppe fallen, noch nicht mit diesem Medium umgehen können.“ Interessant ist zu beobachten, dass Behörden, die bereits E-Partizipation anbieten, diese Hemmnisse als weitaus geringer einstufen. Die Praktiker sehen eher in der mangelnden Qualifikation ihrer Mitarbeiter ein Hindernis.
Als Motive für die Schaffung von mehr E-Partizipationsmöglichkeiten gaben vor allem Kommunen an, dass sie sich dadurch ein modernes Image erhoffen und eine zeitgemäße Ansprache der Bevölkerung erreichen wollen. Das Ziel, mehr Transparenz zu schaffen, um das Vertrauen der Bürger zu stärken, wurde bedauerlicherweise erst an zweiter Stelle genannt. Trotz der theoretisch für alle Behörden bestehenden Möglichkeiten, Bürger online einzubeziehen, und der zahlreichen Chancen, die sich daraus für Bürger und Verwaltung ergeben, verzeichnet nicht einmal die Hälfte aller teilnehmenden Behörden einen guten oder sehr guten Erfolg ihrer E-Partizipationsmöglichkeiten. Der Studienleiter kennt die Probleme: „Wir beobachten so einige Bedenken, wie man denn tatsächlich damit umgehen soll und ob die Politik dann möglicherweise in ihren Befugnissen beschnitten wird. Durch E-Partizipation wird versucht neue Akzente zu setzen, man kann sich in vielen Bereichen viel besser informieren. Wenn man das transparenter machen und ein bisschen offensiver einsetzen würde, dann könnte ich mir vorstellen, dass man eine ganze Menge Bürger dafür gewinnen könnte.“
Konkrete Beispiele für bisher vorhandene E-Partizipationsangebote beschreibt die Studie übrigens nicht. Inwiefern es sich bei den untersuchten Maßnahmen um reine Informationsangebote, Diskussionsmöglichkeiten, die Einbringung von konkreten Vorschlägen oder sogar um Abstimmungsverfahren handelt, ist dem Bericht ebenso wenig zu entnehmen. Andere Untersuchungen aus dem Jahr 2010 und 2009 belegen, dass Beteiligungsangebote bisher vorrangig auf einseitiger Informationsübermittlung beruhen. Web 2.0-Anwendungen und virtuelle Abstimmungsverfahren befinden sich noch immer in der Anfangsphase.
Wie kann man es besser machen?
Die Studie der Hochschule Harz kann, ebenso wie vorangegangene Untersuchungen, bislang in keinem der untersuchten Bereiche zufriedenstellende Angebote verzeichnen. Die Studie rät aufs dringendste die Entwicklung professioneller Verfahren, das heißt eine gute Vorbereitung, eine professionelle Umsetzung und Moderation der Verfahren sowie eine sensible und offene Nachbereitung. Außerdem wird empfohlen, strategische und operative Kooperationen einzuführen, etwa mit anderen Verwaltungen oder auch mit der Privatwirtschaft. „Jede Kommune muss ja nicht das Rad mehrfach erfinden, von Pilotprojekten könnte man doch profitieren“, so Stember. Akzeptanzmanagement ist ein weiterer Bereich, der laut Studie noch ausbaufähig ist. Qualifikations- und Bildungsmaßnahmen sollen zu einer erhöhten Akzeptanz beitragen, sowohl bei den Mitarbeitern der Behörden, als auch bei den Bürgern. „Auch hier kann man die Ressourcen deutlich erhöhen und interne Hindernisse umgehen, wenn man zusammen arbeitet“. Nur so könne E-Partizipation in Politik und Gesellschaft integriert werden und zum Erfolg führen. Zudem wird eine behördenübergreifende Plattform für E-Partizipation angeregt, für die sich auch ein Großteil der Studienteilnehmer aussprach. Bundes- und Landesbehörden sollten sich für die Zukunft ein Beispiel an den, ihnen untergeordneten Kommunen nehmen, die E-Partizipationsangebote bislang sehr viel erfolgreicher eingesetzt haben.
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