Als der spannendste der drei in diesem Monat anstehenden Urnengänge gilt unter politischen Beobachtern die Landtagswahl in Baden-Württemberg. Das Verhältnis der drei Spitzenkandidaten ist aus demoskopischer Sicht uneindeutig wie selten zuvor. politik-digital.de hat sich die Internet-Strategien der Kontrahenten angeschaut.

Nach mitunter heftigen Protesten gegen den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs gerieten im vergangenen Herbst die seit 57 Jahren ununterbrochen regierende CDU und Ministerpräsident Stefan Mappus unter Zugzwang. Plötzlich sah es so aus, als könnte mit Winfried Kretschmann erstmals ein Politiker von Bündnis90/Die Grünen Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes werden. Der zwischenzeitliche "Kretschmann-Hype" hat sich seit dem Jahreswechsel jedoch merklich abgekühlt. Nicht zuletzt im Fahrwasser des unerwartet deutlichen Wahlsieges bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg konnten die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Nils Schmid in jüngsten Umfragen Boden gut machen. Es gibt also drei Kandidaten mit aussichtsreichen Chancen, eine neue Regierung bilden zu dürfen. Aber wie nutzen sie das Internet für dieses Ziel?

Der amtierende CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus ist zwar online auf allen relevanten Kanälen präsent, jedoch ist das Web 2.0-Angebot der Union im "Ländle" sehr statisch ausgerichtet und zeichnet sich nicht eben durch einen intensiven Dialog mit der Netzgemeinde aus, wie am Beispiel des Twitter-Accounts der CDU Baden-Württemberg nachzuverfolgen ist. Auch das obligatorische Facebook-Profil der Christdemokraten wird in der Hauptsache zur Publikation von Wahlkampffotos Mappus’ sowie für Terminankündigungen genutzt.

In puncto Interaktion mit den potenziellen Wählern kann vor allem der SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid mit einer Dialogfunktion auf seiner persönlichen Website überzeugen. Mithilfe des Formats "viDialog" beantwortet Schmid über den Youtube-Kanal der Landespartei Fragen, die ihn vorher per E-mail sowie über twitter und Facebook erreicht haben. "Wir haben uns für die Videoformate "Phrasenmäher" und "Vidialog" entschlossen, um unsere Antworten auf die häufigsten Fragen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Dabei machen wir die Erfahrung, dass wir mit Bewegtbildern zusätzlich Menschen erreicht, die sich eher selten mit politischen Inhalten auseinandersetzen", so Christian H. Schuster aus der "Wahlkampfschmiede" des SPD-Landesverbandes gegenüber politik-digital.de.

Nils_Schmid

Der zwischenzeitliche Umfragenkönig Winfried Kretschmann und sein bündnisgrüner Landesverband sind zwar ebenfalls auf allen Web 2.0-Kanälen präsent, haben ihren Wahlkampfspot. ihr Facebook-Profil und sogar eine Wahlkampf-App für Smartphones online veröffentlicht. Auch nutzen sie den Kurznachrichtendienst Twitter zur Reaktion auf tweets mit der Netzgemeinde. Doch besonders auffällig in dieser heißen Wahlkampfphase ist, dass der Spitzenkandidat auf der Website der Südwest-Grünen überhaupt nicht präsent ist. Um auf seine persönlichr Website zu gelangen, muss der Wähler anders als bei Mappus und Schmid, durch mehrere Ebenen der Parteiwebsite navigieren. Die spürbare Zurückhaltung, mit der auf den grünen Fraktionsvorsitzenden im Stuttgarter Landtag verwiesen wird, steht in krassem Widerspruch zu dessen Chancen, zukünftiger Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu werden.

Als Fazit dieses überblicksartigen Spitzenkandidaten-Checks im Netz kann festgehalten werden, dass alle drei hier vorgestellten Kandidaten, die laut aktuellen demoskopischen Erhebungen Chancen haben, Ministerpräsident im Südwesten zu werden, auf dem Feld des Online-Dialogs mit dem Wähler noch großen Nachholbedarf haben. Was schon über den Online-Wahlkampf der Parteien in Hamburg im vergangenen Monat berichtet wurde, scheint sich im Südwesten der Republik ein weiteres Mal zu bestätigen: Die innovativen Potenziale des Bürgerdialogs, die das Internet inzwischen bietet, werden von den Parteien in Wahlkämpfen bislang kaum genutzt. Zwar sind die standardmäßigen Verweise auf Facebook-Profile und die Youtube-Kanäle samt Wahlkampffilmen inzwischen überall vorhanden. Gerade an innovativen Strategien der Wähleransprache sowie an Mitgestaltungsmöglichkeiten mangelt es im Südwesten aber weiterhin. Dies überrascht umso mehr, da in einem großen Flächenland wie Baden-Württemberg mit weiten Anfahrtswegen zu den Terminen der Spitzenkandidaten das Internet eine effiziente Alternative der Kommunikation zwischen Bürger und Politik darstellen würde.

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