Zahlreiche Online-Initiativen erzeugen eine Willkommenskultur für Asylsuchende in Deutschland. Allerdings kommt es auch immer öfter zu Diffamierungen und gezielten Fehlinformationen über Flüchtlinge, die Ressentiments gegen Asylbewerber erzeugen sollen. Auch hierfür ist das Internet eine Plattform. Hilfs-Initiativen lassen sich davon aber nicht abschrecken und sind dennoch zahlreich zu finden. politik-digital.de stellt einige Online-Initiativen vor, die Flüchtlingen bei der Integration helfen können.
Laut dem UNHCR ist ein Flüchtling eine Person, die wegen ihrer „Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat“. Flüchtlinge sind Menschen in Not, die keinen anderen Ausweg sehen als ihre Heimat zu verlassen. Eine Heimat, die sie lieben und nur schweren Herzens hinter sich lassen, um sich auf eine oftmals lebensgefährliche Reise zu begeben.
Die hohe Zahl an Flüchtlingen hat sich zu einer enormen Herausforderung für Europa entwickelt. Insbesondere betroffen sind Staaten wie Griechenland oder Italien. Auch Deutschland muss einen Weg finden, richtig mit der Situation umzugehen. Doch was ist „richtig“? Im Jahr 2014 stellten 172.945 Flüchtlinge einen Asyl-Erstantrag in Deutschland. Damit liegt Deutschland absolut gesehen vorne im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Relativ zur Einwohnerzahl liegt Deutschland mit 2,1 Asylbewerbern auf 1000 Einwohner jedoch hinter Staaten wie beispielsweise Schweden mit 7,8 Asylbewerbern auf 1000 Einwohner.
Dennoch streiten sich zurzeit die Geister darüber, wie die Politik mit dieser komplizierten Situation umgehen soll. Während die einen am liebsten allen Flüchtlingen Asyl gewähren würden, hätten andere am liebsten schon überall Zäune, um nur ja keine „Schmarotzer“ vor der eigenen Haustüre zu haben. So auch im Netz. Zahlreiche Online-Initiativen für Flüchtlinge tragen zur deutschen Willkommenskultur bei. Das macht Hoffnung. Wie immer gibt es jedoch auch die Kehrseite, die uns Tag für Tag am gesunden Menschenverstand unserer Mitbürger zweifeln lässt.
Online Flüchtlinge begrüßen
„1000 mal Willkommen“ möchte Lutz Staacke Asylsuchenden sagen. Daher startete er den gleichnamigen Blog als Reaktion auf ausländerfeindliche Attacken auf Flüchtlingsheime. „Wer Flüchtlinge willkommen heißen mag, ist herzlich eingeladen mitzumachen“. Die Idee eines Selfie, auf dem Menschen ein Schild mit freundlichem Willkommensgruß in den Händen halten, stieß auf positive Reaktionen. Knapp 100 von gewünschten 1.000 Selfies wurden bereits gepostet. Mitmachen kann man auch auf Twitter unter #1000malwillkommen.
Zugang zum Internet – eine Selbstverständlichkeit im 21. Jahrhundert? Nicht so für Flüchtlinge. Flüchtlinge, die ein Smartphones besitzen, haben in der Regel keinen Datentarif, der ihnen Zugang ins Netz verschafft. Durch entsprechende Ausbesserungen in Asylunterkünften wäre Flüchtlingen kostenloser Kontakt zu Angehörigen möglich, sie könnten Informationen über die neue Stadt sammeln, sich z. B: auf der Online-Jobbörse für Flüchtlinge umsehen und auf lokale Informationsangebote sowie Informationen aus der Heimat zugreifen.
Um dieses Ziel von freien, unabhängigen und nichtkommerziellen Computerfunknetzen zu erreichen, hat Freifunk.net eine Idee entwickelt. Freifunk-Nutzer können Flüchtlingen ihre WLAN-Router über ein sogenanntes Mesh-Netzwerk zur Verfügung stellen. So werden Flüchtlinge aus ganz Deutschland über zahlreiche Freifunk-Gruppen vernetzt. Obwohl die Bürokratie dem Projekt immer wieder Grenzen setzt, konnte die Freifunk-Initiative schon in vielen deutschen Städten aktiv werden.
Wenn das Radio zur Sammelstation wird
Das Internetradio detektor.fm setzt bei seiner Initiative beim Grundproblem der Integration an: der deutschen Sprache. Für das Projekt “Deutsch für Asylbewerber_innen” der Leipziger Gruppe des Vereins Weitblick rief der Sender kürzlich zu Spenden auf und erklärte sein Studio bis zum 14. August zur offiziellen Sammelstation. Begrüßt wird alles, was beim Lernen hilft: Wörterbücher, Stifte, Schulmaterial, Rucksäcke, Möbel und Bücher. Doch auch Tickets für den Nahverkehr, Kleidung, Hygieneartikel, Baby- und Kinderprodukte u.v.m. – und weitere Freiwillige sind hilfreich. Das Projekt besucht Heime im Leipziger Umland und Familien in Wohnungen, wo die Gruppe kostenlosen Deutschunterricht gibt und Hilfe bei Alltagsproblemen leistet. Wer es nicht mehr rechtzeitig zum Sender schafft, kann das Projekt auch finanziell unterstützen.
Obwohl sich Länder und Kommunen große Mühe geben, sind Flüchtlingsheime oftmals überfüllt, unzureichend ausgerüstet und fremdenfeindlichen Angriffen ausgesetzt. Die Aktion „Flüchtlinge Willkommen“ möchte geflüchtete Menschen aus dieser misslichen Lage befreien und in Wohngemeinschaften unterbringen. Freiwillige können ihr freies Zimmer auf die Homepage stellen Anschließend stellt das Projekt den Kontakt zur asylsuchenden Person her. Für die Miete müssen weder die Mieter selbst noch die Anbietenden aufkommen. Stattdessen wird sie u.a. durch Mikrokredite oder Crowdfunding finanziert. Erfolgreich vermittelt werden konnte beispielsweise der Flüchtling Sebastian, der als evangelischer homosexueller Christ nicht im Iran leben konnte. Der Medizinstudent lebt nun mit Jan in einer WG in Berlin. Zu seinem Glück, so sagt er, fehle ihm nur noch eine Aufenthaltsgenehmigung, um wieder studieren zu können.
Jobbörse für Flüchtlinge
Geflüchtete Menschen mit Aufenthaltsgenehmigung dürfen eine Arbeitserlaubnis beantragen. Für geduldete Menschen gilt das Gleiche, jedoch unter gewissen Zugangsbedingungen. Leider ist es für Flüchtlinge dennoch sehr schwierig Arbeit zu finden. In der Regel können sie die Sprache kaum, ihre Ausbildungen werden in Deutschland nicht anerkannt und Arbeitgeber sind ihnen gegenüber skeptisch gesinnt. workeer.de bietet eine Ausbildungs- und Arbeitsplatzbörse, die sich speziell an Flüchtlinge richtet. Es können Praktika, Ausbildungsplätze und feste Arbeitsstellen angeboten werden von Arbeitgebern, die Flüchtlingen bewusst eine Chance bieten wollen.
Erfreulicherweise gibt es viele Menschen, die nicht nur Verständnis für Flüchtlinge aufbringen, sondern auch aktiv helfen wollen. Oftmals fällt die Entscheidung jedoch schwer, welche Initiative man unterstützen will. Der Blog wie-kann-ich-helfen.info stellt Hilfsprojekte vor, die aus der Bevölkerung gemeldet werden oder die die Bloggerin der Seite, Birte Vogel, selbst recherchiert. Die Seite bietet eine Übersicht aller möglichen Projekte sowie die passenden Links, Zeitungsartikel oder Facebook-Seiten dazu.
Fehlmeldungen über Flüchtlinge
Dass uns das Internet heutzutage eine Plattform bietet, um unsere Meinung kundzutun und Menschen zu helfen, ist eine tolle Entwicklung. Oft wird es jedoch missbraucht. Mit einer perfiden Strategie versuchen Hetzer aktuell Flüchtlinge im Netz zu diffamieren. Es ist ihnen ein Dorn im Auge, wenn positive Meldungen über Asylanten veröffentlicht werden. Auf ihren fremdenfeindlichen Blogs und Facebook-Seiten setzen sie deswegen auf Desinformation. Ganz bewusst werden positive Berichte lanciert, in denen Asylbewerber beispielsweise Portemonnaies oder Reisekoffer finden und diese anschließend an ihre Besitzer zurückgeben. Die Geschichten beruhen allerdings fast nie auf wahren Begebenheiten. Sie sollen später als Falschmeldung entlarvt und so als „Beweis“ für vermeintliche „Asylpropaganda“ verwendet werden.
Auf dem islamfeindlichen Blog „Politically Incorrect“ finden sich dann zum Beispiel Berichte über die deutsche „Lügenpresse“, die „die Massenansiedlung von kulturfremden jungen Männern schmackhaft“ machen möchte. Eine absurde Verdrehung von Tatsachen, die zum einen Ressentiments gegen Asylbewerber erzeugt und zum anderen das Vertrauen in die objektive Berichterstattung deutscher Medien zerstört.
Neben derartigen Meldungen ist es dennoch beeindruckend, wie viele Menschen sich um das Wohl der Asylsuchenden sorgen. Dieser Artikel stellt nur eine grobe Auswahl dar von all den Initiativen, die tatsächlich im Internet zu finden sind. Allein auf der Seite wie-kann-ich-helfen.info sind unzählige Optionen aufgelistet, sich aktiv für Flüchtlinge einzusetzen. Von fremdenfeindlichen Blogs sollten sich weder Flüchtlinge nach ihrer Ankunft, noch wir als Deutsche einschüchtern lassen.
Update vom 24.08.2015
Neben den bereits genannten, möchten wir zwei weitere Online-Hilfsprogramme für Flüchtlinge vorstellen:
Ähnlich wie das Blog wie-kann-ich-helfen.info bündelt das Netzwerk „Berlin hilft!“ Berliner Initiativen für Flüchtlinge. Auf der Seite soll Bedarf gezielt koordiniert und aufgelistet werden. So lassen sich, sofern die entsprechenden Informationen verfügbar sind, für jede Initiative spezifische Bedarfslisten finden. Auch Standorte, Kontakt und Spendenkonten sind, wenn möglich, für jedes Programm abrufbar. Unter „Links“ sind darüber hinaus weitere Internetseiten angegeben, die Flüchtlingen bei der Integration helfen können, wie beispielsweise unter der Kategorie „Medizin/Frauen/Seelsorge“.
Erst vor drei Tagen hat Paul H. den Spendenaufruf „Blogger für Flüchtlinge – Menschen für Menschen“ auf betterplace.org gestartet. Weil die Resonanz so positiv war, erhöhte er bereits nach drei Tagen das Spendenziel auf 10.000€. Neben den Spenden selbst geht es jedoch vor allem darum, die Idee zu verbloggen und so weiterzuverbreiten. Die ersten 3.000€ waren schnell gesammelt und gingen an die Initiative „Moabit hilft“. Die Projekte, die das Geld erhalten, wechseln in regelmäßigen Abständen. Aktuell wird für „Bie Bie One – Nähwerkstatt für Flüchtlinge“ gesammelt. Ausgesucht werden die Projekte in enger Abstimmung mit Betterplace, um diejenigen Programme zu identifizieren, die am dringendsten Unterstützung benötigen.
Bild: bluenews.org (CC BY-SA 2.0)
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