Das Internet verbreitet sich über den Globus. Auch Afrika wurde längst von den Dynamiken der Digitalisierung erfasst. Informations- und Kommunikationstechnologien werden zu einem wichtigen Wachstumsfaktor und eröffnen neue Möglichkeiten in der Entwicklungspolitik.
Afrika wächst und die Welt zusammen
Die Welt sei ein Dorf mit 100 Einwohnern. Davon wären 10 Europäer, 16 Afrikaner und 60 Asiaten. Würden wir dieses Dorf im Jahre 2050 wieder besuchen, so würden darin schon 133 Menschen leben. Von ihnen wären 10 nach wie vor Europäer, 74 Asiaten und schon 33 Afrikaner. Es zeigt sich, die Bevölkerung im Süden wächst immer weiter. Bis 2050, lauten die Prognosen, wird die Bevölkerung in Afrika sich auf fast zwei Milliarden Menschen verdoppeln.
Dies stellt die Entwicklungszusammenarbeit und das Wachstum in den Ländern im globalen Süden vor große Herausforderungen. Aber die Bevölkerung wächst nicht nur, sie wächst auch zusammen. Das Internet spielt eine immer wichtigere Rolle im Leben der Menschen. Mittlerweile besitzt die Mehrheit der Afrikaner zwar immer noch keinen Computer oder hat regelmäßigen Zugang zu Elektrizität; Smartphones als Kommunikationsmittel und digitales Endgerät sind aber sehr verbreitet. Im Durchschnitt besitzen 24% der Weltbevölkerung ein Smartphone. In den Entwicklungsländern sind dies bereits 35% und die Zahl nimmt weiter zu. Verfügten im Jahre 2000 gerade einmal 2% der Afrikaner – vornehmlich Behörden – über Telefone, besitzen heute schon über 650 Millionen Afrikaner ein Smartphone.
Diese digitale Durchdringung ermöglicht neue Wege in der Entwicklungspolitik. „Die Unterzeichnerstaaten haben es sich zum Ziel gesetzt durch effiziente Telekommunikation, die friedlichen Beziehungen untereinander, die Zusammenarbeit von Mensch und Wirtschaft sowie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.“ Die internationale Fernmeldeunion, die zweitälteste internationale Organisation neben dem Roten Kreuz, setzt sich seit 1865 für die gleiche Teilhabe aller Staaten und ihrer Bewohner am technischen Fortschritt ein. Dazu zählt unter anderem, die Standards zu harmonisieren und auf diese Weise eine geregelte, friedvolle Zusammenarbeit zu fördern. Genau an dieser Stelle setzt die Entwicklungspartnerschaft Deutschlands mit ausgewählten zentralafrikanischen Staaten an. Ziel des Projektes „Digitales Afrika“ ist es, die zunehmende Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) für die Entwicklungsarbeit zu nutzen und Wachstumsimpulse zu setzten. Nach Berechnungen der Weltbank steigert jede Erhöhung der digitalen Vernetzung um 10 Prozentpunkte, das Wirtschaftswachstum um 1,12 Prozentpunkte.
Gute Ideen brauchen gute Vernetzung
Das Projekt „Digitales Afrika“ fördert den Ausbau und die Verbreitung der IKT-Netzwerke. Dies geschieht zum einen durch die finanzielle Unterstützung lokaler Anbieter, zum anderen durch die Vernetzung von Ideen, Ressourcen und Knowhow. „Ich komme heute nicht mehr mit dem Geldbeutel und bohre ein paar Brunnen. Wir exportieren Innovationen, Knowhow und Technologiepartnerschaft“, erläuterte Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller.
Vernetzung und Austausch stehen im Vordergrund der Zusammenarbeit. Auf regelmäßigen Netzwerkveranstaltungen sollen junge afrikanische Gründer die Möglichkeit erhalten, Netzwerke und Kooperationspartner für ihre Ideen zu gewinnen. Zeitgleich sollen europäische Unternehmen dabei unterstützt werden, in den digitalen afrikanischen Markt zu investieren. Dazu gehören Gutachten und Beratung sowohl für europäische als auch für lokale Unternehmer. Ganz im Sinne des Aktionsplan von Accra aus dem Jahre 2008 wird die eigenständige und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung durch die Förderung von lokalen Unternehmern betont.
Zwar mangelt es auf dem afrikanischen Kontinent nicht an eigenen Ideen und mutigen Gründern, häufig fehlt jedoch die Möglichkeit, diese Ideen umzusetzen. Zwar ist das Smartphone immer omnipräsenter im afrikanischen Alltag, häufig fehlt es aber an Computern, Internetleitungen oder sogar einfach an Elektrizität. Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren verschiedene Hubs entstanden, die hier Abhilfe schaffen sollen. Beispiele für solche Einrichtungen sind etwa das Iceaddis auf dem Campus der Universität von Adis Abeba, Äthiopien, der Active Space in Kamerun oder aber das erste Hub seiner Art in Afrika, das IHub in Nairobi. In Ländern wie Kamerun, wo nur etwa 3% Zugang zum Internet haben, sind solche Einrichtungen von besonderer Bedeutung, da sie Zugang zu digitaler Infrastruktur ermöglichen. Zudem bieten viele dieser digitalen Zentren auch Weiterbildungsangebote und Möglichkeiten, das im Studium erlernte anzuwenden. Auf diese Weise wird eine Brücke zwischen Studium und Beruf ermöglicht. Nicht zuletzt wird durch das Zusammentreffen der verschiedenen jungen Unternehmer der kreative Gedankenaustausch gefördert. Mittlerweile sind über ganz Afrika mehr als 119 dieser Technikhubs entstanden mit steigender Tendenz. Vernetzt sind diese digitalen Ideenwerkstätten durch das Afrilab, welches deren gegenseitigen Austausch und die Zusammenarbeit koordiniert.
Von der Idee zum eigenen Unternehmen
Obwohl diese Begegnungsstätten ein hohes kreatives Potenzial aufweisen, stehen sie selber vor großen Herausforderungen. In vielen Fällen, sofern die Regierung diese nicht unterstützt, handelt es sich bei vielen Hubs selbst noch um Startups. Um sich finanzieren zu können und langfristig zu bestehen, sind viele von ihnen dazu übergegangen, ihren Fokus auf die Erforschung neuer Dienste zu legen und diese dann anzubieten. In Zukunft soll neben Sponsoren vor allem die Forschung eine wichtige finanzielle Grundlage für diese digitalen Ideenwerkstätten werden.
Afrika ist ein junger Kontinent mit vielen jungen, frischen Ideen. Leider werden diese viel zu selten wahrgenommen. Aus diesem Grund bieten die Hubs eine erste Anlaufstelle, um die eigenen Ideen bekannt und potentielle Investoren darauf aufmerksam zu machen. Die Hauptaufgabe der digitalen Zentren liegt vor allem in der Beratung und Vermittlung von Ideen, Knowhow und Ressourcen. In vielen Fällen sind die Investitionssummen der kleinen Startups viel zu gering, um bedeutende Investoren davon zu überzeugen. Daher fördern Unternehmen wie 88mpH des Informatikers Paul Graham neue innovative Ideen. Zwischen 2011 und 2014 unterstützte das Unternehmen bereits 36 Startups in Kenia und Südafrika erfolgreich dabei, sich auf dem Markt zu etablieren.
Global im Netz für regional vor Ort
Selbst in den entlegensten Gebieten, wo es häufig selbst an Zugang zu Elektrizität oder sauberem Trinkwasser fehlt, verfügen die Menschen über digitale Endgeräte. In einem Erdteil, in dem Regionen noch immer von Analphabetismus, Armut, schlechter Infrastruktur und mangelnder Bildung geprägt sind, eröffnet das digitale Zeitalter neue Möglichkeiten. Ganz nach den Grundsätzen des IoT-Manifests soll der Fortschritt dem Menschen dienen und eine win-win-win-Situation für alle Beteiligten schaffen. Open-Source Systeme lassen sich an die Bedürfnisse der einzelnen Regionen und ihrer Nutzer anpassen und werden von diesen angenommen.
Das System M-Pesa des kenianischen Mobilfunkanbieters Safaricom ist ein Ergebnis des technischen Wandels in Afrika. In der afrikanischen Gesellschaft übernehmen traditionell die „Chaama“, Familienverbände, die Verwaltung der Finanzen. Sie entscheiden darüber, wie die Mittel verwendet werden sollen. Ohne diese Familienverbindungen waren größere Anschaffungen kaum möglich. Die Anwendung M-Pesa hingegen ermöglicht es, bequem online die eigenen Finanzen zu verwalten. Nach dem Prinzip eines Prepaid-handys wird der gewünschte Betrag eingezahlt und ist dann wie bei einem Girokonto frei verfügbar. Viele Kioske und Läden in Kenia und Zentralafrika bieten mittlerweile die Möglichkeit, auf diese Weise zu bezahlen. Aber auch Kredite von bis zu 12.500 US-Dollar sind möglich. Mittlerweile werden durch M-Pesa täglich etwa 1,6 Millionen Transaktionen im Wert von bis zu 50,6 Millionen US-Dollar getätigt.
Ein bestimmender Faktor Afrikas ist nach wie vor die Landwirtschaft. Mithilfe von Anwendungen wie MFarm erhalten Bauern zahlreiche Ratschläge, um ihren Ertrag zu steigern. Zudem haben die Landwirte die Möglichkeit, die Preise für ihre Erzeugnisse einzusehen, womit sie eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Zwischenhändlern erlangen. Leider bestimmen auch Unruhen und instabile Demokratien das Bild der afrikanischen Politik. Darum gründete eine Gruppe von Bloggern und Softwareentwicklern aus Kenia die Open Source Software „Ushahidi“, was übersetzt Zeugenaussage bedeutet. Erstmals kam die Software bei den dortigen Präsidentschaftswahlen 2007 zum Einsatz, um gewaltsame Ausschreitungen zu dokumentieren. Mittlerweile hat sich diese Software genau wie die anderen beschriebenen Projekte immer weiter verbreitert und findet nicht nur in Afrika großen Anklang.
Bildung als Schlüssel zur Nachhaltigkeit
Um den langfristigen Erfolg dieser und vieler weiterer Projekte zu sichern, ist langfristiges Denken nötig. Insbesondere die Bildung ist ein entscheidender Faktor, verfügen doch viele afrikanische Schüler über kaum Zugang zu höherer Bildung und viele afrikanische Schulen nur über mangelnde Ausbildungsmöglichkeiten. Mxit, die afrikanische Variante des Whatsapp, spricht vor allem junge Afrikaner an. Zeitweise hatte die südafrikanische Kommunikationsplattform im Land mehr Nutzer als Facebook. Dabei geht es den Mxit-Usern nicht nur ums Chatten und Kommunizieren, sondern immer mehr Bildung wird über dieses Netz vermittelt. Denn nur wenige Schulen in ländlichen Regionen sind mit einer guten Bibliothek ausgestattet und gute Schulbücher sind oftmals nur schwer zu bekommen. Konzepte wie Paperight machen es möglich, im nächsten Cybercafe die Schulbücher einfach auszudrucken. Mit FunDZa erhalten Smartphonebesitzer die Möglichkeit, bequem über Mxit zwischen einer Vielzahl an Büchern zu wählen, aber auch eigene kleine Texte und Werke zu veröffentlichen.
Afrika durchlebt eine neue Dynamik technischen Wandels. Eine junge Generation von Afrikanern bringt frische Ideen für das Afrika und die Welt von morgen mit. Viele Projekte wurden bereits erfolgreich umgesetzt und bieten eine langfristige Perspektive für Wachstum und Innovation auf dem Kontinent. Diese Ideen gilt es zu fördern und vor allem mit Bildung, Knowhow und Ressourcen zu unterstützen. Denn wie sagt ein afrikanisches Sprichwort: „Einer allein kann kein Dach tragen.“
Vielen Dank für diesen Artikel. Das Afrika-Bild von uns Europäern sollte dringend revidiert werden. Vielleicht glauben wir dann auch weniger, unbedingt auf unsere Nationalstaaten setzen zu müssen.