Ihre Onlinezeitung "Huffington Post"
ist eine gewichtige liberale Stimme in den USA, sie selbst gehört
laut Time Magazine zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt.
Ein Porträt der Bloggerin, Gouverneurskandidatin, Picasso-Biographin
und Selbstvermarkterin Arianna Huffington.
So wie man beim Start der "Huffington Post" 2005 auf
die Idee kommen konnte, es handle sich bloß um ein Promi-Tratsch-Blognetzwerk
– zwar kommerziell, keinesfalls aber inhaltlich ambitioniert – so
könnte man bei oberflächlicher Betrachtung der Namensgeberin
Arianna Huffington auf die Idee kommen, man habe da bloß eine
durch und durch amerikanische Ex-Millionärsgattin vor sich.
Eine, die sich aus Langeweile mal mit Politik, mal mit Blogs die
Zeit vertreibt. Eine Mittfünfzigerin, die in ihrem sandfarbenen
Hosenanzug auch bei den Desperate Housewives mitspielen oder eine
Immobilienmaklerin sein könnte, die gerade ein "For Sale"-Schild
in den Rasen eines Bungalows in Bel Air oder Boca Raton hämmert.
Wären da nicht die Details. Huffingtons Picasso-Biographie
etwa, die in 16 Sprachen übersetzt und mit Anthony Hopkins
verfilmt wurde. Oder die zehn anderen Bücher, die sie geschrieben
hat. Oder auch die außerhalb des Internet wenig prominenten
Namen auf der langen Liste der Huffington-Post-Blogger: Internet-Unternehmer
Jaron Lanier, Craig Newmark vom Online-Kleinanzeigen-Dienst Craigslist,
Philosoph oder derPhilosoph und Internet-Marketing-Pionier David
Weinberger.
Vor allem aber: Wäre da nicht die Leidenschaft, mit der Arianna
Huffington spricht. Obwohl sie längst in jedem Interview und
auf jedem Podium dasselbe erzählt, tut sie das noch immer mit
Inbrunst. Sie meint es ernst, wenn sie gegen den Krieg im Irak wettert,
und sie meint es ernst, wenn sie auf die amerikanische Vorliebe
für benzinschluckende Geländewagen schimpft. Die Show
scheint ihr Charakter zu sein. Bei der Burda-Konferenz "Digital
Life Design" (DLD) im Januar 2007 saß Huffington
für das Panel "Where are the Editors?" auf der Bühne.
Als eine Bloggerin aus dem Publikum von Problemen mit einer Firma
berichtete, die Einfluss auf die Berichterstattung ihres Blogs zu
nehmen versuchte, sah man Huffingtons Kampfeslust geweckt: "Play
hard ball!", war ihr Rat für die Bloggerin. Es fehlte
nicht viel, und sie hätte der Bedrängten Unterstützung
durch die Stimme der Huffington Post angeboten.
Die Huffington Post – mehr als nur ein Haufen Promi-Blogger
Und diese Stimme ist gewichtig. "Ich verliebte mich ins Bloggen,
als ich sah, welche Macht es einem einzigen Menschen gibt",
erzählte Huffington in einem Interview,
das Focus-Online-Chefredakteur Jochen Wegner auf ebenjener Konferenz
mit ihr führte. Doch die Macht eines Einzelnen hat ihr offensichtlich
nicht genügt. Die Huffington
Post startete mit 300 Autoren, war von Anfang an viel mehr als
nur ein Gruppenblog oder Blognetzwerk. Neben Hollywoodgrößen
wie John Cusack oder Mia Farrow waren Senatoren dabei, ehemalige
Gouverneure, Umweltaktivisten, ein Literaturprofessor. Eine umso
beeindruckendere Liste, da keiner der prominenten Blogger bezahlt
wurde – bis heute gibt es fürs Bloggen bei der "HuffPo"
kein Honorar. Aufmerksamkeit jedoch, die übliche Ersatzwährung,
haben diese Leute nicht mehr nötig. Ihr Bloggen ist also nicht
nur ein traumhaftes Geschäftsmodell für Arianna Huffington
und ihre Investoren, sondern zumindest in Teilen politisches Handeln.
"Raise your voice!" hörte man schon rund um die Oscar-Verleihung
2003 in Los Angeles, eine Aufforderung an die Prominenten des traditionell
demokratischen Hollywood, ihre Stimme gegen George W. Bush und seine
Politik zu erheben.
Dass die VIP-Riege der HuffPo-Autoren kostenlos schreibt, ist wohl
dennoch vor allem der Networkerin Huffington zu verdanken. Ein "menschliches
Blog" nannte das New
York Magazine sie: Als würde sie mit jedem Handschlag einen
Link setzen, mit jeder Umarmung einen Kommentar abgeben, bei jedem
Kuss in die Luft neben der Wange einen Trackback hinterlassen. So
brachte sie auch den fast 90-jährigen Arthur Schlesinger jr.
zum Bloggen. Der ehemalige Kennedy-Berater und zweifache Pulitzer-Preisträger
konnte sich zwar nicht vorstellen, dafür einen Computer anzurühren,
aber bis zu seinem Tod vor wenigen Monaten kamen seine Blogeinträge
trotzdem ins Netz: per Fax und abgetippt von Mitarbeitern der HuffPo.
Die Marke Huffington
Trotz aller Prominenz der beteiligten Blogger ist die Huffington
Post auf ihre Gründerin ausgerichtet – angefangen beim Namen,
endend bei einer Rubrik wie "Fearless
Voices", die thematisch eng verknüpft ist mit Huffingtons
aktuellem Buch "On Becoming Fearless … in Love, Work, and
Life". Diese Fokussierung auf eine Person muss man ertragen
können.
Arianna Huffington ist ein "Brand", eine Marke wie die
Hausfrauen-Ikone Martha Stewart oder Talkmasterin Oprah Winfrey
– in deren Show sie selbstverständlich auch schon saß,
ebenso wie bei Larry King. Arianna Huffington schreibt noch immer
eine wöchentliche Kolumne, die landesweit in Tageszeitungen
erscheint. Man kann sich bestens vorstellen, wie sie im kalifornischen
Gouverneurswahlkampf 2003 agiert hat, als sie gegen Arnold Schwarzenegger
antrat. "The Hybrid vs the Hummer" war ihr Slogan. Eine
Anspielung auf ihren umweltfreundlichen Toyota und den gefräßigen
Armeegeländewagen des Ex-Action-Darstellers. Besonders erfolgreich
war ihr Wahlkampf dann zwar nicht. Als sie ihre Bewerbung schließlich
zurückzog, um die Gegenkandidaten zu unterstützen, lag
sie in Umfragen zwischen ein und zwei Prozent. Geschadet hat das
Ergebnis der Selbstvermarkterin Huffington aber nicht und ihren
politischen Eifer dämpfen konnte es erst recht nicht: 2004
trat sie mit Verve für den demokratischen Präsindetschaftsbewerber
John Kerry ein. Der Einfluss der HuffPo auf den Präsidentschaftswahlkampf
2008 könnte beträchtlich werden.
Zusammen mit NewsAssignment,
einem Bürgerjournalismus-Projekt des New Yorker Journalistik-Professors
Jay Rosen, will Huffington für jeden der Präsidentschaftskandidaten
ein eigenes Watchblog aufbauen. Experten aus dem HuffPo-Umfeld,
aber auch externe Blogger sollen sich auf je einer Plattform pro
Kandidat noch den detailliertesten Aspekten des Wahlkampfes widmen.
Im November 2006 wurden eine ehemalige Newsweek-Reporterin und vor
wenigen Tagen ein Professor der Columbia University als Politikredakteure
angeheuert, Investigativjournalisten sollen folgen – die HuffPo
als professionalisierte (und liberale) Variante des Online-Nachrichtendienstes
DrudgeReport.
Schon im Fall Judy
Miller, die als Journalistin der New York Times dem Weißen
Haus nach dem Mund schrieb, war die Huffington Post treibende Kraft.
Dagegen verblasst "Clooneygate", der einzige nennenswerte
Skandal, der die HuffPo selbst betrifft: Aus Zitaten von George
Clooney hatte Arianna Huffington einen Blogeintrag gezimmert und
– immerhin nach Vorlage bei seiner Agentur – unter seinem Namen
veröffentlicht.
Die Berichterstattung der New York Times vor dem Irak-Krieg dient
Huffington immer wieder als Negativbeispiel, wenn es um die Konkurrenz
von alten und neuen Medien geht. Von einem "Entweder/Oder"
hält sie nichts. Es werde immer gedruckten und Onlinejournalismus
geben, so Huffington. allerdings sei der Job der Onliner zurzeit,
die traditionellen Massenmedien daran zu erinnern, ein paar Grundregeln
des Journalismus wieder zu beachten. "Delivering News and Opinion
since 9 May 2005" steht auf der Website der Huffington Post,
und insbesondere die Meinung liefert Arianna Huffington. Auf Platz
5 der meistverlinkten Blogs der Welt hat die HuffPo es in zwei Jahren
geschafft, auf drei Millionen Besucher und zehnmal soviele Seitenaufrufe
im Monat. Dieses Jahr soll sie schwarze Zahlen schreiben. Das Geschäftsmodell
heißt im wesentlichen Werbung, denn, so die Gründerin
auf dem DLD-Podium: "Premium [content] doesn’t work unless
you are selling porn – especially weird porn." Die Lacher waren
auf ihrer Seite – Arianna Huffington hatte wieder mal ein paar menschliche
Trackbacks versendet.