Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Bundestag kommt, der Unterausschuss Neue Medien ist auf dem Weg, neue Arbeitsgruppen in den Fraktionen sind gegründet und erste „Schnellboote“ werden auf netzpolitische Gewässer gelassen. Welche Abgeordneten an Bord sind, ist langsam abzusehen. Ein Rundgang durch die Fraktionen und Parteien, auf der Suche nach den neuen Netzpolitikern.
FDP
In allen Fraktionen werden die Sprecher für Kultur und Medien in Zukunft von netzpolitischen Anfragen verschont bleiben. Die FDP plant zwar noch nicht, einen offiziellen Sprecher für Netzpolitik zu benennen. Erster Ansprechpartner ist jedoch der IT-Unternehmer Manuel Höferlin. Im September 2009 frisch in den Bundestag eingezogen, positionierte er die FDP in einer Stellungnahme zur Enquete-Kommission als „Schnellboot“ und „Tonangeber“ in Sachen Netzpolitik, ganz im Gegensatz zum „schwerfälligen Tanker“ des Koalitionspartners CDU.
Mittlerweile ist er zum Sprecher der neuen FDP-Fraktionsarbeitsgruppe „IT und Informationsgesellschaft“ berufen worden. In der AG sitzen unter anderem Abgeordnete mit einem beruflichen Hintergrund als IT-Unternehmer, -Berater oder Anwalt für Medienrecht. Die Fraktion will damit aus der jungen Garde von knapp 30 neuen Abgeordneten Kapital aus dem als Zukunftsthema erkannten Bereich „Internet und Politik“ schlagen.
Die Gefahr eines zu engen Blickfeldes auf das Gebiet Netzpolitik sieht Höferlin dabei nicht. Im Gespräch mit politik-digital.de bezeichnet er die Netzpolitik als Querschnittsthema, das ressortübergreifend bearbeitet werden soll. Die AG werde auch nicht so „netzaffinen“ Abgeordneten eine Anlaufstelle bieten. Zwar soll sie die Arbeit der Enquete-Kommission begleiten, sie richte ihren Fokus jedoch auch auf aktuelle tagespolitische Fragen. Wer die zwei Sitze der FDP in der Enquete-Kommission übernehme, stehe jedoch noch nicht fest.
Neben Höferlin könnten dort Sebastian Blumenthal oder Jimmy Schulz Platz nehmen. Als Mitglied des Ausschusses für Kultur und Medien, äußerte sich Blumenthal ebenfalls zur Enquete. Der neuen AG gehören er und Schulz als stellvertretende Vorsitzende an.
CDU/CSU
Der „schwerfällige Tanker“ CDU/CSU reagiert gelassen und bringt mit Michael Kretschmer einen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden als künftigen Netzpolitiker in Stellung. Der Görlitzer Wirtschaftsingenieur sitzt seit 2002 im Bundestag und ist Mitglied des Ausschusses für „Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.“ Kretschmer brachte dem Vernehmen nach den Antrag für die Enquete-Kommission mit auf den Weg und hatte zuletzt im Interview mit Spiegel Online eingeräumt, dass die Union netzpolitisch „ziemlich viel Lehrgeld bezahlt“ habe.
Kretschmer äußert sich auch verstärkt zu netzpolitischen Fragen. Zuletzt kommentierte er den geplanten Rückzug von Google aus China. Auch mit der Monopolstellung einzelner Unternehmen im Netz sowie der „Entwicklung in autoritär geführten Staaten“ soll sich die Kommission in Zukunft befassen.
Er ist bisher der Top-Anwärter auf den Posten des Obmanns der Enquete-Kommission. Informationen von politik-digital.de zufolge wird die Personalie im Laufe der ersten Februarwoche bekannt gegeben werden, zusammen mit dem finalen Antrag. Die entsprechende Person dürfte damit auch quasi netzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion werden. Ein erneuter „Unterausschuss für neue Medien“ befindet sich ebenfalls auf dem Weg.
SPD
Die Sozialdemokraten agieren bisher im Trio. Neben den zwei Berichterstattern zum Thema Netzpolitik in der Bundestagsfraktion, Martin Dörmann und Lars Klingbeil, wirbt Björn Böhning als Mitglied des Parteivorstandes für eine „neue Willkommenskultur“ und die gemeinsame Gestaltung sozialdemokratischer Netzpolitik im Gesprächskreis „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“.
Dörmann und Klingbeil sitzen als MdBs für die SPD im Ausschuss für „Kultur und Medien“, Dörmann zudem im Ausschuss für „Wirtschaft und Technologie“. Zwar hat der SPD-Sprecher für Kultur und Medien, Siegmund Ehrmann, die Reaktion auf die Enquete-Kommission mit unterzeichnet, netzpolitisch geäußert haben sich in der Vergangenheit jedoch vor allem Dörmann und Klingbeil. Dörmann hat im Dezember einen Antrag zur Aufhebung des Netzsperren-Gesetzes angekündigt und eigene Fehler eingeräumt: „Man muss auch die Möglichkeit haben, sich zu korrigieren.“
Über das weitere Vorgehen stimmt man sich nach Informationen von politik-digital.de derzeit in der Fraktion ab. Die SPD plant demnach, einen Sprecher für „Neue Medien“ aufzustellen, sobald der gleichnamige Unterausschuss wieder eingesetzt ist. Wer diese Rolle übernehmen wird, steht bisher ebenso wenig fest, wie die Teilnehmer der Enquete-Kommission. Heißester Kandidat dürfte Lars Klingbeil selbst sein, dessen Schlusswort in seinem Wahlkampfvideo 2009 lautete „… und ich bin Pirat, aber in der SPD.“
Linkspartei
Auch die Fraktion der Linkspartei hat Anfang Januar 2010 einen neuen Arbeitskreis „Netzpolitik“ gegründet und will darin die vielen Themenbereiche Rechtspolitik, Verbraucherschutz oder Bildung bündeln. Das sei bei so einem Querschnittsthema wie der Netzpolitik jedoch ein schwieriges Unterfangen, sagte der Referent für Medien und Netzpolitik, Dr. Jürgen Scheele, gegenüber politik-digital.de. Das Internet-Forum „Digitale Linke“ biete da einen geeigneteren Ort zum Austausch, als es die traditionellen Gremien oder Ausschüsse leisten könnten. Um der umfangreichen Aufgabe gerecht zu werden, wäre es für Scheele keine Überraschung, wenn die Enquete mit der Gründung eines Internet-Ministeriums ende.
Thematisch will sich die Partei „Die Linke“ für einen europäischen Dialog im Datenschutz einsetzen, sowie für solide Beschäftigungsverhältnisse in Branchen wie dem Online-Journalismus. Überlegungen, einen eigenen netzpolitischen Sprecher zu benennen, gebe es bisher noch nicht. Die zwei Vertreter der Linksfraktion in der Enquete-Kommission werden jedoch laut Scheele auch die ersten Ansprechpartner innerhalb der Fraktion werden. Die Entscheidung werde Anfang Februar öffentlich bekannt gegeben.
Eine Kandidatin könnte die stellvertretende Parteivorsitzende Halina Wawzyniak sein, die am Mittwoch den Antrag
zur Aufhebung des Netzsperrengesetzes mit eingebracht hat.
Grüne
Bereits weitgehend etablierte Strukturen haben die Grünen im Bundestag geschaffen. Dr. Konstantin von Notz ist offizieller Sprecher für Netzpolitik (hier im politik-digital.de-Videointerview). Er begrüßte in einer Pressemitteilung den von Google angekündigten Rückzug aus China und verfasste zusammen mit Bundesvorstands-Mitglied Malte Spitz die Stellungnahme zur Enquete-Kommission. Auf Anfragen von politik-digital.de hieß es, die Sitzverteilung in der Kommission stehe zwar noch nicht fest, Konstantin von Notz werde aber dabei sein.
Von Notz weist immer wieder darauf hin, die netzpolitische Diskussion auch auf europäischer Ebene zu führen. Malte Spitz nahm zuletzt an der Diskussion zum Leistungsschutzrecht in der Heinrich-Böll Stiftung „Gottes Werk und Googles Beitrag“ teil und setzt sich für das Modell einer Kulturflatrate ein.
Gruselige Vorstellung. Keiner von den Kandidaten der sich neu in das Netzleben einarbeitenden Politikern hat visionäre Kraft. Keiner fordert: “Wir wollen das Wissen der Menschheit ins Netz stellen und dafür sorgen, dass jeder darauf zugreifen kann.” (So wie man das früher mit öffentlichen Bibliotheken machte 😉
Aber alle haben was zu regulieren: Google, den Neuzugang, die Chinesen, die Journalisten. Meine Prognose: die werden ihre Zeit sinnlos in der Enquete-K. verschwenden und wenn sie dann wieder abstruse Gesetzentwürfe gebären, dann werden sie gesetzgeberisch-handwerklich wieder wie beim Zugangserschwerungsgesetz gegen die Bürger scheitern.