In knapp zwei Wochen wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Aktuelle Umfragen deuten auf einen Regierungswechsel in Hannover hin. Zusätzliche Bedeutung erhält die Wahl durch die sich möglicherweise verschiebenden Machtverhältnisse im Bundesrat, außerdem könnte die neue Sitzverteilung im Leineschloss als Fingerzeig für die Bundestagswahl im Herbst 2013 interpretiert werden. In einer Artikelreihe beleuchten wir das netzpolitische Wahlprogramm der Parteien: Wer ist wofür? Wer ist wogegen? Welche Themen werden nicht erwähnt?
Die Linke Niedersachsen hat die Erfahrungen des netzpolitischen Jahres 2012 in ihr Wahlprogramm einfließen lassen. Herausgekommen ist eine Sammlung sämtlicher Schlagwörter, die im Bereich Netzpolitik in ein modernes Wahlprogramm gehören. Leider fehlen oft genauere Ideen oder die Andeutung eines Verständnisses der Materie.
Hasst die schwarz-gelbe Landesregierung das Internet?
“Das Internet wird von den meisten Menschen in Deutschland regelmäßig zur Information, zur Kommunikation und zur Unterhaltung genutzt.”, so steht es im Wahlprogramm der Linke. Ein wahrer Satz, der leider nichts über das politische Verständnis des Mediums durch die Partei aussagt. Denn dieser Satz leitet einen Abschnitt ein, in dem steht, dass die schwarz-gelbe Landesregierung sich für Sperrinfrastrukturen einsetzt, ähnlich wie es Abkommen und Richtlinien wie ACTA oder IPRED vorhatten. Fazit für die Linke ist, dass das Internet durch die niedersächsische CDU und FDP gefährdet ist. Es kann angenommen werden, dass die Linke das nicht gutheißt. Dastehen tut es nicht.
Fest steht nur, dass die Landesregierung alles Schlechte für das Internet möchte. Ende der Netzneutralität, Ende des demokratischen Charakters des Internets, Ende davon, die Daten in offenen Formaten zur Verfügung zu stellen – alles, weil die Landesregierung nichts dafür oder viel dagegen tut. Es stimmt sicher, dass die Landesregierung die Möglichkeiten des Internets noch nicht bestmöglich nutzt – ob das die Linke anders machen würde und vor allem wie, steht aber auch nicht im Wahlprogramm.
Wie lässt sich Internetkompetenz messen?
Das Wort “Netzgemeinde” verursacht inzwischen immer starke Zweifel an der Kompetenz der Person oder Organisation, die das Wort benutzt. Die Linke schreibt, dass “in der Netzgemeinde (…) viele engagierte Programmiererinnen und Programmierer gut nutzbare Open-Source-Software, also Programme, deren Funktionsweise offen und transparent ist und die kein oder wenig Geld kosten”, erstellen. Das ist zweifellos richtig und vielleicht auch erwähnenswert. Aber es ist kein ausreichendes Argument für die Behauptung, dass die Landesregierung zu viel Geld für kommerzielle Software ausgibt und Monopolstrukturen fördert.
Das Wahlprogramm weist darauf hin, dass “viele Menschen in ländlichen Gegenden (…) bisher keinen brauchbar schnellen Zugang zum Internet” haben, “weil – anders als bei Strom, Wasser und Telefon – kein Anspruch darauf im Universaldienstkatalog steht”. Wie das geändert werden kann, wird an der Stelle aber nicht gesagt. Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm zumindest die Möglichkeit genannt, einen Breitband-Internetzugang als Universaldienst zu definieren. Mehr oder weniger interessant ist auch, dass soziale Netzwerke, Suchmaschinen und andere Anbieter_innen von Internetinhalten persönliche Daten sammeln und die erstellten Profile kommerziell verwerten und sich die Bürger_innen dagegen kaum wehren können, doch was kann dagegen getan werden? Kein Wort an dieser Stelle des Wahlprogramms.
Was DIE LINKE eigentlich will
Ist mensch am Ende der vielen Absätze angekommen, die der schwarz-gelben Landesregierung ohne viele Erklärungen eine Menge Schuld in die Schuhe schieben und die den Alltag im Internet arm an Informationen und genaueren Problembeschreibungen darstellt, findet sich eine Liste, was die Linke eigentlich alles möchte: “die Freiheit des Internets sichern und seine Chancen nutzen”.
Weit weg von Träumen der Regierungsbeteiligung, will die Linke nichts weiter als ″im Landtag folgende Forderungen stellen”:
– “Open-Data”-Offensive in Niedersachsen für mehr Transparenz von Regierung und Verwaltung,
– mit finanzieller Unterstützung des Landes ermöglichter kostenfreier Zugang in ein WLAN-Netz in allen Innenstädten und Dorfzentren, sowie ein kostenfreier Internetzugang in allen öffentlichen Einrichtungen und Einrichtungen der Jugendarbeit,
– Pilotprojekte zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Entscheidungen über das Internet,
– Einsatz von “Open-Source”-Software in allen öffentlichen Einrichtungen des Landes sowie die Begleitung der Kommunen, die in ihren Einrichtungen ebenfalls auf diese Software umsteigen wollen,
dazu noch diverse Bundesratsinitiativen für ein “Freies Internet ohne Zensur”, für die “Sicherung der Netzneutralität” und zur ″Aufnahme eines Breitband-Internet-Anschlusses von zunächst sechs Megabit pro Sekunde in den Universaldienstkatalog″. Wie und warum, außer dass das die schwarz-gelbe Landesregierung nichts dazu getan hat, wird leider nicht genannt.
Leider fehlt jegliche Beschreibung, was das denn im Einzelfall bedeuten soll und wie dies erreicht werden kann. Dürfen unter “Open-Data” veröffentlichte Daten des Landes Niedersachsen auch kommerziell genutzt werden? Setzt sich die Linke für eine Abschaffung der Störerhaftung ein, um ein freies WLAN zu ermöglichen oder wird der Datenverkehr über einen ausländischen Internetdienstanbieter geleitet? Denkt die Linke bei Pilotprojekten der Bürgerbeteiligung an Softwarelösungen wie Liquid Feedback? Gibt es einen Plan, wie die Umstellung auf “Open-Source”-Software in allen öffentlichen Einrichtungen erfolgen kann, der die bisherigen Erfahrungen anderer Kommunen berücksichtigt?
Fazit
Die niedersächsische Linke benennt viele Probleme, scheint sich aber kaum mit ihnen näher auseinandergesetzt zu haben. Forderung nach einem barrierefreien Internet, eine “Open-Data”-Offensive oder ein freies WLAN sind nett klingende Forderungen, sie allein im Landtag ansprechen zu wollen und keine eigenen Ideen dazu zu haben, ist aber nicht ausreichend.
Disclosure: Der Autor ist neben seiner Tätigkeit als Blogger und Journalist auch Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen Berlin.
Hier finden Sie das Programm der FDP im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm der Piratenpartei im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm von Bündnis 90 / Die Grünen im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm der CDU im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm der SPD im Netzpolitik-Test.
“Der Autor ist neben seiner Tätigkeit als Blogger und Journalist auch Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen Berlin.”
Sorry, nix dagegen, wenn Journalisten ne Meimnung haben. Aber jemanden, der so eine Position bekleidet, im Wahlkampf über die parteipolitische Konkurrenz schreiben zu lassen, geht meiner Meinung gar nicht.
Ich verstehe ihre Bedenken und sicherlich bin auch ich nicht frei von eigener Meinung, allerdings bin ich bei den Berliner Grünen, habe keine Beziehung zu Niedersachsen und beschäftige mich sehr intensiv mit Netzpolitik. Einen sachlichen Fachblick traue ich mir deshalb auch ohne parteipolitische Brille zu und habe ich auf Politik-Digital.de, aber auch Carta.info und anderen Portalen stets bewiesen.
Auf netzpolitische “Verfehlungen” meiner Partei und grüner Abgeordnete habe ich auf mein Blog Isarmatrose.com stets offen und schmerzfrei hingewiesen. Dies ist auch für mich und meine Arbeit in der Partei nicht immer einfach, aber für mich gibt es noch keine linke oder rechte Netzpolitik, sondern vor allem gute oder schlechte Netzpolitik.
Den am Ende des Textes verlinkten Texten zur SPD und CDU können sie entnehmen, dass ich bisher auch als Grüner bei allen Parteien lobende Punkte gefunden habe und die ehrlich benannt habe. Texte zur FDP, den Piraten und den Grünen folgen noch. Die Linke und die SPD haben sich auf Twitter trotz der Kritik freundlich über die Texte geäussert.
Da meine Einschätzungen sich auf Dokumente beziehen, ist es leicht zu überprüfen, ob dieses Thema wirklich fehlt oder ob diese Forderung wirklich da steht. Für Hinweise auf Fehler bin ich natürlich dankbar. Die Worte hier sind nicht gedruckt, ich korrigiere gerne. 🙂