In einer Online-Petition fordern Parteimitglieder der Grünen eine Erklärung ihrer Kollegen bezüglich ihres Abstimmungsverhaltens zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen. Nach der SPD spürt nun eine weitere Bundestagspartei intern die politischen Auswirkungen einer netzfernen Politik.

Die Sachlage war eigentlich klar: Die Grünen sprachen sich in ihrem Beschluss der letzten Bundesdelegiertenkonferenz gegen die geplanten Netzsperren aus, dem Gesetz gegen Kinderpornographie im Internet sollte im Bundestag nicht zugestimmt werden. Tatsächlich stimmte auch kein einziges Mitglied der Fraktion am 18. Juni für das Gesetz. Jedoch waren scheinbar nicht alle vollends dagegen: 15 Enthaltungen gab es aus den Reihen der grünen Abgeordneten.

Protest durch Petition

Enttäuscht von dem überraschenden Abstimmungsverhalten fordern nun einige Parteimitglieder, angeführt von Julia Seeliger, eine öffentliche Stellungnahme der betroffenen Kollegen – und das unter Zuhilfenahme der Öffentlichkeit. Durch das Zeichnen einer entsprechenden Online-Petition – der "grünenPetition" (gPetition) – soll Druck auf die Abweichler ausgeübt werden, sich zu erklären und der öffentlichen Debatte zu stellen. Aktuell finden sich dort schon über 300 Unterzeichner.

Die Nachbeben der heftig debattierten Netzsperren in der Parteienlandschaft nehmen somit vorerst kein Ende. Neben den Grünen bescherte es auch der SPD einige Querelen. So verließ nach Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss die Partei und wechselte zu den Piraten. Andere Mitglieder, wie zum Beispiel Björn Böhning oder Thorsten Schäfer-Gümbel, äußerten offen ihre Bedenken gegen eine Zustimmung der SPD-Fraktion zur Gesetzesvorlage. Zudem stellte auch der von der Partei viel beworbene Online-Beirat der SPD seine Arbeit ein und ging mit seiner Kritik an die Öffentlichkeit.

Twitterndes Gewissen

Während jedoch die Grünen sich in der Öffentlichkeit kritisch mit dem eigenen Abstimmungsverhalten auseinandersetzen, wird bei der SPD versucht, das Thema tot zu schweigen. Auf dem letzten Bundesparteitag wurde das Gesetz weitestgehend und ohne echte Diskussion ausgeklammert. Bisher erfolgte auch keinerlei öffentliche Reaktion der Parteiführung auf die offenen Briefe und das Statement des Online-Beirats.

Der sich häufende parteipolitische Web-Protest zeigt, wie die netzaffinen Abgeordneten und Parteimitglieder bei diesen Themen nicht mehr nur der Parteivorgabe, sondern immer mehr ihrem Gewissen folgen. Und ihre abweichende Meinungen auch öffentlich – und Zielgruppen-orientiert –  propagieren. Merkmale, die für die Web-2.0-Community selbstverständlich und kennzeichnend sind. Die Parteien lernen diese besondere Eigenschaft der Internet-User nun in den eigenen Reihen kennen. Und werden sich längerfristig damit arrangieren müssen.

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