Das soziale Netzwerk StudiVZ hat angeblich weit über fünf Millionen eindeutige Nutzer. Im vergangenen Wahlkampf noch war der hessischen Politik das weitgehend egal, gerade das Studentenportal wurde sträflich vernachlässigt. Obwohl der Wahlkampf 2008 sehr stark auf die Bildungspolitik und nicht zuletzt auf die Frage nach den Studiengebühren fokussiert war, konnte von einer Kampagne in dem Studentennetzwerk keine Rede sein. Jetzt bewegen sich die Kandidaten.
Im Wahlkampf 2009 zur Neuwahl des hessischen Landtags nutzen immerhin zwei Fraktionen die sozialen Netzwerke in erwähnenswerter Art. Der im Internet mittlerweile fast omnipräsente Thorsten Schäfer-Gümbel als Spitzenkandidat der hessischen SPD fehlt eigentlich in keinem wichtigen Sozialen Netzwerk. Auch die hessischen Grünen mit ihren Spitzenkandidaten Kordula Schulz-Asche und Tarek Al-Wazir entdecken in diesem Wahlkampf behutsam die neuen Möglichkeiten.
Schäfer-Gümbel hat die meisten Freunde
SPD-Wahlkämpfer Schäfer-Gümbel stellt dabei rein quantitativ den Vorsprung auch recht deutlich klar. Mittlerweile fast 1500 Bekanntschaften hat er bei wer-kennt-wen.de, einem Netzwerk, dass keine bestimmte Nutzergruppe anspricht und damit ebenfalls um die fünf Millionen Nutzer haben soll.
Die größte Wachstumsrate seiner Kontakte kann der SPD-Spitzenkandidat aber beim Kurznachrichten-Dienst Twitter vorweisen, wo er innerhalb einer Woche mehr als 1200 Abonnenten seiner Nachrichten erreichen konnte. Twitter ist eine Kombination aus den mittlerweile bekannten Weblogs und den SMS-Kurznachrichten vom Handy. Konkret kann man auf Twitter 140 Zeichen lange Kurznachrichten ins Internet stellen, deren Inhalt bei den Nutzern absolut verschieden ist. Während einige twittern, dass sie sich gerade die Schuhe binden, schreiben andere vielleicht über einen interessanten Fund im Internet.
Der bekannteste hessische Politiker bei Twitter ist also Thorsten Schäfer-Gümbel, seit dem er am 5. Januar relativ spät im Wahlkampf damit begonnen hat. Bisher ist die Resonanz auf seine Nachrichten eher positiv, auch wenn die Kritik an zu wenigen Inhalten oder Zweifel an seiner Authentizität nicht abreißen.
Auch die Grünen twittern
Aber auch Kordula Schulz-Asche, die Spitzenkandidatin der hessischen Grünen twittert und das bereits seit dem 13. Dezember. Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten ob der geeigneten Nutzung des Dienstes taut Schulz-Asche mittlerweile immer weiter auf und kommuniziert mit ihren Lesern und Freunden. Vielleicht liegt es daran, dass ihr Kreis von Freunden mit etwas mehr als 150 wesentlich kleiner ist als der von Schäfer-Gümbel, doch ihre Nachrichten sind tatsächlich etwas direkter und glaubwürdiger.
Im Sozialen Netzwerk Facebook sind die Hessen-Grünen ebenfalls vertreten, können aber quantitativ nicht die Unterstützung des Schäfer-Gümbel vorweisen. Schulz-Asche nutzt die Plattform eher im eigentlichen Sinne als Freundesnetzwerk und ist dabei aktiver als ihr Grünen-Kollege Al-Wazir. Dieser aber nutzt die Politiker-Funktionen von Facebook besser und versorgt seine „Unterstützer“ mit Termininformationen und Mitteilungen zu seinem Wahlkampf.
Bei der erwarteten Authentizität wird zu unterscheiden sein zwischen den sozialen Netzwerken à la Facebook oder Wer-kennt-wen.de und den direkteren Kommunikationskanälen wie Twitter. In den Freundesverzeichnissen werden die Anhänger nicht von einer direkten Reaktion ihres Politikers ausgehen können. Bei Twitter, in einem Blog oder bei YouTube allerdings ist die Echtheit des Engagements Grundvoraussetzung, um von den Nutzern ernst genommen zu werden. Bei Schäfer-Gümbel ist erneut zu sehen, wie fein das Gespür der Netzgemeinde dafür ist.
Christian Jung und Malte Krohn. Die Autoren studieren Politik- und Sozialwissenschaften an der Universität Gießen und untersuchen den Internetwahlkampf bei der Hessenwahl 2009 auf ihrem Blog www.homopoliticus.de