"Mein Wahlkreis, meine Politik, mein
Bürgerbüro": Die Homepages von 31 Ex-Bundestagsabgeordneten leben
auch nach Abwahl oder Ausscheiden ihrer Inhaber aus dem Parlament weiter – inklusive aktueller Nachrichten, offizieller E-Mail-Adresse, Bundesadler und Amtsbezeichnung. Diese Schlampigkeit verwirrt nicht nur Bürger, sondern ist unter Umständen als Amtsanmaßung strafbar.

"Laurenz Meyer, Mitglied des
Bundestages, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wirtschaft und
Technologie der CDU/CSU": Der Titelkopf von laurenz-meyer.de klingt
offiziell, ist es aber nicht. Der ehemalige CDU-Generalsekretär hat
nämlich seinen Wahlkreis Hamm-Unna II und sein Bundestagsmandat
verloren. Auf Meyers Internetseite findet sich darüber jedoch kein
Wort. Besonders verwirrend ist, dass eine Software das tagesaktuelle
Datum auf der Geisterseite anzeigt und im rechten Frame automatische
Tickermeldungen aus der Unionsfraktion Aktualität vortäuschen.

Screenshot von laurenz-meyer.de

Screenshot von laurenz-meyer.de

Amtsanmaßung?

Die Regeln sind jedoch eindeutig:
Mitglied des Bundestages oder das Kürzel MdB als Namenszusatz sind
eine amtliche Bezeichnung und stehen nur den aktuell gewählten
Volksvertretern zu. Laut Paragraph 132a des Strafgesetzbuches wird
das unbefugte Führen vom Amts- und Dienstbezeichnungen mit bis zu
einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet.

31 falsche MdBs online

So wie laurenz-meyer.de führen nach
Recherchen von politik-digital.de die Homepages von ingesamt 31
abgewählten oder ausgeschiedenen Abgeordneten zwei Monate nach der
Bundestagswahl immer noch ein Zombie-Dasein. Darunter sind
hauptsächlich Unions- und SPD-Politiker und einige von der
Linkspartei. Der SPD-Politiker Stephan Hilsberg verlinkt
beispielsweise noch immer seine elektronische Bürgersprechstunde und
wirbt für seine neu gestaltete Homepage
.

Die Homepage als Archiv deklariert

Andere Ex-Abgeordnete haben jedoch
schon reagiert und – wo sich der MdB-Hinweis nicht ohne Aufwand aus
der Seite entfernen ließ – zumindest auf der Startseite einen
Hinweis auf das Ende ihrer Bundestagskarriere veröffentlicht. Geschickt hat sich zum Beispiel die SPD-Politikerin Nina Hauer aus der Affäre gezogen: Die Seite nina-hauer.de wurde per
Button zum Archiv erklärt.

Screenshot von nina-hauer.de

Screenshot von nina-hauer.de

Die Liste der "Zombies" (Stand
26.11.2009):

Gerhard Botz (SPD)

Carl-Christian Dressel (SPD)

Annette Faße (SPD)

Horst Friedrich (FDP)

Renate Gradistanac (SPD)

Wolfgang Grotthaus (SPD)

Stephan Hilsberg (SPD)

Nele Hirsch (Die Linke)

Gerd Höfer (SPD)

Hubert Hüppe (CDU)

Brunhilde Irber (SPD)

Hakki Keskin (Die Linke – hier gibt es versteckt unter Aktuelles einen Hinweis auf das Mandatsende)

Christian Kleiminger (SPD)

Hans-Ulrich Krüger (SPD)

Helga Lopez (SPD)

Laurenz Meyer (CDU)

Gesine Multhaupt (SPD)

Detlef Parr (FDP)

Peter Harald Rauen (CDU)

Christel Riemann-Hanewinckel (SPD)

Kurt J. Rossmanith (CSU)

Peter Rzepka (CDU)

Hermann-Josef Scharf (CDU)

Bernd Schmidbauer (CDU)

Reinhard Schultz (SPD)

Kurt Segner (CDU)

Matthäus Strebl (CSU)

Rainer Tabillion (SPD)

Jella Teuchner (SPD)

Lydia Westrich (SPD)

Willy Wimmer (CDU)

 

Unter Mitarbeit von Jörg Knocha.