Startschuss für die gamescom 2012 in Köln. Von heute an (re-)präsentieren mehr als 600 Aussteller aus 40 Ländern vier Tage lang die Welt der interaktiven Unterhaltungselektronik. Mit dabei die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Arne Busse, bpb-Referent im Fachbereich “Politikferne Zielgruppen”, erklärt im Interview, was die bpb auf der gamescom zu suchen hat und welche Chancen durch das Medium Computerspiele entstehen.

politik-digital: Herr Busse, Sie sind Referent in der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb im Fachbereich “Politikferne Zielgruppen”. Fallen “Gamer” unter diese Gruppe?

Arne Busse: Nein, natürlich nicht zwingend. Meines Erachtens ist das Thema “Gaming” für die politische Bildung deshalb bedeutsam, weil Computerspiele ein sehr interaktives, multimediales und unterhaltungsorientiertes Medium sind. Gerade für Menschen, denen durch die — sagen wir mal — klassischen Formate der politischen Bildung, das gedruckte Wort oder ein Seminar, kein Zugang zu Politik und politischen Themen eröffnet werden kann, bieten “Games” und auch computerspielbasierte Lernangebote, bessere Möglichkeiten, zu entdecken, dass hier durchaus ganz viel Politik enthalten ist.

politik-digital: Die bpb ist nun seit einigen Jahren mit einem eigenen Stand auf der gamescom vertreten. Wie sieht Ihre Arbeit vor Ort aus? Welche Themen stehen dabei im Fokus?

Arne Busse: Im Mittelpunkt stehen unsere Angebote zum Themenfeld: allen voran spielbar.de das interaktive Internetangebot zu Computerspielen der bpb, das mit einer eigenen Jugendredaktion, mit vielen Aktionen am Stand und auf der Speaker’s Corner Bühne vertreten sein wird. Zur gamescom starten wir auch die Facebook-Seite von spielbar.de (also bitte liken, teilen usw.). Am Freitag veranstalten wir mit unseren Partnern wieder eine Pädagogen-LAN, in der wir interessierten Kollegen und Kolleginnen das Eltern-LAN-Konzept vermitteln. Gleichzeitig präsentiert sich das Magdeburger Projekt MyVideoGame am bpb-Stand. Am Messesamstag gibt es dann zusammen mit der Initiative Creative Gaming einen Workshop rund um „Games&Movies“ und kreatives Gaming.

politik-digital: Dem Gamer wird laut Klischee nachgesagt, dass er sich kaum für die reale Welt interessiert. Wie versuchen Sie, die Zielgruppe “Gamer” für medienpädagogische oder politische Anliegen zu begeistern? Was waren Ihre Eindrücke aus den letzten Jahren?

Arne Busse: Das ist eigentlich schon ein Thema für ein sehr dickes Buch. Kurz gefasst würde ich sagen: die im Zusammenhang mit den Morden in Emsdetten und Winnenden/Wendlingen geführten öffentlichen Diskussionen haben zu einer Stigmatisierung von vielen Computerspielern und -spielerinnen geführt. Andererseits ist vielen wohl auch deutlich geworden, dass Gaming eine Freizeitbeschäftigung ist, die nicht in einem gesellschaftspolitisch neutralen Raum stattfindet. Dies hat dann auch dazu geführt, dass viele Gamer sich sehr viel stärker mit Jugendmedienschutzfragen auseinandersetzen und dass sie vor allem sehr bewusst ihre Sicht auf Computerspiele in die gesellschaftliche Debatte hinein tragen. Ein Beleg hierfür ist beispielsweise die Gründung des Verbandes für Deutschlands Video- und Computerspieler 2009. Genau diesen Aspekt, die gesellschaftspolitische Dimension von Medien immer wieder in den Blick zu rücken, entspricht auch unserer Herangehensweise. Dabei versuchen wir immer alle Generationen „mitzunehmen“ und die unterschiedlichen Perspektiven zusammenzubringen.

politik-digital: In der Vergangenheit gab es immer wieder Vorstöße von Ministerien, Politik spielend begreiflich zu machen. Ergibt das Ihres Erachtens Sinn?


Arne Busse: Es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, dass Computerspiele gute Lernangebote sein können. Computerspiele sind interaktiv, sie erlauben direktes Feedback und Erfolgskontrolle und dies multimedial. Computerspiele ermöglichen erfahrungsbasiertes Lernen, also eine wiederholbare Abfolge von Versuch und Irrtum. Das Spielen/Lernen erfolgt problem- und handlungsorientiert sowie involvierend. Das heißt, die Spielenden befinden sich in einer Lernumgebung, die sie als authentisch und herausfordernd und deshalb als hochrelevant für sich selbst ansehen. Lernen, das Spaß macht, ist letztlich das Ziel.

politik-digital: Zur gamescom wird es auch einen Kongress geben, der sich u.a. mit dem Thema “Videospiele als Kulturgut” befasst. Wie stehen Sie zu diesem Thema und was erhoffen Sie sich von diesem Kongress?

Arne Busse: Die insbesondere vom Deutschen Kulturrat getragene Initiative für eine Anerkennung von Computerspielen als Kulturgut war sicherlich überfällig. Die gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass digitale Spiele ebenso Teil unserer Kultur sind wie Kartenspiele und Brettspiele und dass mittlerweile Games in allen Altersgruppen und Milieus verbreitet sind, sollte uns aber nicht davon entlasten, immer wieder auch die Frage der ästhetischen Qualität zu diskutieren. Digitale Spiele sind technologisch sehr avancierte Formen der Unterhaltungskultur, ästhetisch sehe ich noch viel Entwicklungsmöglichkeiten.

politik-digital: Die bpb arbeitet mit der Initiative Creative Gaming zusammen, die einen etwas anderen Blick auf Computerspiele anstrebt. Wie sieht die Kooperation zwischen der bpb und der Initiative Creative Gaming aus? Hat die Gesellschaft hierzulande ein falsches Bild von Computerspielen?

Arne Busse: Es gibt nicht das eine Bild von Computerspielen, genauso wenig wie es das eine Spiel gibt. Das Medium Computerspiele umfasst heute eine sehr, sehr große Zahl von Spielen. Da gibt es die „Casual Games“ für zwischendurch, „Browser“ oder „Flash Games“ sowie mobile Handy- und Konsolenspiele. Auf der einen Seite gibt es die großen mit viel Aufwand und langer Entwicklungszeit produzierten Titel, so wie GTA IV, die dann unter erheblichem Erfolgsdruck auf den Markt kommen und auf der anderen Seite ganz kleine, die unerwartet ein sehr großes Publikum und entsprechenden Absatz finden wie z.B. das iOS-Spiel „Tiny Wings”.Es lohnt sich also auf alle Fälle genauer hinzuschauen, Produzenten wie Produkte sind mittlerweile sehr ausdifferenziert. Und längst nicht jedes Spiel muss auch so gespielt werden, wie es die Produzenten vielleicht erwarten. Das ist der „Creative Gaming“-Ansatz: einen kreativen Umgang mit Computerspielen zu entdecken und zu fördern und zwar auf der Seite der Spielenden, nicht der Spielehersteller. Da wird dann ein Shooter fürs Ballett tanzen „missbraucht“, mit SIMS Filme gedreht und in GTA “Carsurfing” betrieben. Ziel ist also nicht immer den Highscore zu verbessern,sondern es kann auch Ziel sein, die eigene Kreativität zu entdecken. Um diesen Ansatz zu unterstützen und auch weiter zu entwickeln, kooperieren wir seit 2008 mit der Initiative Creative Gaming bei der Durchführung von Workshops wie hier auf der gamescom oder beim “play-Festival”.

politik-digital: Herr Busse, Sie betreuen u.a. spielbar.de, eine interaktive Plattform der bpb zum Thema Computerspiele, die einerseits informiert und pädagogische Beurteilungen über Computerspiele verfasst und andererseits Raum bietet für den Dialog zwischen Gamern, Pädagogen und insbesondere Eltern. Wie versuchen Sie bei spielbar.de, die zum Teil emotional geführte Debatte über Computerspiele auf ein konstruktives Level zu heben? Welche Erfolge können Sie bereits verbuchen?

Arne Busse: Wir verfolgen im Grunde einen klassischen Ansatz der politischen Bildung: wir wollen Informationen bieten, Orientierungswissen vermitteln, letztlich Aufklärung und dabei aber möglichst viele Perspektiven einbringen. Nicht nur der Gamer, sondern auch die medienpädagogische Sicht, die Sicht des Jugendschutzes, der Eltern usw. Spielbar.de führt diese Gruppen zusammen, indem sie allen gleichermaßen ein Angebot macht, Informationen anbietet und Kommentierungs- und Diskursmöglichkeiten eröffnet, sei es direkt auf der Seite oder bei den Veranstaltungen, wie der Eltern-LAN-Veranstaltungsreihe. Ohne dies allein als Erfolg unserer Arbeit verbuchen zu wollen, würde ich doch sagen, dass eine Versachlichung der Diskussionen zu erkennen ist. Die Kontroverse zwischen einer älteren, eher nicht game-affinen Generation und der jüngeren, spielenden ist noch vorhanden, aber sie wird nicht mehr mit dieser Vehemenz ausgetragen. Es ist auf beiden Seiten viel Neugier und Offenheit da.

politik-digital: Zum Abschluss noch eine Frage zu der Thematik “Killerspiele”. Haben Ego-Shooter Ihres Erachtens einen so stark negativen Effekt auf Jugendliche, wie es oft in den Medien dargestellt wird?

Arne Busse: Ich bin in keiner Weise ein Experte für Medienwirkungsforschung. Natürlich versuche ich, den wissenschaftlichen Diskurs zu verfolgen und habe den Eindruck, dass in der Wissenschaft wie auch in der öffentlichen Diskussion die Annahme, dass das Spielen gewalthaltiger Spiele alleinige Ursache von Gewalt sein kann, nicht mehr vertreten wird. Gleichwohl gibt es Hinweise auf Wirkungen, die ernst zu nehmen sind, die weiter erforscht werden sollten. Wir müssen uns aber vermutlich auch klar machen, dass eine eindeutige Antwort sich nicht finden lassen wird.
Wir versuchen jedenfalls Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen darin zu bestärken, dass sie ihre Erziehungskompetenz und -verantwortung nicht aus der Hand geben sollen. Letztlich müssen sie darüber entscheiden, ob ihr Kind oder ein anvertrauter Jugendlicher mit den genutzten Medien souverän umgehen kann.

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Arne Busse (geb. 1966) ist wissenschaftlicher Referent der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Er verantwortet im Fachbereich Politikferne Zielgruppen, Bereich Medienpädagogik u.a. spielbar.de, die interaktive Plattform der bpb zum Thema Computerspiele und das Arbeitsfeld computerspiel-basierte Lernangebote.

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