Der finnische Internet-Minister Olli-Pekka Heinonen hat sein Volk
ins Netz gebracht.

Wie der finnische Politiker Olli-Pekka Heinonen
sein Volk ins Netz brachte

Daran, einmal Politiker oder gar Minister zu werden,
hatte der 35 Jahre alte, stets ruhig wirkende, blonde
Lehrer und Jurist eigentlich nie gedacht. Nun ist er es
schon mehr als fünf Jahre. Und Olli-Pekka Heinonen,
zuständig für Bildung und Wissenschaft hat beste
Aussichten, auch nach den Wahlen am kommenden
Wochenende wieder Regierungsverantwortung zu
übernehmen. Umfragen zufolge ist der
"Internet-Minister" nämlich Finnlands beliebtester
Politiker. Heinonen gelang das Kunststück innerhalb
kurzer Zeit, fast eine ganze Nation ins Internet zu
bringen. "Wir wollten nicht, daß eine neue Technik die
Gesellschaft in zwei Klassen teilt", sagte der rührige
Politiker im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.
Heute gehören in Finnland E-Mail-Adresse und
Mobilfunknummer so selbstverständlich auf die
Visitenkarte wie hierzulande Straße und Postleitzahl.

Olli-Pekka Heinonen

Olli-Pekka Heinonen

Um die Nation Ende der 80er Jahre aus tiefer
Rezession und hoher Arbeitslosigkeit herauszuführen
und in eine hochtechnisierte Industrie-Gesellschaft zu
verwandeln, machte das Land mit seinen 4,5 Millionen
Einwohnern enorme Geldmittel locker. "Allein seit 1996
investierte die Regierung rund 80 Millionen Mark in den
Aufbau von Netzwerken und Internet-Zugängen." Die
Regionen legten noch einmal die gleiche Summe
obendrauf und tragen auch die Folgekosten. "Das ist
eine Menge Geld für unser kleines Land." Während
Industrienationen wie Deutschland ihre Aufwendungen
für Forschung und Entwicklung zurückschraubten,
investiert Finnland knapp drei Prozent vom
Bruttosozialprodukt (Deutschland 2,3 Prozent). "Wir
bieten jedem Bürger ein Joint Venture für seine
berufliche Zukunft an. Der Umgang mit dem PC ist
genauso wichtig wie das Lesen und Schreiben." Das
ehrgeizige Programm läuft jetzt seit knapp drei Jahren,
und 90 Prozent der 4000 finnischen Schulen sind
schon vernetzt. Der Computer-Unterricht beginnt
bereits in der ersten Klasse. "Um die Schüler für die
neue Technik zu begeistern, mußten wir zunächst die
Lehrer animieren, ‘alte Inhalte’ mit modernen
Hilfsmitteln zu vermitteln", sagt der Minister mit eigener
Lehrerfahrung.

"Um mehr in der Nähe meiner Frau und unserer
beiden Kinder sein zu können, arbeite ich
montags als Telejobber vom heimischen PC aus."

Heute sind Finnlands Lehrer "Moderatoren des
technischen Fortschritts". Für die Pädagogen in den
zumeist kleinen Schulen ist es nämlich ungeheuer
hilfreich, sich Unterrichtsmaterial übers Netz besorgen
zu können. Die Zwergschulen im dünnbesiedelten
Norden des Landes sind mit ihren fünf bis sechs
Schülern nicht vom technischen Fortschritt
abgekoppelt. Über Video-Konferenzsysteme werden sie
in einem Projekt von Helsinki aus recht erfolgreich
unterrichtet. "Über solche Systeme können wir selbst
auf den kleinen Inseln im Süden Wahlmöglichkeiten
beim Fremdsprachenunterricht anbieten", sagt
Finnlands Bildungsminister Heinonen, für den das
Internet nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern ein
Kultur- und Bildungsmittel ist. "Als kleines Land haben
wir im globalen Wettbewerb nämlich nur eine Chance,
wenn unsere Bevölkerung sprachlich und technologisch
hochqualifiziert ist." In der Telekommunikation
beispielsweise nimmt Finnland vor USA, Japan und den
anderen industrialisierten Nationen schon eine
Spitzenstellung ein. Da es in jeder Klasse Schüler gibt,
die besonders talentiert mit Computern umgehen,
machte man sie zu "Co-Teachern". "Das erwies sich
als ein sehr praktikables Mittel adäquater
Wissensvermittlung." Nach Schulschluß laden die
Schüler Lehrer und Eltern in ihre Schulen ein, um ihnen
den Umgang mit Internet und Computer zu zeigen. "Ein
großartiger Erfolg", freut sich "Internet-Minister"
Heinonen. "Es bildeten sich lokale, von Eltern oder
Lehrern betreute Clubs und Vereine, die die
Bildungsarbeit eigenständig fortsetzen." Das frühzeitige
Heranführen an die digitale Technik zahlt sich aus. In
den allgemeinbildenden Schulen wurde die
Stundenzahl naturwissenschaftlicher Fächer erhöht.
Die Studentenzahlen in diesen Fachbereichen
verdoppelte sich. "Deshalb schichten wir
Haushaltsmittel um und richten jetzt eine neue
Universität und mehrere polytechnische Hochschulen
ein, die Inhalte vermitteln, die für eine Karriere in der
High-Tech-Industrie notwendig sind. So finanzierten
Staat und Industrie erst kürzlich den ersten Lehrstuhl
für den elektronischen Handel (E-Commerce).

Obwohl er zugibt, nicht viel von den Hintergründen der
Computer-Technik zu verstehen, ist Finnlands
Bildungsminister doch der größte Werbeträger für neue
Technologien. "Um mehr in der Nähe von meiner Frau
und den beiden Kindern sein zu können, arbeite ich
montags als Telejobber von zu Hause aus über meinen
vernetzten PC. Um ein neues Medium einzuführen und
dem Vorurteil zu begegnen, man müßte leibhaftig im
Büro anwesend sein, um zu arbeiten, halte ich auch
viele Parlamentsreden über ein
Video-Konferenzsystem." Für Redner des Deutschen
Bundestages ein geradezu revolutionärer Gedanke.