Bundespräsident Christian Wulff bleibt auch in dieser Woche in den Schlagzeilen. Die vorerst letzten medialen Höhepunkte waren das Fernsehinterview mit ARD und ZDF sowie die (medien-)politischen Konsequenzen seines Anrufs auf der Mailbox des “Bild”-Chefredakteurs. Der Berliner Piraten-Politiker Christopher Lauer hat die bekannten Teile dieses Textes als Audiofile ins Netz gestellt. politik-digital.de hat ihn nach seinen Motiven gefragt.
Hohn und Spott bereiteten sich in vielfältiger, rechtlich jedoch teilweise umstrittener Form bereits in einem recht frühen Stadium der Affäre über den Bundespräsidenten in Blogs und sozialen Netzwerken aus. Das Zutagefördern von immer neuen Details blieb jedoch bisher weitestgehend den klassischen Medien vorbehalten. Gleichwohl haben sich zu verschiedenen Teilaspekten der Affäre inzwischen Internetnutzer zusammengetan. Mit Hilfe von “WulffPlag” sammeln sie im Stil des GuttenPlag-Wikiki Ermittlungsstände, Äußerungen, Fakten oder Verdächtigungen. Eine studentische Initiative hat überdies das Portal “Direkt zu Christian Wulff” ins Leben gerufen.
Nachdem der Inhalt des von ARD und ZDF produzierten Interviews bereits vor Ablauf der Sperrfrist als Audiodatei geleakt worden war, machten sich Netzaktivisten im Piratenpad der Piratenpartei daran, noch vor der Ausstrahlung des Gesprächs der Journalisten Bettina Schausten und Ulrich Deppendorf mit dem Bundespräsidenten eine wörtliche Abschrift des medial breit rezipierten Gesprächs zu erstellen.
Dieses Interview sowie Fragmente des bislang noch immer geheimnisumwitterten Anrufs auf der Mailbox von “Bild”-Chef Kai Diekmann sind im Laufe der vergangenen Woche nicht nur Gesprächsthema in Medien und an Stammtischen der Republik gewesen, sie haben auch den Piraten Christopher Lauer, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, zu zwei eher ungewöhnlichen Aktionen animiert. Lauer erstellte neben einem YouTube-Video, in dem er das Transkript des Fernsehinterviews vorliest, auch ein Tondokument der bislang publik gewordenen Fragmente des Mailbox-Anrufs.
Gegenüber politik-digital.de hat Christopher Lauer sich zu seinen neuen Herausforderungen geäußert.
Hallo Herr Lauer! Sie haben vor dem teilweise rekonstruierten Inhalt der Diekmann-Mailbox bereits das
Präsidenten-Gespräch mit Frau Schausten und Herrn Deppendorf eingelesen.
Was war – inhaltlich und stilistisch – anspruchsvoller?
Ich habe das in erster Linie einfach nur vorgelesen, sowohl das Video
als auch die Audiodatei sind die jeweils ersten Versionen. Durch mein
langjähriges Engagement in einer freien Theatergruppe in Bonn fiel mir
das nicht so schwer.
Bei der Nachricht auf Kai Diekmanns Mailbox handelt es sich ursprünglich um eine Botschaft, die ja nicht für die breitere
Öffentlichkeit bestimmt gewesen ist. Haben Sie diese Tatsache vor Ihrem
neuerlichen Einsatz als „Vorleser“ problematisiert?
Nein. Abgesehen davon ist diese Nachricht meiner Meinung nach von
öffentlichem Interesse. Wenn ich Herr Wulff wäre, dann hätte ich sie
schon längst veröffentlicht, um Spekulationen zu vermeiden. Wahrscheinlich wird sie früher oder später eh im Internet auftauchen.
Kollaborative Web-Aktionen haben ja gerade Jahrestag. Vor bald
einem Jahr stürzte Karl Theodor zu Guttenberg über einige, naja,
Ungenauigkeiten in seiner Doktorarbeit. Was können nach Ihrer Ansicht
solche Aktionen für den politischen Betrieb generell leisten?
Wir sehen hier grade erst den Anfang. Ich hoffe, dass solche Initiativen
im Zusammenhang mit Open Access und Open Data zukünftig einen
gesamtgesellschaftlichen Nutzen entfalten werden und nicht nur Politiker
zu Fall bringen.
Sie sind – neben Ihrer Tätigkeit als Vorleser – auch Mitglied des
Abgeordnetenhauses von Berlin und somit aktiver Politiker. Welche
konkreten politischen Folgen erhoffen oder wünschen Sie sich von Ihren
Vertonungen?
Eigentlich keine. Ich mache das als Zeitvertreib neben meiner doch recht
anstrengenden Parlamentsarbeit.
Und was können Sie vom Umgang des Bundespräsidenten mit der gesamten
Affäre für Ihre eigene politische Arbeit lernen?
Ich persönlich habe nicht vor, in eine solche Situation zu kommen. Dafür
braucht es allerdings auch die Fähigkeit, in unangenehmen Situationen
verantwortlich zu seinem Handeln zu stehen. Das ist natürlich nicht einfach.
Richten wir den Blick noch kurz in die Zukunft. Was wäre denn, nachdem
Sie bereits das Staatsoberhaupt und zwei hochrangige Fernsehjournalisten
vertont haben, eine weitere Herausforderung für Sie?
Wenn ich mir etwas aussuchen könnte, würde ich gerne mit anderen Menschen
an einem Berliner Theater berühmte Interviews und Pressekonferenzen – zum
Beispiel die von Barschel – vorlesen.
Zum Schluss haben wir eine Bitte, Herr Lauer. Würden Sie auch dieses
Interview – „Christopher Lauer im Gespräch mit politik-digital.de“ – für uns
einlesen?
Würde ich gerne machen, allerdings muss ich noch die Plenarsitzung zu
morgen vorbereiten. Es fehlt mir die Zeit.