Im Anschluss an seine alljährliche Ansprache zur Lage der Nation hat sich US-Präsident Obama in der vergangenen Woche mit drei YouTube-Stars getroffen und über Politik geplaudert. Inszeniert wurde das Ganze als digitales Medienereignis.

Die Regierungskommunikation des Weißen Hauses ist auch im Netz einigermaßen avanciert. Zumindest werden von der Obama-Administration online alle relevanten Kanäle mit eigenen Formaten bespielt. Die “State of the Union Address”, die vor beiden Kammern des Kongresses im Plenarsaal des Repräsentantenhauses gehalten wird, wird so zu einem digitalen Medienereignis. Ein Element der Inszenierung ist in diesem Jahr ein Livestream, der einem Publikum die Agenda das Präsidenten vermitteln soll, das über etablierte Medien nicht mehr zu erreichen ist.

Schon öfters hat sich Obama im Anschluss an seine “State of the Union Address” (#SOTU) YouTube-Videos und Videokonferenzen bedient, um Fragen von Bürgern entgegenzunehmen und zu beantworten. In diesem Jahr kommen nun neue Akteure ins Spiel mit den Online-Medien: Das Weiße Haus hat drei YouTube-Stars eingeladen, um mit dem Präsidenten darüber zu sprechen, welche Aspekte für sie beziehungsweise ihr Publikum von Belang sind. In der Vorstellung der Verantwortlichen fungieren sie als Katalysatoren und Multiplikatoren, die sich bereits im Vorfeld mit den Abonnenten ihrer Kanäle ausgetauscht haben. Von Fragen, die via #YouTubeAsksObama erhoben wurden, ist dann allerdings weniger die Rede. Stattdessen fungieren die Themen, die während #SOTU bei Google am häufigsten nachgefragt wurden, als Leitmotive der jeweiligen Fragerunde: Die YouTube-Stars sitzen dafür in einem kleinen Set, das das Design ihres Kanals reflektiert, und empfangen dort Obama für einen jeweils 15-minütigen Plausch.

Choreographie und Casting

Die Choreographie betrifft nicht nur den Ablauf, sondern auch die Auswahl der “Creators” (wie es im Jargon heißt): Bethany Mota ist eine der populärsten YouTube-Stars in den USA. Sie produziert seit 2009 sogenannte “Hauls”, also Besprechungen von ursprünglich gerade erworbenen Produkten. GloZell Lynette Simon ist eine Comedian und wurde durch Parodien von Pop-Songs bei YouTube bekannt. Das Weiße Haus charakterisiert sie als “most-followed African American woman on YouTube“. Und Hank Green betreibt gemeinsam mit seinem Bruder den Kanal “Vlogbrothers“, in dem es unter dem Titel “Brotherhood 2.0″ am Anfang um die Beziehung zwischen den beiden ging. Inzwischen sind die Brüder unter anderem auch für Wissenskommunikation via YouTube bekannt und Hank betreibt das Blog ecogeek.org.

Hank Green eröffnet den Reigen mit eher konventionellen Fragen zur politischen, militärischen und ökonomischen Situation der USA. Am Schluss holt er sich artig ein Autogramm und erklärt fast beiläufig, wie er als chronisch Kranker von Obamacare profitiert. Das erinnert daran, dass sich der Präsident bereits im letzten Jahr mit anderen YouTube-Stars getroffen hat, um seine Krankenversicherungs-Initiative zu promoten. Auch GloZell Green knüpft an eigene Erfahrungen, wenn sie Obama auf die aktuellen Probleme mit rassistischer Polizeigewalt anspricht und die außenpolitische Annäherung an Kuba thematisiert. Ihr Markenzeichen ist grüner Lippenstift, den sie dem Präsidenten auch als Geschenk für die “First Wife” – so ihre kleine komödiantische Variation von “First Lady” – mitgebracht hat. Quoten-Queen Bethany Mota befasst sich schließlich mit Aspekten, die für Jugendliche und junge Erwachsene besonders einschlägig sein könnten, wie z.B. die Finanzierung einer weiterführenden Ausbildung (hier hat der Präsident gerade einen “Free Community College Plan” angekündigt). Die abschließenden Fragen scheinen dann tatsächlich aus den sozialen Medien hervorgegangen zu sein: Es geht darin um Lieblings-TV-Sendungen und darum, welche Superkräfte sich der mächtigste Mann der Welt wünscht. Was am Ende nicht fehlen darf, ist ein Gruppen-Selfie, bevor Obama noch die Rolle der drei “creators” als Teil eines politisch relevanten Mitmach-Netzes würdigt.

Kanalisierte Kommunikation oder neuer Kommunikationskanal?

Aus der Perspektive politischer Kommunikation ist das Interview ein weiteres Beispiel für die Strategie des Weißen Hauses, weitestgehend die Kontrolle über die Inszenierung des Präsidenten zu behalten. Die Hauptstadt-Presse hat wiederholt kritisiert, wie der Zugang von Journalisten zum Staatsoberhaupt strikt limitiert und tendenziell durch eigene Formate ersetzt wird. Auch beim Interview mit den YouTube-Stars sind Kontroverse und Kritik nicht vorgesehen, sondern die “Creators” absolvieren einen höflichen Besuch beim netten Onkel Obama mit Selfie für das Familienalbum. Allerdings lässt sich das Format auch als eine Veranstaltung der politischen Bildung verstehen, bei der einem potenziell politikfernen Publikum die Lage der Nation einmal anders vermittelt wird. Eric Schultz, ein Sprecher des Weißen Hauses, fasst die Absicht, mit den mehreren Millionen Abonnenten der jeweiligen Kanäle eine Zielgruppe anzusprechen, die den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit reflektiert, so zusammen: “We’re trying to find audiences where they are (…) The burden is on us to do that.

Dies ist ein Crosspost von Netzpiloten.de. Der Artikel ist zuerst dort erschienen.

Bild und Teaser: YouTube