Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage wurde heute im Bundestag mit 293 Ja-Stimmen und 243 Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen beschlossen. Eine Entscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland, gegen Innovation, die Informationsfreiheit aller und vor allem gegen die Interessen der urhebenden Journalist_innen. So schlimm diese Entscheidung ist, umgesetzt wird die nun beschlossene Gesetzesvorlage wahrscheinlich nie.
Das Leistungsschutzrecht ist ein Beweis von Macht
Bis auf 81 Abgeordnete waren heute alle Bundestagsabgeordneten bei der Abstimmung anwesend. Das lag sicher nicht nur am Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Die engagierten Redebeiträge aller Parteien zeigten aber, dass das Thema nicht ohne Bedeutung ist. Es geht auch um Macht. Besonders um zu zeigen, wer die Macht besitzt und das ist immer noch die schwarz-gelbe Regierungsfraktion.
Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht. Max Weber hat das vor über 100 Jahren in seinem Werk ″Wirtschaft und Gesellschaft″ geschrieben und wie so vieles von Weber, trifft diese Feststellung auch heute noch zu. Die Regierungsfraktion hat, gegen jede Vernunft und Warnung von den verschiedensten Seiten, das viel kritisierte Leistungsschutzrecht für Presseverlage durchgesetzt. Es ist schwerer gefährlichen Unsinn durchzusetzen als etwas vernünftiges. Die Regierung hat Macht bewiesen.
Die Presseverlagslobby, angeführt vom Axel Springer Verlag und Hubert Burda Media, hat ihre eigenen Wünsche mit einer dafür empfänglichen Bundesregierung in einen Gesetzestext gießen können. Wer die inzwischen vier Gesetzesentwürfe, die das Leistungsschutzrecht von Springer-Lobbyist Christoph Keeses ersten Idee bis zum heute beschlossenen Gesetzestext liest, wird aber feststellen, dass die Verlage viele Forderungen verloren haben. Vieles davon wird jedoch sowieso nur Verhandlungsmasse gewesen sein und mit dem jetzigen Gesetz werden die Verlage zufrieden sein.
Das Leistungsschutzrecht schafft noch mehr Rechtsunsicherheit
Die an dem Gesetzesvorhaben aktiv beteiligten Politiker_innen von CDU/CSU und FDP rühmen sich damit, dass ″einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte″ weiterhin ohne Lizenz benutzt werden können. Was das bedeutet, wie lange diese Snippets genannten Textausschnitte genau sind, wissen sie auch nicht. Das wollen sie auch gar nicht, denn ihrer Meinung nach werden das die Gerichte klären. Ein merkwürdiges Verständnis von Gesetzesmacher_innen, die aber ganz im Interesse der Verlage ist. Erst am Montag erklärte Thomas Höppner vom Bundesverband der Zeitungsverleger (BDZV) in einer Anhörung im Bundestag, dass Details sowieso erst nach Verabschiedung des Gesetzes zu klären seien.
Die Presseverlage haben jetzt ein Gesetz bekommen, dass noch befüllt werden muss. Eine Welle an Gerichtsverfahren um jedes einzelne nicht lizenzierte Wort ist vorprogrammiert und von den Verlagen auch gewünscht, denn hier können sie ihre Marktmacht vollkommen ausspielen. Kleine Aggregatoren werden durch ihre schlechtere Position nicht mit am Tisch sitzen, wenn sich die wenigen großen Newsaggregatoren mit den wenigen großen Presseverlagen den Markt aufteilen werden. Die beliebte Newsaggregatoren-App Flipboard hat es vorgemacht und Verträge mit der New York Times, dem Guardian oder Forbes abgeschlossen.
Passiert dies in Deutschland wird eine Folge sein, dass eine Hand voll Presseverlage die einzelnen Lieferanten von Nachrichten auf den Plattformen sein werden, die von den meisten Menschen zum Konsum von Informationen genutzt werden. Kleinere oder neue Startups werden leer ausgehen, genau wie die kleinen Verlage und vor allem die urhebenden Journalist_innen. Wie viel sie bekommen werden ist ungewiss, das es am Ende wenig sein wird, ist anzunehmen. Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage war auch nicht für sie gemacht.
Warum das Leistungsschutzrecht doch nicht kommen wird
Das Gesetz muss nun in den Bundesrat gehen, in dem die Oppositionsparteien aus dem Bundestag eine Mehrheit gegenüber Schwarz-Gelb besitzen. Bereits am 6. März wird sich der Rechtsausschuss des Bundesrats mit dem Gesetz beschäftigen, am 22. März folgt dann die Diskussion im Plenum. Das Gesetz ist zwar nicht zustimmungspflichtig, aber ein Einspruchgesetz – der Bundesrat kann es deshalb immer wieder vertagen. Theoretisch bis nach der Bundestagswahl, falls es nicht vorher im Vermittlungsausschuss erledigt wird. Das Leistungsschutzrecht würde dann unabgeschlossen versanden und müsste in der nächsten Legislaturperiode neu eingebracht werden. Sollten CDU/CSU und FDP dann nicht mehr in der Regierung sein, wäre das Gesetz beendet.
Im Oktober äußerten sich zwar auch einige rot-grünen Ländern nicht so ablehnend wie die Bundestagsfraktionen zum Leistungsschutzrecht, aber seitdem haben sich die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein konsequent gegen das Gesetz ausgesprochen. Um sich klarer gegen Schwarz-Gelb abzugrenzen, werden auch die anderen Ländern sich in das Lager der LSR-Gegener einordnen. Und die Europäische Kommission könnte auch noch mitreden wollen, denn falls sich das Gesetz als Zertifizierungspflicht herausstellt, könnte die Kommission es stoppen. Eine Sprecherin der Kommission erklärt auf Anfrage von Süddeutsche.de, man habe beim Bundesjustizministerium Informationen angefordert, um diese Frage zu klären. Auf einen der beiden Wege wird das Leistungsschutzrecht für Presseverlage gestoppt werden.
Dieser Artikel erschien zuerst auf carta.info
Bild: Tobias Schwarz (cc by-sa 3.0)
Ich muss Sie korrigieren. Ich habe nicht in der Anhörung erklärt, dass technische Details erst nach Verabschiedung des Gesetzes zu klären seien. Bitte lesen Sie das Protokoll durch und zitieren Sie richtig. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Falschaussage streichen würden. Vielen Dank. Thomas Höppner
Sehr geehrter Herr Höppner,
ich werde das überprüfen und gegebenenfalls ändern. Meine Aussage basiert auf meinen Notizen und Gesprächen mit Anwesenden. Dann bin ich wohl nicht der einzige, der sie falsch verstanden hat. Die Änderung wird in Form einer Anmerkung erfolgen, damit der spätere Eingriff in den Text nachvollziehbar bleibt.
Tobias Schwarz