Internetfernsehen Marke Eigenbau – das wollte jetzt auch die westliche Militär-Allianz NATO. Seit Anfang April 2008 werden auf NATOCHANNEL.TV kostenlos Interviews, Reportagen und Bilder von NATO-Einsätzen zur Verfügung gestellt. Der Krieg der Bilder soll nach dem Willen des Verteidigungsbündnisses jetzt um eine NATO-Perspektive erweitert werden. Hier soll es Bilder geben, die anderswo nicht zu sehen seien – so die Ankündigung. Ein Schachzug der Militärs, auf den die linke Blogger-Szene nur gewartet zu haben scheint. Dort wird zum verbalen Gegenschlag geblasen.

„NATO.TV – der Sender für die ganze Familie" titelt der Blogger Martin16. Und mit sarkastischem Unterton führt er aus: „Erleben sie nun endlich die Wahrheit, wie die bösen Terroristen und das üble Internet totale Unwahrheiten über den Krieg erzählen, was ja gar nicht wahr ist!" Redblog.Twoday.net pflichtet ihm bei. Dieser Blogger ist überzeugt, die unkritische Berichterstattung der Mainstream-Medien sei der NATO scheinbar nicht genug gewesen. Deshalb jetzt diese Kraftanstrengung – ein eigener NATO-Propagandakanal. Und Andreas K. hat sein Urteil bereits gefällt: „Exklusive Lügen von der Front!", so seine Analyse. Hauptzielscheibe der Blogger: NATO-Sprecher James Appathurai, der im Video-Blog „Off the Wire" seine Sicht zu NATO-Fragen darlegt – ein gefundenes Fressen für NATO-Gegner.

Screenshot von Nato.tv

Zu große Mängel für wirkliche Propaganda?

Starke Kritik der Blogger-Szene an den Inhalten des Kanals – damit dürften die Macher des NATO-Internetfernsehens gerechnet haben. Verletzen dürfte sie aber das vernichtende Urteil über die technische Qualität des neuen Angebots. Blogger Blackfox ist genervt angesichts der plumpen Herangehensweise. Spindoktor.de schmunzelt darüber, dass Videoclips derzeit nur über den Windows Media Player zu haben seien. Auf Mac oder Linux entgehe einem dieses Sehvermögen noch, so der hämische Vermerk des Spindoktors, der sich im Netz brüstet, Lügen und Propaganda von Politikern und PR-Agenturen aufzudecken.

NATOCHANNEL.TV oder doch TV Kabul?

Was die Blogger aussprechen, das könnte für das Militärbündnis aber zum echten Problem werden: bleibt das NATO-Angebot auch in Zukunft weiter hinter seinen technischen Möglichkeiten zurück, wird das inhaltliche Ziel der Allianz ad absurdum geführt. Der Plan der NATO ist dabei recht simpel: vom Afghanistan-Einsatz des Bündnisses werde stets nur die katastrophale Seite berichtet – also gewalttätige Ausschreitungen, Schießereien und Tote. Über die praktische Aufbauarbeit berichte niemand, so der Vorwurf des NATO-Pressesprechers James Appathurai an die Medien. Finanziert hauptsächlich durch Gelder der dänischen Regierung, sollen vor allem jene kleinen Radio- und Fernsehstationen mit kostenlosem Material versorgt werden, die sich kein teures Korrespondenten-Netzwerk leisten können, so schätzen Beobachter das NATO-Kalkül. Mit NATOCHANNEL.TV soll also eine Lücke im Marketing-Konzept geschlossen werden. Ob dieser Schuss nach hinten losgeht?

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