Grüne Wiesen, Elche und Gemütlichkeit, das ist unser Bild von Schweden. Ein Land, das sich vom Polarkreis bis zur Ostsee erstreckt. Nur knapp 10 Millionen Menschen leben hier teils sehr verstreut, doch bildet das Internet den Innovationsmotors eines dynamischen Skandinaviens. Ein Blick auf den Datenschutz in Schweden zwischen Nordlicht und Startups.
Alles ist von öffentlichem Interesse
„Ich grüße dich lieblichstes Land der Erde“, heißt es in der schwedischen Nationalhymne. Einer dieser Grüße in den Norden sollte Geschichte schreiben. Am 7. April 1983 um 14:02 erhielt der Internetpionier Björn Eriksen die erste E-Mail Schwedens. Dies war der Geburtsmoment des Internet im Norden Europas.
„Um einen freien Meinungsaustausch zu fördern und der Informationspflicht nachzukommen, hat jeder Bürger das Recht an allen öffentlichen Handlungen teilzunehmen“. Seit seiner Verankerung in der Verfassung 1766 prägt dieses „Öffentlichkeitsprinzip“ (Offentlighetsprincipen) das schwedische Verständnis von Datenschutz. Während der europäische Standard eine Datenverarbeitung nur ermöglicht, wenn dies ausdrücklich erlaubt ist (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), stellt Schweden dieses Prinzip praktisch auf den Kopf. Hier muss die Datenverarbeitung ausdrücklich verboten sein. Sämtliche Daten, die von öffentlichem Interesse sein könnten, sind grundsätzlich für alle und jeden zugänglich.
Jeder Schwede, der gerne mehr über das neue Auto seines Nachbarn, dessen letztes Einkommen oder letztes Steueraufkommen erfahren möchte, kann dies jederzeit und unkompliziert tun. Ratsit.se führt eine Datenbank mit über 8 Millionen Personen und deren persönliche Daten aus dem Skatteverket (Finanzamt), der Kronfogdheden (ähnlich der Schufa), dem Bolagsverket (Handelsregister) und bietet noch viel mehr. Diese Informationen sind für alle und jeden immer zugänglich. Zwar gibt es auch hier Einschränkungen in der Datenfreiheit, doch kommen diese eher selten zum Tragen.
Ich weiß, dass du bist und du bleibst, was du warst.
Seit 1983 hat sich die Zahl der Internetnutzer vervielfacht. Heute nutzen über 94% der Schweden das Internet. Schnelles Internet fördert im hohen Norden die Innovationen. Auf 900.000 Stockholmer kommen mittlerweile über 850 Start Up Unternehmen. Der Musikstreamanbieter Spotify ist nur ein Beispiel von vielen. Schweden ist Vorreiter in Sachen Internet. Bereits 1973 verabschiedete der Riksdaget weltweit das erste Datenschutzgesetz eines Landes. Seit diesem Zeitpunkt kümmert sich der „Datainspektionen“ mit seinen 40 Mitarbeitern um Bedenken im Datenschutz.
Diese Bedenken scheinen jedoch nicht sehr verbreitet zu sein. „Wir könnten und sollten die erste bargeldlose Gesellschaft der Welt sein“ wird Björn Ulvaeus, ehemaliges Mitglied von ABBA, zitiert. Bereits 1967 stand einer der ersten Geldautomaten in Schweden und nun scheint das Bargeld zu verschwinden. Immer mehr Schweden nutzen bargeldloses Zahlen mit Kreditkarte oder dem Handy. Sogar die Obdachlosenzeitung „Situation Stockholm“ lässt sich bequem per Karte zahlen.
Die großen Banken wie Swedbank oder Nordea haben ihren Bargeldservice weitgehend zurückgefahren und vielerorts wird nicht einmal mehr Bargeld akzeptiert.Dieses neue digitale Geld öffnet natürlich Hackern und der Überwachungsgesellschaft neue Möglichkeiten. Jedoch teilen viele Schweden diese Sorgen nicht und glauben an den Fortschritt, vertrauen auf die Sicherheit ihrer Daten.
Das Internet wird zu einem allgegenwärtigen Begleiter. Daher hat das Skolverket (ähnlich dem Bildungsministerium) eine nationale IT-Strategie gestartet. In den nächsten drei Jahren soll jeder Schüler über digitales Werkzeug verfügen, um an den Möglichkeiten der neuen virtuellen Welt teilhaben zu können und deren bewussten Umgang zu erlernen. Hierzu ist beabsichtigt, Lehrkräfte besonders zu schulen und den Umgang mit diesen neuen Technologien im Lehrplan fest zu verankern.
Datenschutz macht erfinderisch
Schwedens ist geprägt von weiten Landschaften. Das Jedermansrecht (Allemansrätten) garantiert jedem den freien und ungehinderten Zugang zur Natur. Eine ähnliche Mentalität scheint sich auch im Internet auszubreiten, was Urheberrechte betrifft. Politische Bewegungen wie die Piraten oder aber auch der Anbieter „The Pirate Bay“ stammen aus Schweden. Eine freie und ungehinderte Verbreitung von Inhalten bei geringem Urheberrecht ist deren Ziel.
Urheberrechte und Datenschutz können sogar zur Religion werden, wie die Glaubensgemeinschaft „Missionierende Kopimisten“ beweist. Gedacht als Satire verehren die Anhänger dieser Bewegung die Tastenkombinationen Ctrl+ C und Ctrl+ V als ihre religiösen Insignien. Zur ihren Geboten gehören eine freie Verfügbarkeit von Informationen und deren Verbreitung. Das Internet selbst wird als heilig verehrt.
Wer gerne mit einem Kopimisten sprechen möchte oder sich mit einem Schweden über Datenschutz austauschen möchte, für den bietet sich eine neue Möglichkeit: Gefördert durch das schwedische Tourismusbüro hat Schweden als erstes Land der Welt seine eigene Telefonnummer. Unter der Nummer +46 771 793 336 erreicht man immer einen zufällig ausgewählten Schweden.
In diesem Sinne frei nach ABBA:“ Ring, ring, why don’t you give me a call?“