Benno Pöppelmann ist Justitiar des DJV (Deutscher Journalisten-Verband). Der Urheberrechtexperte fordert für den DJV, das bestehende Urheberrecht zu reformieren, da es auf Kosten der Urheber geht. Er begrüßt die Gesetzesnovelle, sieht aber noch Hindernisse auf dem Weg zur Vertagsfreiheit der Urheber.Die Fraktionen der Rot-Grünen Koalition im Deutschen Bundestag haben Ende Juni den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Rechte der Urheber in den Bundestag eingebracht. Nach diesem Entwurf sollen Urheber zukünftig einen gesetzlichen Anspruch auf eine nach Art und Umfang der Werknutzung angemessene Vergütung haben. Der Anspruch soll sich gegen jeden richten, dem Urheber Nutzungsrechte eingeräumt haben oder der das Werk erlaubterweise nutzt. Diese dienen der Bestimmung der Angemessenheit von Vertragsbedingungen und Vergütungen. Zur Absicherung des Verfahrens im Falle der Verweigerung von Verhandlungen bzw. im Falle der Nichteinigung sieht der Entwurf die Anrufung eines Schiedsgerichts vor. Der Spruch des Schiedsgerichts kann von einem Oberlandesgericht überprüft werden. Ferner sieht der Entwurf Verbesserungen für die Urheber hinsichtlich der Wahrung ihrer Urheberpersönlichkeitsrechte vor.
Ein Gesetz, das das strukturelle Verhandlungsungleichgewicht von Urhebern einerseits, Verwertern andererseits zu ändern geeignet ist, ist dringend notwendig. Die wenigen Schutzvorschriften des Urhebervertragsrechts im derzeitigen Urheberrechtsgesetz (UrhG) bleiben in der Praxis wirkungslos, weil sie vertraglich abdingbar sind. Rechte müssen von Übersetzern, Journalistinnen, Fotografen und Autorinnen häufig in unbegrenztem Umfang zum Nulltarif "freiwillig" den Verwertern überlassen werden. Ihnen drohen existenzielle Konsequenzen, kommen sie den Forderungen der Medienunternehmen nicht nach. Das derzeit geltende Recht fördert die Gier der Unternehmen, sich immer mehr Verwertungsrechte zu sichern, ohne die Urheber angemessen an den wirtschaftlichen Früchten ihrer Werke zu beteiligen. Regelt das Gesetz z. B., dass nur soviel Nutzungsrechte vertraglich eingeräumt werden, wie zur Erfüllung des Vertragszweckes unbedingt notwendig sind, sehen davon abweichende Allgemeine Geschäftsbedingungen von Verlagen und Unternehmen elektronischer Medien umfangreiche Kataloge von Rechten für Nutzungsarten vor, die mit einer einmaligen Vergütung abgegolten sein sollen. In einem Weißbuch vom November 2001 (www.initiative-urhebervertragsrecht.de/material/index.html) hat der DJV Verträge dokumentiert, die freien Journalistinnen und Journalisten als Urheber(innen) nicht oder nur sehr eingeschränkt gestatten, ihre eigenen, privatautonomen Interessen zu verfolgen. Dokumentiert werden dort auch Medien, die eine Online-Nutzung der Werke ihrer freien Journalistinnen und Journalisten ohne deren Einwilligung und/oder ohne Vergütung vornehmen. Hingewiesen wird schließlich auf eine Honorarsituation, die eine prekäre wirtschaftliche Lage freier Journalistinnen und Journalisten in den Medien aufzeigt.
Seit vielen Jahren weist der DJV auf das wirtschaftliche Kräftegefälle bzw. das Auseinanderklaffen von Verhandlungsmacht zwischen Urhebern und Unternehmen hin und fordert mit Blick auf diese nachhaltige Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung die gesetzliche Reform des Urhebervertragsrechts.
Die wichtigste Forderung des DJV: Für jede Einräumung eines Nutzungsrechtes muss der Urheber Anspruch auf Zahlung einer marktüblichen Vergütung haben, die sich an den Honorartarifverträgen und den Mittelstandsempfehlungen orientiert. Nur wenn dieser Anspruch im Gesetz verankert wird, besteht die Chance, dass Urheber künftig an der wirtschaftlichen Verwertung der Werke angemessen partizipieren können. Ferner ist es nach Auffassung des DJV notwendig, dass Urheberverbände Konditionen und Vergütungssätze mit Verwerterverbänden verhandeln und bindend festschreiben können. Schließlich fordert der DJV, die unerlaubte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke künftig dadurch zu sanktionieren, dass dann das Doppelte der üblichen Vergütung fällig wird.
Der DJV hat den Entwurf der Koalitionsfraktionen begrüßt – als Sieg der Vertragsfreiheit von Urhebern über die seit Jahrzehnten geübte Praxis der Verwerter, Vertragsbedingungen zu diktieren. Positiv reagierten auch alle übrigen Urheberverbände, die sich im Jahr 2000 mit dem DJV zu einer Initiative zur Reform des Urhebervertragsrechts zusammengeschlossen hatten, um das Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung zu stützen.
Allerdings steht der Regierungsentwurf noch nicht im Bundesgesetzblatt. Die F.A.Z. titelte am 19. November in ihrem Feuilleton "Reform? Wieso Reform?" und wies in dem dazugehörigen Beitrag darauf hin, dass nach ihrer Kenntnis von dem ursprünglichen Koalitionsentwurf nicht mehr viel übrig geblieben sei. Man wird also das, was in den weiteren Beratungen des Bundestages und seiner Ausschüsse formuliert wird, genau anschauen müssen, damit das Reformvorhaben der Bundesregierung als solches erkennbar bleibt. Dazu gehört es, dass weiterhin der Anspruch auf angemessene, also redliche und übliche Vergütung im Gesetz verankert ist. Die Angemessenheit muss dabei nicht nur im Zeitpunkt des Vertragsschlusses festgestellt werden können, sondern – für den Fall späterer Nutzungen – auch zum Zeitpunkt der Nutzung gegeben sein. Beteiligungen des Urhebers an den wirtschaftlichen Ergebnissen der Verwertung seines Werkes dürfen, sofern sie vertraglich noch nicht geregelt sind, auch nicht von der Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen der Leistung des Urhebers und der ihm zustehenden Gegenleistung abhängen. Wäre die Feststellung eines solchen Missverhältnisses Voraussetzung für die Angemessenheit der Vergütung, würde Verwertern erneut das Tor geöffnet, Nutzungsrechte verwerten zu können, ohne dafür zahlen zu müssen.
Hinsichtlich der von Urheberverbänden und Verwerterverbänden bzw. einzelnen Verwerterunternehmen auszuhandelnden Vergütungsregeln ist darauf zu achten, dass diese Regeln durch Spruch der Schlichtungsstelle aufgestellt werden, wenn freiwillige Verhandlungen nicht zum Ziele führen. Eine Ausnahme von dieser Regel sollte es nicht geben. Ebenso wenig sollte in gemeinsamen Vergütungsregeln das Maß des schöpferischen Beitrages der Urheber eine Rolle spielen. Es kommt lediglich darauf an, ob der Beitrag des Urhebers eine eigene geistige Schöpfung darstellt. Nach EU-Recht können bei der Bestimmung, ob Werke für den Schutz des Urheberrechts in Betracht kommen, keine anderen Kriterien angewandt werden.
Nur dann, wenn diese Punkte nicht durchgesetzt werden können, bliebe weitgehend alles beim Alten. Kein einziges Problem der Urheber wäre gelöst, wenn das neue Gesetz die Sicherung einer angemessenen Vergütung lediglich als Ziel, aber nicht als durchsetzbaren Anspruch formulierte. Der Vorschlag, Urheber nur zu beteiligen, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festzustellen ist, verkennt, dass der Urheber bei jedweder Nutzung des Werkes zu beteiligen ist. Schließlich ist nicht damit zu rechnen, dass Vergütungsregeln, die unverbindlich bleiben, die Lage der freien Urheber nachhaltig verbessern.
Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung haben gute Gründe für ihren Gesetzentwurf. Sie sollten ihn durchsetzen, damit die Vertragsfreiheit der Urheber wieder hergestellt wird.