Was weiß ich über mich (nicht)? Die Ausstellung SIGNALS wirft diese Frage im Rahmen der von Edward Snowden und Glen Greenwald veröffentlichten NSA-Dateien neu auf. Kuratiert wird die bis Anfang November verlängerte Ausstellung von den Journalisten Magdalena Taube und Krystian Woznicki. SIGNALS zeigt die Arbeiten von Künstlern aus dem Katalog A Field Guide to the Snowden Files. Media, Art, Archives, dessen Arbeiten in den Jahren von 2013 bis 2017 entstanden sind.
Signale setzen
Für SIGNALS haben sich Künstler mit den NSA-Dateien auseinandergesetzt. Es handelt sich dabei um Werke aus einem internationalen Umfeld von u.a. Zeljko Blace (CRO), Simon Denny (NZL), Deborah Natsios (USA), Geert Lovink (NED), Naomi Colvin (GBR), Henrik Moltke (DEN), Christoph Hochhäusler (GER), M.C. Stephen Tiron (ROU), Maria Xynou (ESP), Julian Oliver (NZL). Im Zentrum ihrer künstlerischen Auseinandersetzung steht die Frage, welche Auswirkungen die Enthüllungen durch den Whistleblower Edward Snowden für den Einzelnen haben. Dabei wird die Konfrontation und Reflexion über die Überwachung des Bürgers durch den Staat gesucht.
What about me?
Das zeigt exemplarisch die Arbeit von Zeljko Blace, der sich in seinem Projekt mit den Konsequenzen der Überwachung für das Individuum beschäftigt. Blace überspitzt die Möglichkeiten des Staates anhand der Kreation eines Sexualprofils aus den vorhanden NSA-Informationen. Auf beklemmende Weise konfrontiert Blace mit den Möglichkeiten und der Reichweite von Informationen über die eigene Person. Es stellt sich die Frage, inwiefern der Einzelne tatsächlich noch Kontrolle über seine Informationen hat und auf welche Weise dabei bereits die Grenzen der Intimität überschritten werden.
Das Gespenst der Kontrolllosigkeit
Das Programm PRISM sammelt, systematisiert und kanalisiert relevante persönliche Informationen aus dem Internet in Realzeit. Die Arbeit THE BLACK BOX stellt Auszüge aus den in den Jahren 2008 und 2013 entstandenen Präsentationen dar. Aus ihnen geht die Weitergabe von Informationen durch die Internetkonzerne Microsoft, Google, Facebook, AOL, Yahoo, Apple und Paltalk hervor. Die Beziehung zwischen NSA und den größten Internet-Unternehmen lässt durch die Reichweite und die Möglichkeiten der Überwachung die bedrückenden Gefühle des Misstrauens und der Schamlosigkeit gegenüber dem Bürger als Objekt staatlicher Machtgefälle zurück.
Der interaktive Austausch zwischen Besucher und den von Snowden enthüllten NSA-Dateien macht SIGNALS zu einem provozierenden und dynamischen Prozess. Der Besucher kann innerhalb des künstlerischen Kontextes direkt auf die Dateien zugreifen. Durch diese Interaktion verliert sich die Hemmung in dem Umgang mit den NSA-Dateien, die zum einen Zeugnis über das Ausmaß der Überwachung sind. Zugleich ist der zumeist gescheute Umgang mit den Snowden-Dateien Kennzeichen für die Angst vor der totalen Überwachung und deren tatsächlichem Ausmaß.
SIGNALS wendet sich gegen die Vermeidung dessen, was als Konsequenz einer immer vernetzteren Welt zu sehen, aber nicht zu akzeptierten ist. Der technologische Fortschritt muss hier als das Resultat einer komplexeren Welt betrachtet werden, die im Angesicht der ihr eigenen Kontrolllosigkeit mit immer extremeren Mitteln eine Kontrolle evoziert. Die Frage, was dem Schutz des Einzelnen dient, verdreht sich in diesem Kontext in die Frage, was dem dient, der die Macht über die Informationen hat. In ihren paradoxen Konsequenzen ist der Einzelnen innerhalb dieser Vernetzung kontrolllos gegenüber seinen eigenen Informationen. Öffentlicher, sozialer und intimer Bereich verschwimmen miteinander und machen aus den Menschen eine Datei.
SIGNALS benennen
Auf beklemmende und eindringliche, aber auch aktive Weise setzt sich SIGNALS mit dem Diskurs über die Snowden-Enthüllungen auseinander. Dabei verschiebt die Ausstellung den bisherigen Diskurs um die Frage nach Reichweite und Auswirkungen der NSA-Enthüllungen. Sie lässt die unangenehme Frage zurück: Was bedeuten Informationen und Kontrolle im Zeitalter der Überwachung?
SIGNALS
Exhibition of the Snowden Files in Art, Media and Archives curated by Magdalena Taube and Krystian Woznicki | DIAMONDPAPER Studio | Köpenicker Straße 96, Berlin
Opening: 12/9-1/11/2017
Bilder: Copyright by Berliner.Gazette/ flickr.com