640px-WahlplakatPlakatwerbung gilt im Wahlkampf immer noch als das Nonplusultra, um die Menschen direkt anzusprechen. Ihr Manko: Sie kann nicht auf aktuelle politische Themen reagieren. Hier setzt die Idee der Digitalen Wahlplakate an. politik digital.de sprach mit Daniel Abbou und Rika Schreiber von der Wall AG über zeit- und ortsgenaue Wahlwerbung sowie über Möglichkeiten der Interaktion mit Wählerinnen und Wählern.
politik-digital.de: Plakate haben in der politischen Werbung immer noch eine immense Bedeutung. Die Wall AG plant nun digitale Plakate für Parteien und Politiker auf ihren Werbeflächen einzusetzen. Was versprechen Sie sich davon? 
Daniel Abbou, Rika Schreiber: Digitale Werbung wird verstärkt kommen. Das ist im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße schon zu sehen. Die Frage ist: Kann sich Politikwerbung innerhalb dieses digitalen Zeitalters ändern?
Schaut man sich den klassischen politischen Wahlkampf an, so muss das Kampagnenthema sechs Monate vorher klar sein. Je näher der Wahltag rückt, umso deutlicher wird, ob das Thema noch passt. Die einzige Veränderung, die im klassischen Außenwahlkampf möglich ist, ist die kurzfristige Überklebung der Plakate durch den Ortsverein. Eine schnelle Reaktion auf neue Themen ist nicht möglich.
Das klassische Kopfplakat mit der Aussage „Ich bin der beste Kandidat für Marzahn-Hellersdorf“ reicht nicht mehr. Wir haben uns nun gefragt, wie wir digitale Werbung im Politikbereich umsetzen können. Dafür haben wir uns eine Art Showcase ausgedacht und den Fraktionsvorsitzenden aller im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien die ersten Digitalen Wahlplakate gezeigt. Vorher hatten wir intensiv recherchiert und bislang nichts Vergleichbares gefunden.

Beispiele aus dem Showcase
Beispiele aus dem Showcase

politik-digital.de: Wo liegt der Mehrwert eines Digitalen Plakats gegenüber herkömmlicher Wahlwerbung auf Plakaten?
Daniel Abbou, Rika Schreiber: Die Parteiwerbung hat sich im Bereich Social Media und Onlinemedien stark verändert. Aber der Outdoor-Wahlkampf läuft immer noch wie seit Adenauers Zeiten. Das Digitale Wahlplakat setzt hier an. Die Idee dahinter ist klar: Bewegtbild erhält mehr Aufmerksamkeit als Standbild.
Rika Schreiber
Rika Schreiber ist Teamleiterin Städte- und Corporate Marketing bei der Berliner Wall AG.

politik-digital.de: Wie hat man sich ein Digitales Wahlplakat vorzustellen? Welche Inhalte sollen transportiert werden und wer produziert diese Inhalte?
Daniel Abbou, Rika Schreiber: Grundsätzlich funktionieren die Digitalen Wahlplakate ohne Ton. Im Showcase haben wir drei Clips pro Partei gezeigt. Für die Piraten haben wir zum Beispiel ein fingiertes Twitter-Thema eine virtuelle Twitterwall runter laufen lassen. Mit dem Digitalen Wahlplakat kann man blitzschnell auf aktuelle politische Themen reagieren – einfach indem man innerhalb kürzester Zeit eine neue Datei in die digitalen Plakate einbindet. Für die Inhalte sind natürlich die Parteien selbst zuständig. Wir stellen die Hardware, die Flächen und die Datenleitungen zu unserer Hardware zur Verfügung. Für den Content sind die Parteien verantwortlich.
politik-digital.de: Digitale Wahlplakate wird man sicherlich aufgrund der höheren Kosten nicht flächendeckend einsetzen können. Wie planen Sie den Einsatz dieser neuen Werbeform? Wann und wo werden die ersten Digitalen Wahlplakate in den Städten zu sehen sein?

Daniel Abbou, Rika Schreiber: Die Umstellung von Papier zu digital wird auch im Bereich der Wahlwerbung kommen. Die klassischen Analogflächen reduzieren sich. Die wichtigen Stellen wie große U-Bahnhöfe mit den meisten Besuchern werden für digitale Werbung ausgebaut. Wir beginnen aber, digitale Plakate auch an Außenflächen in den großen Städten aufzustellen. Die Vorreiter sind die City Light Boards, die wir schon seit einiger Zeit im Angebot haben.
politik-digital.de: Ist es vorgesehen, dass die Digitalen Wahlplakate interaktiv genutzt werden? Können Bürger über das Digitale Wahlplakat in Kontakt mit Politikern treten? Sind Verlinkungen zu Online-Inhalten oder sozialen Netzwerken geplant?
Daniel Abbou
Daniel Abbou ist Leiter Public Affairs and Government Relations bei der Wall AG in Berlin.

Daniel Abbou, Rika Schreiber: Der Kreativität der Parteien ist kein Limit gesetzt. Die Digitalen Wahlplakate werden mit “Near Field Communication”, mit deren Hilfe eine Interaktion per Smartphone möglich ist, mit einer Toolbar oder auch QR-Codes ausgestattet. Wir entwickeln unsere Technik immer weiter, auch um die sozialen Medien mit einbinden zu können.
Wir sind auch immer offen für Neues. Es wird interessant sein, wie wir mit den Digitalen Wahlplakaten Reaktionen bei Passanten auslösen können.
politik-digital.de: Würden Sie Ihre Werbefläche allen Parteien zur Verfügung stellen?
Daniel Abbou, Rika Schreiber: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Die Sache ist vielschichtig. Erstens: In Berlin ist es laut BVG-Verordnung innerhalb der Bahnhöfe bzw. Haltestellen verboten, Wahlwerbung zu platzieren. In einigen Städten gibt es ähnliche Regelungen, aber andere Städte lassen dies zu. Vielleicht stoßen die Digitalen Wahlplakate ja Diskussionen an, um dieses Verbot zu überdenken. Auch Ihre Frage nach den Parteien ist legitim. Wir haben keine große Lust auf NPD-Werbung. Wir würden es ablehnen, so wie wir auch keine sexistische Werbung dulden. Aber würde die NPD das per Klage durchsetzen, könnten wir nichts dagegen machen.
politik-digital.de: Wie sieht der Plakatwahlkampf Ihrer Meinung nach in zehn Jahren aus?

Daniel Abbou, Rika Schreiber: Er wird schneller und interaktiver. Die Chance dieses neuen Wahlkampfes ist, den Wähler direkt anzusprechen, und zwar zeitgenau. Zum Beispiel morgens auf dem Weg zur Arbeit. Themen über Arbeitnehmer kommen von 7 bis 9 Uhr besser an als um 11 Uhr. Abends sollte man die Jugend ansprechen.
Wir können in der Marktforschung testen, wann wer welche Werbung wahrnimmt. Damit könnte ein zeit- und ortsgenauer Wahlkampf gemacht werden. Die Agenturen der Parteien müssen nicht ein Jahr vorher mit der Wahlwerbung fertig sein, weil wir von heute auf morgen neue Inhalte einspielen können. Zum Beispiel bei einem Kanzlerduell: Die Plakate können sofort angepasst werden, damit ist eine supergenaue Steuerung möglich. Es muss auch nicht in der ganzen Stadt das gleiche Programm laufen. Was man nicht vergessen darf: Die Parteimitglieder werden weniger und älter, und es wird schwieriger werden, eine Vollplakatierung mit Unterstützung des Ortsvereins zu gewährleisten.
Im Bundestagswahlkampf könnte man je nach Bundesland unterschiedliche Kampagnen fahren. Analog ist das auch möglich, aber viel aufwändiger. Die Frage wird sein: Wie wird das angenommen, wollen die Parteien das oder bleiben sie bei ihrem analogen, klassischen Plakatdenken? Es ist spannend, wie sie reagieren werden, bei der ersten Präsentation waren die Reaktionen erst mal sehr positiv.
Bilder:Titelbild: Wikimedia Commons , Porträt Daniel Abbou/Rika Schreiber: Google, Showcase Bilder: Wall AG
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