Grafik Digitalindex D21 2017 2018 CC-BY-SA-NC-2.0Die digitale Kompetenz der Deutschen nimmt zu – wenn auch nur leicht. Das ist ein Ergebnis des am 23.01.2018 vorgestellten „D21-Digital-Index“ der Initiative D21. Allerdings sind in Deutschland immer noch 12 Millionen der Bürger offline. Auch gibt es starke Schwankungen bei den Kompetenzen in Bezug auf Merkmale wie Alter, Bildung und Geschlecht. Die ungleiche Verteilung der Kompetenzen und die scheinbar fehlenden Angebote lassen sich daher auch als Aufforderung zum Handeln verstehen.

Der Index der Initiative D21 setzt sich aus 4 Hauptkomponenten mit weiteren Unterkomponenten zusammen, die mit einer unterschiedlichen Gewichtung in die Gesamtbewertung eingehen. Die Hauptpunkte sind: Zugang zur Digitalisierung, Nutzung(svielfalt) in der digitalen Welt, digitale Kompetenz und Offenheit zum Internet. Der dadurch ermittelte Digitalisierungsgrad der Gesellschaft geht dabei von 0 bis zu 100 Punkten. In Deutschland liegt er zurzeit bei 53, ein Mittelwert in der EU, wobei der Zugang zum Internet die meisten Punkte verzeichnet und die digitale Kompetenz den größten Zuwachs.

Ungleichheit bei Geschlecht, Alter und Bildungsgrad

Die Nutzung des Internet und die digitalen Kompetenzen nehmen insgesamt leicht zu. Dies ist erfreulich, da die digitalen Möglichkeiten bezüglich Partizipation, Informationsgewinnung und Bildung sowie für die Arbeit stetig ausgebaut werden. Um so wichtiger ist es, dass dieser zaghafte Trend nicht abreißt.

In der Studie wird allerdings klar, dass es große Unterschiede bei der Ausschöpfung dieser Möglichkeiten in Bezug auf Merkmale wie Geschlecht und Alter gibt. Um beispielsweise an gesellschaftlichen Diskussionen über die Digitalisierung teilzunehmen, ist es wichtig mit Begriffen wie Cookies, Künstliche Intelligenz, E-Government etc. etwas anfangen zu können. Deutlich mehr Männer als Frauen kennen diese Begriffe. Das schadet der Diversität der Diskussion um die Zukunft einer digitalen Gesellschaft in allen Bereichen.

Bild D21 zu Unterschied

Die Studie arbeitet drei „Typen“ heraus, die die Einstellung zur Digitalisierung klassifizieren. Die digitalen Abgehängten, die digital Mithaltenden und die digitalen Vorreiter. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen Männern und Frauen: die digitalen Vorreiter werden von Männern um die 40 Jahre dominiert, die digitalen abgehängten vor allem von Frauen um die 70 Jahre.

12 Millionen Menschen in Deutschland sind, der Studie zufolge, sogenannte „Offliner“. Sie sehen weder Nutzen noch Notwendigkeit, das Internet zu benutzen. Obwohl diese Gruppe ganz leicht schrumpft, so sind hier vor allem Menschen anzutreffen, die über 70 Jahre alt sind. Der „Zugang“ und der „Nutzen“ sind bei dieser Gruppe sehr gering, was sich auch in einer geringen „Offenheit“ niederschlägt.

Das Problem dabei: Viele Services lassen sich oftmals nur noch im Internet erledigen oder sind hier sehr viel komfortabler. Die Gruppe der „Offliner“ lässt die Dinge, die nur im Internet erledigt werden können, dann durch die Verwandtschaft oder Bekannte erledigen. Das ist ein schlechtes Zeichen für die digitale Mündigkeit dieser Bürger, da viele Services im Internet gerade die Selbständigkeit und Mündigkeit auch älterer Menschen stärken können.

Die Studie zeigt vor allem, dass es zwar immer mehr digitale Vorreiter gibt, aber immer noch sehr viele Bürger im digitalen Abseits stehen. Oft sind Angebote, die für bestimmte Gruppen interessant wären, diesen fast völlig unbekannt. 16% der Über-50-Jährigen können etwas mit dem Begriff E-Health anfangen. Obwohl dieses Themenfeld auch für diese Altersgruppe sehr interessant wäre und neue Möglichkeiten bietet.

Den traurigen vorletzten Platz der Begriffe und Themen bildet übrigens das E-Government. Wenn die Menschen mit dem Begriff und dem dahinterstehenden Thema so gut wie nichts anfangen können, wird es schwer, die Möglichkeiten dieser Form der modernen Verwaltung und Politik umzusetzen. In der Diskussion um diese Themen fehlt somit der Input vieler Bürger, die unmittelbar betroffen sind.

Sie sollen lernen, was wir nicht können

Programmieren als grundlegender Bestandteil der Schuldbildung? Digitale Medienkompetenz als Grundlage aller Fächer in der Schule? Zwei Drittel der Deutschen wünschen sich das. Dass diese Forderung und der Wunsch von so vielen Menschen befürwortet wird, ist in bemerkenswert.

Bild D21 BildungDer größte Teil der deutschen Bürger sind konservative Internetnutzer. Sie nutzen das Internet, wenn sie es brauchen, interessieren sich selbst aber nicht dediziert dafür. Die Forderung, dass Kinder dies in der Schule tun sollten, erstaunt daher auf den ersten Blick. Gerade unter dem Aspekt, dass nur 33 Prozent der Bürger angeben, selber Interesse daran zu haben, ihr Wissen über Computer und digitale Themen zu verbessern. Hämisch könnte man anmerken: Die Kinder sollen, was die Erwachsenen selbst nicht wollen.

Zudem schließen sich einige Fragen an. Dass Programmieren und digitale Medien immer wichtiger werden, ist vielen klar, aber welche Fächer sollten diesen neuen digitalen Fächern weichen, wer soll neues Equipment und geschultes Personal bezahlen? Eine andere Frage ist, wie Programmieren bewertet werden soll. Mit Noten von eins bis sechs? Sollten Kinder, die sich nicht für digitale Themen interessieren, einen niedrigeren Schulabschluss machen werden.

Das Tor zum Internet

Die Deutschen nutzen immer mehr ihr Smartphone. Die Anwendungsbereiche reichen dabei von der Informationsbeschaffung bis zu der Nutzung von Streaming-Diensten. Bemerkenswert ist allerdings, dass durch alle Altersschichten hinweg das Smartphone primär zur Beschaffung von Informationen genutzt wird. Das steht dem eher konservativem Bild konträr entgegen, dass das mobile Endgerät die Menschen „verdummt“. Das die Nutzung zunimmt, lässt sich auch durch den technischen Fortschritt und den verbesserten mobilen Zugang zum Internet erklären. Dabei stellt das Smartphone in der Gesellschaft, bildlich gesprochen, das Tor zum Internet dar. Es wird mehr genutzt als jedes andere internetfähige Gerät, Tendenz stark steigend. Entsprechend sollten sich Angebote der Partizipation viel mehr auf den mobilen Sektor fokussieren.

Forderungen, die sich hieraus ergeben

Aus der Studie ergibt sich, dass es vor allem älteren Menschen an einer sicheren Umgebung im Internet mangelt. Die Gruppe der über 70-Jährigen, die einen großen Teil der Offliner ausmachen, wird weder zielgerichtet angesprochen, noch besteht für die Menschen genug qualitativer Content. Eine Überlegung in der Hinsicht wäre, Inhalte von älteren Menschen für ältere Menschen zu ermöglichen. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Den Menschen im hohen Alter scheint das Interesse und damit auch der Nutzen des Internets schlichtweg nicht klar zu sein. Dabei ist es gerade diese Altersgruppe, die von Diensten und Angeboten im Internet profitieren könnten. Durch das Bestellen oder Abfragen von Leistungen sowie die Beschaffung von Informationen im Internet könnten ältere Menschen zielgerichteter und selbständiger handeln und sich unabhängig von körperlichen Beschwerden Mündigkeit und Unabhängigkeit weiter bewahren.

Die Politik sollte versuchen, für diese Menschen sichere Umgebungen zu schaffen, in denen auch ältere Menschen die Möglichkeiten haben, die Chancen des Internet für sich zu entdecken.

Neue digitale Geräte und Techniken werden in Deutschland eher skeptisch gesehen und ihre Verbreitung findet schleppend statt. Die meisten Menschen sind zögerlich und nehmen nur sehr wenige Services im Internet wahr. In diese Richtung sollte demnach auch die Debatte gehen. Es mag verlockend erscheinen, über ethische Fragen bei Polizeirobotern oder selbstfahrenden Autos zu diskutieren, allerdings sind die Deutschen noch lange nicht so weit, solche Dinge überhaupt zu akzeptieren oder den Nutzen verstehen zu wollen. Vielmehr sollten Möglichkeiten der Digitalisierung in den Mittelpunkt der Diskussion rücken. Was bringt E-Government, welche Vorteile hat es für die Menschen im ganz konkreten, was sind digitale Partizipationsmöglichkeiten an politischen und gesellschaftlichen Prozessen? Solange die Dinge nicht positiv konnotiert und aus den Nischen heraustreten sowie auch aktiv von der Politik in die Gesellschaft getragen werden, so werden die negativen Ansichten entfernter Themen wie KI und AI immer als Schatten über dem Thema der Digitalisierung hängen.

Zudem zeigt das Befragungsergebnis zu den neuen digitalen Fächern in der Schule, dass viele Bürger wissen, wie wichtig diese für die Zukunft sind. In dieser Hinsicht sollten in der Politik Überlegungen stattfinden, wie diese sich realisieren lassen. Um die Grundlage für fruchtbare Diskussionen zu legen und ein positives Zukunftsbild zeichnen zu können, ist es unabdingbar, Begriffe und Konzepte der Digitalisierung besser zu erklären. Nur so können auch alle an der Debatte teilnehmen oder sich ein umfassendes Bild zur Digitalisierung machen. Die Diskussionen dazu finden nur in bestimmten Kreisen statt und das ist, wie die Studie mit Fakten belegt, nicht gut genug.

 

Titelbild : D21-Digitalindex 2017 2018 by D21 via FlickrCC-BY-NC-SA 2.0, bearbeitet
Grafiken: D21-Digitalindex 2017 2018 by D21 via Flickr, CC-BY-NC-SA 2.0

 

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