Sechs Monate sind vergangen, seitdem politik-digital.de das letzte Mal über den “Social Media-König“ Cory Booker berichtet hat. Jetzt hat „Obama Light“, wie der US-Demokrat medienwirksam genannt wird, sein nächstes Ziel erreicht: einen Sitz als Senator im nördlichen Flügel des Kapitols. Es ist ein Sieg, der vielleicht weniger seinem Online-Wahlkampf geschuldet ist, als viele vermutet haben. Eine Analyse.
Betrachtet man lediglich die Präsenz der beiden Bewerber um den Senatorensitz, durfte man wohl keinen Zweifel am Wahlsieg des 44-jährigen demokratischen Kandidaten Cory Booker haben. Sein Sieg gegen den erzkonservativen Konkurrenten und Republikaner Steve Lonegan bei den außerordentlichen US-Senatswahlen („Special Elections“) im Bundesstaat New Jersey fiel aber weitaus weniger deutlich aus, als viele vorherzusehen geglaubt hatten. Hat der „Social Media-König“ schon seinen Glanz verloren oder hat Bookers Online-Kampagne eine geringere Rolle gespielt als etwa bei seinem Vorbild Barack Obama? Die Wahl war nötig geworden, nachdem Bookers Vorgänger im Senat, der Demokrat Frank Lautenberg, im Frühsommer verstorben ist.
Heimspiel auf Twitter
Bereits im Frühjahr, noch vor seiner unerwarteten Kandidatur für die außerordentliche Wahl am 16. Oktober, hatten wir Bookers erfolgreiche Twitternutzung beschrieben. Über 1,4 Millionen Follower scharen sich um den einstigen Bürgermeister von Newark. Seine Anhänger kommen nicht nur aus Newark oder New Jersey, sondern aus allen US-Staaten. Ein bemerkenswerter Vorteil, sollte man meinen, für jemanden, der sich (nur) für ein Amt auf Bundesstaatsebene bewirbt. Allerdings konnte Booker im vergangen halben Jahr – bei seinem Aufstieg vom Bürgermeister zum Senatskandidaten – nicht viel mehr als 100.000 Follower hinzugewinnen, obwohl seine landesweite Medienpräsenz stark zugenommen hat.
Booker ist auf Twitter seiner Linie treu geblieben. Die fünf Twitter-Tipps, die er im Frühjahr preisgegeben hatte, lassen sich auch im Wahlkampf aus seinem Profil herauslesen. Booker suchte den direkten Kontakt zu den Bürgern, scheute keine Diskussion und setzte laut Twitter Counter 29 Tweets pro Tag ab, am letzten Tag vor der Wahl waren es sogar 76. An einem normalen Arbeitstag wären das mehr als ein Tweet alle zehn Minuten. Da sich selbst in der Tonlage der Tweets im letzten Jahr nichts geändert hat, nimmt man Booker ab, dass er sich auch im Wahlkampf selbst die Finger wund schrieb. Ganz im Stile seiner selbstformulierten Regel: „Twittern ist kein zusätzlicher Bonus. Es hat Priorität.”
Obama Light auf YouTube
Doch Twittern allein führt ohnehin nicht zum Wahlsieg. Bookers Team nutzte auch Wahlwerbespots als audio-visuelle Wahlkampfhelfer, die eine große Reichweite erzielen (können). Längst produzieren Wahlkampfteams nicht mehr den einen Spot fürs Fernsehen, sondern eine Vielzahl kurzer Werbefilme, die sich in den sozialen Netzwerken teilen lassen und für Video-Portale wie geschaffen sind. Cory Bookers YouTube-Kanal bietet Spots, die ansprechend produziert sind und einen starken, offenen und charismatischen Politiker zeigen, der gemeinsam mit den Bürgern das Land verbessern will.
Bookers Videos erinnern stark an die „Yes we can!“-Kampagne von Präsident Obama 2008. Auch Booker setzt auf das Konzept „Gemeinsam sind wir stark“, um den Patriotismus-Gedanken und den Zusammenhalt der Amerikaner für sich zu nutzen. Es fehlt jedoch das Innovative und Außergewöhnliche. Das schlägt sich auch auf die Klickzahlen der Videos nieder, die im Schnitt bei gerade mal ein bis zwei Tausend liegen. Da hilft auch keine prominente Unterstützung aus dem Weißen Haus.
Aphorismen auf Facebook
Eine ganz andere Strategie hat Booker auf Facebook verfolgt. Zwar wirbt er auch hier für sein Projekt #Booker4Senate, allerdings nicht nur mit Fotos oder Veranstaltungshinweisen, sondern insbesondere mit Hilfe berühmter Zitate. Booker zitiert Persönlichkeiten wie den Dalai Lama, Martin Luther King Jr. oder Plato – Hauptsache, die Gemeinschaft steht im Fokus des Zitats. Ein kluger Schachzug, denn die universell gültigen Zitate bekommen nicht nur mehr Likes als „normale“ Beiträge, sondern können bei den Adressaten positive Gefühle auslösen, die dann entsprechend mit Booker bzw. seiner Kampagne in Verbindung gebracht werden.
Soziale Medien: Erfolg oder Misserfolg?
Gleich vorweg: Man kann nicht von einem Sieg Bookers oder einer Niederlage seines Widersachers Lonegan in den Sozialen Medien sprechen. Zu ungleich waren die Voraussetzungen für die Senatswahl in New Jersey. Nicht nur, dass in dem Bundesstaat südlich von New York in den vergangenen 40 Jahren kein Republikaner eine Senatswahl gewinnen konnte, Cory Booker zählt zu den Hoffnungsträgern der Demokraten und ist als Social Media-Experte landesweit in der Presse präsent gewesen. Lonegan auf der anderen Seite gilt als erzkonservativ und nicht sehr charismatisch. Zusätzlich hat Booker laut dem Nachrichtenportal NJ.com achtmal so viele Spenden für seinen Wahlkampf gesammelt wie sein Konkurrent Lonegan. Es gibt also eine Menge Faktoren, die – abgesehen von seiner Social Media-Präsenz – für Booker sprachen.
Bei einer vergleichbaren Beliebtheit (im Netz) ist es vielmehr verwunderlich, dass das Rennen am Ende relativ knapp ausfiel (55 zu 44 Prozent). Kritiker werfen Booker vor, dass er mit seinen Fundraising-Touren nach Hollywood und zum Silicon Valley mehr Zeit außerhalb des Bundesstaates verbracht hat, als in seinem Wahlbezirk. Der Online-Wahlkampf war solide und sicher nicht hinderlich für den Gewinn der Wahl. Für politische Kommunikatoren und Spin Doktoren gab es aber wenig Überraschendes und keinen Erkenntnisgewinn darüber, ob ein groß angelegter Online-Wahlkampf ein Erfolgsgarant ist.
Bilder: Tris Hussey (CC BY-NC 3.0), Twitter, Facebook