Corporate Social Responsibility, also Gesellschaftsverantwortung von Unternehmen, ist bereits seit langem fester Bestandteil unternehmerischer Praxis. Aber was genau steht hinter dem Begriff der Digital Responsibility? Inwiefern neue Verantwortung auf Unternehmen und Politik in einer digitalisierten Gesellschaft zukommt, wurde am Donnerstag, den 21. Juni, von der Arbeitsgruppe Ethik der Initiative D21 diskutiert.
Digitalisierung bringt neue, vorher nicht da gewesene Handlungsmöglichkeiten. Sie wirft Fragen auf, die wir vorher nicht gestellt haben – und auf die auch ethische Antworten gefunden werden müssen. Benötigen wir dafür eine neue Ethik, oder genügen bereits existierende ethische Frameworks? Die Arbeitsgruppe Ethik hat sich das Ziel gesetzt, ethische Grundvorstellung auf die digitalisierte Gesellschaft zu übertragen. In der Veranstaltung am 21.06.2018 beschäftigt sich die Arbeitsgruppe mit der Corporate Digital Responsibility – welche Verantwortungen haben Unternehmen in einer digitalen Gesellschaft? Wir werden heute politische und wirtschaftliche Interpretationen dieser Frage hören.
CDR heißt, „Verantwortung nicht an der Garderobe der Digitalisierung abzugeben“
„Für uns“, sagt Stephan Engel, Head of Corporate Responsibility der Otto Group, „ist Ethik Teil unserer wirtschaftlichen Erfolgsfunktion.“ In erster Regel sei er Kaufmann, Hamburger Kaufmann, nicht Ethiker. Angenehm ehrlich wirkt er mit seinem Bekenntnis. Dennoch, so steht es in dem 80 Seiten langen Imagebericht seines Unternehmens, bedeutet Kaufmannsein eben auch, sogenannte Kaufmannstugenden zu berücksichtigen: Werte sind essentiell für sein Unternehmen. Engel fährt fort: „CDR heißt, Verantwortung nicht an der Garderobe der Digitalisierung abzugeben.“ Was genau steckt hinter dieser Verantwortung? Neben den Vorteilen der Digitalisierung führt die Schnelligkeit, mit der sie voranschreitet, auch zu Verunsicherung, so steht es in dem Otto-Bericht. Das scheint Björn Stecher, stellvertretender Geschäftsführer der Initiative D21, zu meinen, als er kurz darauf von Vertrauensankern spricht, an denen sich Menschen festhalten können. „Es ist wichtig, Vertrauen zu schaffen“, sagt er, „um die Komplexität der Digitalisierung für die Gesellschaft zu reduzieren.“ Vertrauen ist ein Wort, das noch häufiger auf dieser Veranstaltung fällt, es scheint von hoher Bedeutung zu sein. Doch inwiefern ist das Schaffen dieses Vertrauens Teil dieser Verantwortung? Wie lässt sich der abstrakte Begriff CDR konkretisieren?
CDR als digitale Ergänzung einer CSR?
Jens-Rainer Jänig, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur mc quadrat, versucht sich an einer Definition: Corporate Digital Responsibility sei Verständnis von Unternehmensverantwortung in und für eine digitale Gesellschaft. Es umfasse es eine regulierte und eine freiwillige Ebene: Einerseits also das Einhalten relevanter Gesetze oder Richtlinien, andererseits die Wahrnehmung einer freiwilligen Verantwortung bei der Mitgestaltung der digitalen Gesellschaft. Im Fokus, so Jänig, sollen die über die regulative Ebene hinausgehenden freiwilligen Maßnahmen stehen. In der anschließenden Diskussionsrunde sorgt das für Unklarheit bei anderen TeilnehmerInnen: An Regeln halten – ist das wirklich Verantwortung oder nicht vielmehr Selbstverständlichkeit, ja, eine notwendige Rahmenbedingung für gesellschaftliche Teilnahme? Aber, antwortet Stecher darauf, ist es beispielsweise mit der DSGVO überhaupt noch so eindeutig, inwiefern, wann und wo ein Unternehmen gegen Recht verstößt? Eine klare Antwort wird es heute also nicht darauf geben.
CDRs Vorgängerin, die Corporate Social Responsibility, ist lange ein Begriff. Sie umfasst in der Regel die zusätzlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten, die ein Unternehmen sich auferlegt, nicht die gesetzlichen. Allerdings ist CDR ungleich CSR: Jänig fragt sich, welche Rolle CDR neben CSR einnehmen soll. Ist sie etwas grundlegend neues, nur eine digitale Neuinterpretation dessen, was bereits existiert – oder sollten wir sie vielmehr als Ergänzung verstehen?
Besonders groß, das ist für Jänig bereits eindeutig, ist allerdings die Verantwortung von Unternehmen in sehr marktmächtigen Positionen. Unternehmen mit monopolähnlicher Stellung, wie Google, dürfen nicht nur reagieren, sondern müssen proaktiv die Fragen beantworten, die Digitalisierung in Bezug auf Gesellschaft und Ethik aufwirft.
Beschwerdemanagement als Bestandteil einer CDR
Zuletzt hören wir die politische Perspektive. Wolfgang Teves vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erklärt, was aus seiner Sicht Potentiale einer CDR sind. Auch für ihn spielt Vertrauen eine Schlüsselrolle, auch für ihn geht CDR über Regulierungen hinaus: CDR ist etwas, das flexibler ist, und von jedem Unternehmen individuell definiert und umgesetzt werden kann. Die Handlungsfelder einer CDR sind für jedes Unternehmen, vom traditionellen Konzern bis zum Start-Up, unterschiedlich, anders als allgemeingültige Gesetze. Für Teves ist außerdem klar, dass es bei CDR um mehr geht, als nur um Transparenz und Datenschutz: Aus seiner Sicht als Verbraucherschützer sind auch Beschwerdemanagement und Streitbeilegungsverfahren essentielle Bestandteile von digitaler Verantwortung.
Teves sucht auch offen die Diskussion: Wie kann Politik CDR mitgestalten, und wie kann sie das Übernehmen von Verantwortung in der Digitalisierung begleiten? Für ihn steht fest, dass verschiedene Akteure zusammenarbeiten müssen: Politik, NGOs, Unternehmen, internationale Organisationen. Wie passend, dass aus jedem Feld heute jemand an der Sitzung der AG Ethik teilnimmt.
Am Ende Veranstaltung ist deutlich geworden, welche Schlüsselrolle Vertrauen zukommt. Es wird allerdings auch deutlich, dass wir erst am Anfang stehen: Wir wissen, dass CDR von großer Bedeutung ist – doch wie wir sie gestalten und was sie genau beinhalten wird, muss noch geklärt werden. Ist sie einfach nur ein Teil der CSR – die nun eben neben einer analogen, auch eine digitale Komponente umfasst? Oder ist sie wirklich etwas grundlegend Andersartiges? Derzeit suchen wir noch nach Antworten auf diese Frage, die die Rolle von immer digitaler werdenden Unternehmen prägen wird.
Die Arbeitsgruppe Ethik trifft sich einmal im Quartal und wird geleitet von der Initiative D21. Mehr Informationen dazu gibt es hier.
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