Nach dem pompösen Auftritt der republikanischen Konkurrenz an der
Ostküste sind die Demokraten unter Druck geraten. In den alten Medien hat die Vorab-Berufung des jüdischen Senators
Joseph Lieberman (Connecticut) bereits für eine Umlenkung der Aufmerksamkeit in Richtung Los Angeles gesorgt.
Und auch im Netz werden sich ab dem 14. August die Augen "nach Westen" richten, wenn der Parteikonvent
ein digitales Beben auslösen soll.
Die demokratische Antwort auf die "Dotcom-Delegierten" der Republikaner nennt
sich "e-Mersion" und steht als Sammelbegriff für eine Vielzahl technischer Tools, mit denen der
Nominierungsparteitag den Rang einer echten "e-Convention" erhalten soll. Die digitale Aufrüstung kommt nicht
von ungefähr, denn schließlich hatte die republikanische Konkurrenz vor zwei Wochen einiges vorgelegt.
Besonders der clevere PR-Trick, einen mit Sonderrechten ausgestatteten Online-Zugang zur Berichterstattung
aus Philadelphia im Gewand einer virtuellen Parteitagsdelegation anzubieten, hatte für reichlich
Medieninteresse gesorgt. Der Subtext dieser media challenge war deutlich genug: die Tage von Al Gore
als Vorzeigepolitiker für den IT-Sektor sind gezählt, die Zeiten der National Information
Infrastructure oder der rührigen Net Day-Aktionen in amerikanischen Schulen sind ein für allemal vorbei.
Bush & Co. zeigten sich gerüstet für ein Tête-à-tête mit der immer mächtiger werdenden IT-Lobby.
Die Demokraten und nicht zuletzt Al Gore selbst sind sicher dieser Situation offenbar bewusst – nicht von ungefähr
ist mit Joseph Lieberman ein running mate gefunden, der von der Tech-Elite zwischen dem kalifornischen Silicon Valley und
dem New Yorker Silicon Alley freundlich aufgenommen wurde. "Er ist eine fantastische Wahl", wird etwa
Netscape-Gründer Marc Andreesen zitiert. Lieberman sei "sehr clever und kennt die Bedürfnisse der IT-Industrie
extrem gut". Eine solche Technologiefreundlichkeit scheint ein wichtige Eigenschaft in der aktuellen Kampagne
zu sein, denn auch Bush´s Mitbewerber Richard "Dick" Cheney genießt den Ruf eines Routiniers, der den Sprung
von der alten in die neue Ökonomie geschafft hat. So viel Zukunftsgewandtheit erschwert freilich eine Abgrenzung
in politischen Sachfragen auf den zahlreichen Schauplätzen der amerikanischen Multimediapolitik.
Zahlreiche technologische Gimmicks sollen nun bereits die Nomierungszeremonie zum politischen Statement
werden lassen – eine Taktik, an der sich auch die Republikaner versucht hatten und die bis auf einige Probleme mit
der Videoübertragung ins Internet auch aufgegangen zu sein scheint. Ähnlich wie schon in Philadelphia wird nun
auch der Veranstaltungsort für mindestens eine Woche zum Spielplatz für High-Tech-begeisterte Demokraten.
Gehören Chat-Veranstaltungen mit prominenten Parteivertretern oder das "Webcasting", also die
Direktübertragung ins Internet schon zum digitalen Pflichtprogramm, haben sich die Organisatoren der Convention
auch einige anspruchsvolle Kürelemente einfallen lassen. Das Staples Center, für gewöhnlich Spielort des
NBA-Champions L.A. Lakers, wird mit Info-Kiosken, Andockstellen für Handheld-Geräte und Lesegeräten für die
Smart-Cards der Delegierten nahezu flächendeckend mit Schnittstellen in die virtuelle Welt überzogen.
Selbst die Umkleideräume von Shaquille O´Neill, Kobe Bryant und Kollegen werden zur Nutzfläche für den
Parteitag – allerdings nur als Abstellkammer.
Doch der temporäre Technologiepark dient nicht nur als Edel-Schaufenster für begüterte Netzbürger, sondern es
finden auch ganz handfeste Versuche zur Modernisierung der Parteitagsroutinen statt. So sollen die
Delegierten etwa elektronisch abstimmen, um die Resultate im Mausumdrehen auch der Online-Öffentlichkeit
zugänglich machen zu können. Allerdings nehmen sich diese Integrationsversuche eher bescheiden aus, sie stehen
im Schatten des zeitweiligen Schulterschlusses von Partei und IT-Prominenz. In der Wahlkampfdramaturgie
erfüllen die Conventions freilich ihren Zweck und aus dieser Perspektive erscheint auch die digitale Hochrüstung
mehr als plausibel. Nach der aufreibenden Vorwahl-Reise durch das Land bilden die Conventions
einen wichtigen Einschnitt für die geplante Erfolgsbiografie des Präsidentschaftskandidaten. Auf hell
erleuchteter Bühne und inmitten einer perfekten Choreografie soll der Kandidat zum kommenden Präsident
verwandelt werden. Zurzeit leisten die Neuen Medien dazu genauso ihren Beitrag wie Konfetti, Luftballons,
Kokarden und Standarten.
Der durch die Conventions ausgelöste neuerliche Modernisierungsschub schiebt die zuletzt ein wenig zur Ruhe
gekommene e-Campaign auf´s Neue an und läutet allmählich den Endspurt im Rennen um das Weiße Haus ein.
Die Wahl ihrer running mates haben beide Bewerber jedoch weitaus konservativer durchgeführt als der
Weltmarktführer auf dem Sportartikelmarkt. Mit via Internet personalisierbarem Schuhwerk liefert
Nike einen der originellsten Beiträge zur aktuellen Kampagne. Unter dem entwaffnenden Slogan
"NIKEiD gewährt freie Meinungsäußerung für das amerikanische Fuß-Volk" lassen sich die offiziellen
Laufschuhe für die Präsidentschaftskampagne gestalten: wahlweise mit "demokratischem" oder
"republikanischem" Aufdruck.