Der 18. Bundestag hat 229 neue Gesichter: Mehr als ein Drittel der Abgeordneten sitzt zum ersten Mal in den blauen Sesseln. Bringen die neuen Abgeordneten auch frischen Wind für die Netzpolitik und eine digitale Gesellschaft mit? Diesmal antwortet: Cansel Kiziltepe (SPD).
politik-digital.de: Wie nutzen Sie das Internet für Ihre politische Arbeit?
Cansel Kiziltepe: Das Internet ist aus meiner Arbeit nicht wegzudenken. Mit Mails halte ich schnellen Kontakt zu meinen Mitarbeitern und Parteifreunden. Über die Online-Angebote von Tageszeitungen halte ich mich auf dem Laufenden oder recherchiere zu politischen Fragestellungen. Facebook, Twitter und eine eigene Website haben schon während meines Wahlkampfes zum Standardprogramm gehört. Das wird auch in Zukunft weiter gepflegt und ausgebaut, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen und erreichbar zu sein.
politik-digital.de: Wie schützen Sie Ihre Privatsphäre?
Cansel Kiziltepe: Privates und Berufliches zu trennen ist als Bundestagsabgeordnete nicht ganz leicht. Die Menschen haben ein gewisses Bedürfnis, auch persönliche Dinge über mich zu erfahren. Trotzdem gibt es viele Dinge, die nicht auf eine Homepage oder Ähnliches gehören.
politik-digital.de: Welche Bedeutung hat das Thema Netzpolitik für Sie? Wollen Sie sich in diesem Politikfeld engagieren?
Cansel Kiziltepe: In der letzten Wahlperiode gab es bereits eine Enquete-Kommission zu diesen Fragen. Die Ergebnisse sind sicherlich nicht allzu konkret, aber ich glaube, dass wir erst am Anfang der Diskussion stehen, wie das Internet unser Zusammenleben verändert und wie wir darauf reagieren müssen. Ein Problem ist zurzeit immer noch, dass die Diskussion sehr fachspezifisch ist und nur wenige Experten das Thema wirklich durchdringen. In dieser Legislaturperiode sollten wir daran arbeiten, die Netzpolitik aus der Expertenecke herauszuholen und breiter in der öffentlichen Diskussion zu verankern.
politik-digital.de: Wie stehen Sie zur gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität?
Cansel Kiziltepe: Die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität haben wir bereits im Wahlprogramm gefordert. Ich freue mich sehr, dass dieses Vorhaben auch mit der Union verabredet werden konnte und nun im Koalitionsvertrag steht.
politik-digital.de: Ist Datenschutz für Sie eine staatliche oder eine individuelle Aufgabe? Inwieweit können oder müssen wir uns selbst schützen und wo muss der Staat eingreifen?
Cansel Kiziltepe: Datenschutz ist beides. Jeder kann den Umgang mit seinen Daten in gewisser Weise selbst beeinflussen, beispielsweise indem er oder sie entscheidet, wie viel bei Facebook preisgegeben werden soll. Aber natürlich erheben Behörden und staatliche Stellen auch Daten. Wenn diese in die falschen Hände geraten, dann liegt das in der Verantwortung des Staates. Außerdem hat gerade die NSA-Affäre gezeigt, dass es als Einzelperson fast unmöglich ist, sich vor dem Zugriff anderer Geheimdienste zu schützen. Da hat Politik auch eine Verantwortung, dies nur unter ganz bestimmten Umständen zuzulassen.
politik-digital.de: Halten Sie die Vorratsdatenspeicherung für ein angemessenes Mittel der Kriminalitätsbekämpfung? Wie würden Sie sie einschränken?
Cansel Kiziltepe: Nein. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der Menschen. Ich finde es falsch, wenn Daten anlasslos gespeichert werden. Eine Strafverfolgung hat genügend andere Möglichkeiten, auf die zurückgegriffen werden kann, wenn es um die Aufklärung insbesondere von schweren Straftaten geht.
politik-digital.de: Welche netzpolitischen Fragen müssen Ihrer Ansicht nach im kommenden Jahr dringend eine Antwort finden?
Cansel Kiziltepe: Aus meiner Sicht brauchen wir eine Antwort auf die NSA-Affäre und die Frage, wie wir in einer vernetzten Welt, in der nationale Regeln immer weniger Bestand haben, mit Datenschutz umgehen. Daneben brauchen wir dringend eine Verbreiterung der Diskussion unter Gerechtigkeitsaspekten: Gehört der Internetanschluss zum Existenzminimum? Schaffen wir es flächendeckend auch in ländlichen Regionen schnelle Verbindungsraten bereitzustellen? Wie können wir Kindern und Jugendlichen eine Medienkompetenz vermitteln, die nicht abhängig vom Elternhaus ist? Das alles sind Fragen, die mir bisher zu kurz kommen.
Bild: barockschloss (CC BY 2.0)
Porträt: (C) Cansel Kiziltepe