Bereits einen Tag nach Obamas Wahlsieg luden Carta und ZEIT Online zur Diskussion über die mögliche Vorbildfunktion des US-Wahlkampfes für die Bundestagswahl 2013. Zu Gast in Berlin war Hans-Jörg Vehlewald, einer der Verantwortlichen für den Online-Wahlkampf der SPD.
Mit etwa 40 Gästen war die Veranstaltung in den Redaktionsräumen von ZEIT Online annähernd voll besetzt. Das Get-Together war die Auftaktveranstaltung einer Diskussionsreihe, initiiert vom Autorenblog Carta.info und ZEIT Online.
Zuhören und Kosten sparen
Das Thema ist gut gewählt: Nach Obamas berauschendem Wahlerfolg fragt sich so mancher, ob die Strategien des amerikanischen Präsidenten von den hiesigen Parteien zur Bundestagswahl 2013 aufgegriffen werden könnten. Ein wichtiges Element war der Kauf von privaten Daten, um Informationen über Wahlpräferenzen und Lebensumstände potentieller Wähler zu erfahren und dadurch eine maßgeschneiderte Wähleransprache zu erreichen. „Damit arbeiten wir nicht“, erklärte Hans-Jörg Vehlewald von der SPD rundheraus. Als Abteilungsleiter „Kommunikation“ ist der ehemalige Chefreporter Politik der Bildzeitung seit März dieses Jahres mitverantworlich für den Online-Wahlkampf der SPD und gut informiert. Zwar wäre es möglich, die online erhobenen Daten von 5,5 Millionen deutschen Haushalten käuflich zu erwerben, aber ein solches Vorgehen sei aus ethischen Gründen abzulehnen. Das Internet komme im Wahlkampf der SPD vielmehr in anderer Hinsicht zum Einsatz: Es könne zum Zuhören genutzt werden.
„Was muss in Deutschland besser werden?“, hatte die SPD in ihrem Bürgerdialog gefragt, der am 23. September gestartet war und sich nun in der Auswertungsphase befindet. Antworten konnten auf einer vorgedruckten Postkarte eingesendet oder auf der Internetseite der SPD abegeben werden. „Ein wirkliches Gefühl dafür, was die Menschen bewegt, bekommt man wirklich erst im Kontakt mit vielen, vielen Menschen“, erläuterte Vehlewald die Bedeutung einer solchen Aktion, die den Startschuss für den Wahlkampf bildet. Allerdings würde die Auswertung der zahlreichen Antworten noch eine Weile dauern. Jeder einzelne Vorschlag solle zudem einzeln beantwortet werden – das Internet helfe hier auch, Kosten zu sparen.
Offline-Kandidat Steinbrück
Wie steht es um die Präsenz des SPD-Kanzlerkandidaten in sozialen Netzwerken? Auch hier hat Barack Obama neue Maßstäbe gesetzt. Von ihm und seiner Familie kamen sehr persönliche Meldungen, die über Twitter und Facebook ein Millionenpublikum erreichten. In E-Mails wurden Unterstützer jovial-herzlich angesprochen: „Ich bin so froh, dass es dich gibt“, schrieb Michelle Obama etwa an die Unterstützer ihres Mannes. Hierzulande wird wohl kein SPD-Symphatisant eine solche Nachricht von Peer Steinbrück erhalten. Der Kanzlerkandidat würde sich mit einem solchen Gehabe eher lächerlich machen, meinte Vehlewald, sie passe nicht zum Kandidaten, der offen mit seiner Offline-Einstellung kokettiert. Doch auch wenn im nächsten Jahr mehr Politiker auf Twitter und Co. vertreten sein sollten: Von einem personenbezogenen Wahlkampf à la USA ist Deutschland noch ein gutes Stück entfernt.
Ausschlaggebend für Obamas erfolgreiche Strategie war aber nicht seine Social-Media-Präsenz. Obama hat seinen Symphatisanten ganz konkrete Möglichkeiten zum Engagement geboten. Über das Internet konnten sich Menschen innerhalb von Minuten als Wahlkämpfer registrieren lassen und bekamen dann genau auf ihr Umfeld zugeschnittene Informationen und Materialien bereitgestellt. Auf der Seite „call.barackobama.org“ wurden Telefonnummern von amerikanischen Haushalten aufgeführt, zudem ein Gesprächsleitfaden und Pro-Obama-Argumente.
„Noch nicht in der heißen Phase“
Was hierzulande als 5-Minuten-Aktivismus belächelt wird, bietet einen ganz neuen Ansatz für politische Beteiligung: Klare Angebote zum Engagement, die die unterschiedliche Potentiale Einzelner ausschöpfen. Wer weder das Geld zum Spenden, noch die Zeit für den Einsatz als Vollzeit-Wahlkämpfer hatte, konnte sich so dennoch für seinen Kandidaten stark machen.
Die SPD ist laut Hans-Jörg Vehlewald von der heißen Phase des Wahlkampfes jedoch „noch weit entfernt“: Der Berater Kommunikation und Kampagnen konnte noch keine klaren Strategien benennen, derzeit sei noch nichts festgelegt. Die SPD steht in den Startlöchern, das Rennen hat sie aber noch nicht begonnen. Die Erkenntnis des Abends bleibt vage: Der US-Wahlkampf wird von der SPD keinesfalls kopiert werden, das Internet soll aber eine verstärke Rolle für die Öffnung der Partei spielen und zur Information der Symphatisanten genutzt werden.