Martin Kunze und Ulrich Kathöfer beschreiben
den digitalen Service der historischen Stadt

Das Bürgernetz Münster wurde auf
dem Colloquium buerger@internet.hh nicht im Vortrag, sondern »zum
Anfassen« dargestellt. Das Foyer war zum Internetcafe umgebaut worden
und bot die Möglichkeit, die vielfältigen Facetten des publikom –
Stadtnetz für Münster selbst in Augenschein zu nehmen. Als Ergänzung
soll der folgende Text dienen. Vielleicht kann das »Modell Münster« ein
Vorbild für ein Hamburger Bürgernetz und für andere Bürgernetze sein.
Aber sicher sind auch ganz andere Entstehungsgeschichten und Beteiligte
denkbar. Das Projekt stellt zumindest auch einen recht vielversprechenden Ansatz dar.

In Münster entstand schon 1995
die Initiative, ein Bürgernetz aufzubauen. Vorgestellt werden soll hier
zum einen die »Geschichte«, soweit man in diesem Zeitrahmen überhaupt
davon sprechen darf, zum anderen soll das publikom – Stadtnetz für
Münster, und dabei insbesondere die Bürgernetz-Ideen, die dort
eingegangen sind, dargestellt werden. Ein kurzer Blick auf weitere
Aktivitäten des büne e.V. bildet den Abschluß.

Die Geschichte des Bürgernetzes/Stadtnetzes:
Ein paar Faktoren in Münster waren für die Bürgernetz-Entwicklung
sicher förderlich, ein paar eher hindernd. Sicherlich haben aber die
typischen Eigenschaften der Stadt die Entstehung und Entwicklung des
publikom geprägt. Einige Stichworte zur Stadt Münster:

 

  • etwa 280.000 Einwohner
  • Universitätsstadt mit mehr als 50.000 Studenten
  • »Schreibtisch Westfalens« (fast nur Verwaltung, kaum Industrie)
  • Bischofsstadt
  • zwei konservative Tageszeitungen
  • aber: rot-grüne Mehrheit im Rat
  • Bereits Anfang 1995 gab es die ersten Aktivitäten zur Errichtung eines Bürgernetzes / Stadtinformationssystems:

     

  • Gründung des Verein Bürgernetz-büne e.V.
  • Ratsantrag »D.O.M.« (SPD – Grüne)
  • Ratsantrag »Telematik und Multimedia« (CDU)
  • Multimedia-Tage 1995
  • Gründung der Initiative Multimedia Münsterland
  • Gründung des Initiativkreis Telekommunikation (i-tek)
  • Am Anfang stand die Idee eines
    Bürgernetzes, wie es bereits in vielen Städten existierte (USA: local
    civic network). Die Initiative ging zum einen von engagierten Bürgern,
    meist Studenten, aus, die die Möglichkeiten des Internet an der
    Universität kennengelernt hatten. Das Bürgernetz sollte diese
    Möglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger verfügbar machen.
    Gleichzeitig wurde bei den Grünen über ein städtisches
    Informationssystem gesprochen. Daraus wurde der Ratsantrag (und
    -be-schluß) »für eine digitale offene Stadt Münster« ungeschickterweise
    »D.O.M.« abgekürzt.

    Die Multimedia-Tage im Oktober
    1995, eine Veranstaltung der Universität und der Halle Münsterland,
    brachte alle zusammen, die am Aufbau eines Stadtnetzes interessiert
    waren: Stadt, Uni, Provider, Bürger …

    Es bildete sich eine Initiative
    »Multimedia Münsterland«, in der alle Beteiligten übereinkamen, wie ein
    Stadtnetz (unter Beteiligung des Umlandes) aussehen sollte und welche
    Möglichkeiten die Bürger haben sollten.
    Die Ideen, die hier zusammengetragen wurden und umgesetzt werden
    sollten, waren die, die der büne e.V. schon vorher formuliert hatte:

     

  • Vernetzung der Bürger durch neue Kommunikationsmedien
  • technische Unterstützung, Schulung, Abbau von Schwellen(-ängsten) mit den Zielsetzungen
  • Stärkung der Gemeinschaft
  • Förderung der Medienkompetenz
  • Demokratisierung
  • Stärkung der Wirtschaft
  • Die Realisierung begann Anfang
    1996, als sich das Projekt Citykom der Stadtwerke Münster, die neu
    gegründete Online-Agentur agenda media und der büne e.V.
    zusammensetzten, um ein Stadtinformationssystem mit kommerziellen und
    nichtkommerziellen Inhalten aufzubauen, das sich durch kommerzielle
    Angebote, Werbung und die Vermarktung von Internetzugängen finanzieren
    sollte. Den Stadtwerken fiel dabei insbesondere die Finanzierung zu,
    agenda media brachte journalistische Kompetenz ein. Der büne e.V.
    brachte die Ideen und Sachkompetenz ein (und auch viel Arbeitseifer).
    Nach zwei Monaten stand »www.muenster.de«.

    Das publikom – Stadtnetz für Münster:
    Das System bekam den Namen »das publikom – Stadtnetz für Münster« und
    besteht aus kommerziellen Inhalten, nichtkommerziellen Inhalten (im
    Bürgernetz oder auf privaten Homepages) und Informationen der Stadt.
    Darüber liegt ein Verzeichnissystem, in dem alle Informationen nach
    Themengebieten eingeordnet sind. Eine Volltextsuche ist ebenfalls
    verfügbar, dazu kommen weitere Dienste, insbesondere interaktive wie
    Kleinanzeigen, Diskussionsforen, Chat, Veranstaltungskalender etc. Die
    Interaktivität, also die Möglichkeit für den Bürger, nicht nur
    Informationen abzurufen, sondern auch selber mitzugestalten, ist eines
    der wichtigsten Charakteristika des Münsterschen Stadtnetzes. Dies
    geschieht durch Selbstdarstellung im Bürgernetz, aber insbesondere auch
    durch die Möglichkeit zu Diskussionen.

    Neben dem Informationssystem
    selbst steht das publikom auch für den Netzzugang über eigene Computer.
    Dabei ist der Zugriff auf Informationen aus Münster (nicht nur aus der
    Domäne muenster.de, sondern auf alles, was Bezug zu Münster hat) wie
    auch eine E-Mail-Kennung (die Möglichkeit, eine Homepage anzulegen) und
    der Zugriff auf die Netnews kostenlos. Für 25 DM pro Monat gibt es
    einen vollen Internetzugang.

    Bürger ohne Computer können das
    System über öffentliche Terminals benutzen. Zur Zeit gibt es (neben
    kommerziellen öffentlichen Internetzugängen und Computern in den
    Hochschulen) vier Zugänge, die aber bald deutlich erweitert werden
    sollen. Die Hauptaufgabe der Stadtnetzterminals ist das Bekanntmachen
    des publikom in der Bevölkerung und damit verbunden die (Einstiegs-)
    Nutzung des publikom ohne technische Hürden. Über den kostenlosen
    Zugang zum publikom hinaus bieten die Terminals direkten Zugriff auf
    Funktionen, die einen Bezug zum Aufstellungsort haben. So kann der
    Nutzer der Stadtbücherei am dortigen Terminal zum Beispiel in der
    Wissen der Bibliothek nach Titeln und deren Verfügbarkeit
    recherchieren. Natürlich steht ihm diese Funktionalität auch vom
    heimischen Computer aus zur Verfügung.

    Das publikom wurde und wird
    ständig weiterentwickelt, im Jahre 1997 stieg insbesondere die Stadt
    selbst stärker in das Angebot ein. Seitdem werden die gemeinsamen
    Seiten von einer Redaktion betreut, die sich aus Vertretern der Stadt,
    der Citykom und des büne zusammensetzt. Seit Mitte 1997 basiert das
    Verteilsystem auf einer Wissen, auch optisch wurde das publikom
    aufgewertet und durch neue Dienste ergänzt.
    Für die Zukunft ist eine noch weitere Ausweitung der Informationen und
    Dienste geplant, insbesondere sollen die Diskussionsforen belebt
    werden. Durch eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit und durch
    Schulungen sollen mehr Bürgerinnen und Bürger an das System
    herangeführt werden.

    Der Verein Bürgernetz und seine Aktivitäten:
    Der Verein besteht aus etwa 50 Mitgliedern, die größtenteils aus dem
    universitären Umfeld kommen. Neben der oben beschriebenen maßgeblichen
    Mitwirkung beim Aufbau des Stadtnetzes und Beteiligung an der
    redaktionellen Arbeit ist der büne insbesondere damit beschäftigt, das
    »Bürgernetz im engeren Sinne«, also die Homepages der
    nichtkommerziellen Gruppen auf dem eigenen Server www.muenster.org. zu
    betreuen. Dies umfaßt neben der Technik insbesondere die Beratung der
    Bürgergruppen. Seit Mitte 1997 betreibt der Verein dazu ein eigenes
    Büro, das täglich von 14 bis 18 Uhr besetzt ist. Für diese Tätigkeit
    stellt die Stadt Münster einen Betrag von 80.000 DM pro Jahr zur
    Verfügung. Im Bürgernetz sind mittlerweile fast 300 Gruppen vertreten,
    bei stetig steigender Tendenz.
    Neben der Beratung in Internet- und Stadtnetz-Fragen ist die Schulung
    eine zentrale Aufgabe des Vereins. Schulungen zur Internet-Einführung,
    Homepage-Gestaltung und inzwischen auch Angebote für spezielle
    Zielgruppen werden zusammen mit verschiedenen Bildungsträgern
    durchgeführt. Der büne sieht sich auch als politische Vertretung der
    Bürger im Bereich Neue Medien. Durch Mitwirkung im D.O.M.-Beirat und
    anderen Gremien, aber auch durch Kontakte zu Parteien und anderen
    Interessengruppen soll die Bürgernetz-Idee vorangetrieben werden.
    Die Öffentlichkeitsarbeit ist bisher oft ein wenig zu kurz gekommen;
    diese soll in Zukunft deutlich ausgeweitet werden. Zum
    Erfahrungsaustausch werden Kontakte zu anderen Bürgernetzgruppen
    gepflegt, in Vorträgen wird das Bürgernetz Münster in ganz Deutschland
    vorgestellt. In Gründung ist der »Verband freier Bürgernetze«, der
    übergreifende Projekte (z. B. eine PGP-Schlüssel-Zertifizierung) und
    eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit ermöglichen soll.