Positiv betrachtet: Wegen der klammen Kassen haben deutsche Bürger mehr Mitspracherecht – zumindest auf kommunaler Ebene. Negativ betrachtet wollen viele Kommunen durch Online-Bürgerhaushalte aber lediglich Sparvorhaben rechtfertigen. Ein Überblick über ePartizipation an kommunalen Haushalten.
Die Zahl der aktiven Bürgerhaushalte wächst kontinuierlich. Laut Daniel Kraft waren es im Jahr 2007 rund 30 Kommunen, die ihre Einwohner um Mithilfe bei der Haushaltsplanung gebeten haben. Mittlerweile sind es 67 Städte und Gemeinden – nahezu alle mit begleitenden Online-Partizipationsverfahren, so der Sprecher der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
Online-Partizipation wegen Schuldenberg
Die Zahlen stammen von der Online-Plattform buergerhaushalt.org, betrieben von der bpb und der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt/InWEnt. Auf der Seite ebenfalls ersichtlich: Die Zahl der Stadtverwaltungen, die über einen Bürgerhaushalt nachdenken, wächst noch stärker. 2008 waren es 13, inzwischen sind es ganze 69 Kommunen. Laut buergerhaushalt.org ein deutliches Anzeichen dafür, dass „das Thema Bürgerhaushalt besonders in Zeiten knapper Kassen in immer mehr Kommunen zum Thema wird.“
Ein Blick auf die Karte der Bürgerhaushalte zeigt, dass besonders Kommunen im notorisch klammen Nordrhein-Westfalen (NRW) aktiv sind. Knapp ein Drittel aller aktiven Bürgerhaushalte werden von Städten im bevölkerungsreichsten Bundesland durchgeführt. In NRW fordern Kommunen ihre Bürger auch explizit zur Mitarbeit bei Sparhaushalten auf.
Allen voran die Städte Solingen, Essen und neuerdings auch Bonn. Der ehemaligen Bundeshauptstadt drohen massive Einnahmeverluste aufgrund der Finanzkrise. Als Kommune sei man „auf Gedeih und Verderb auf die Gewerbesteuer angewiesen“, so Dirk Lahmann, Projektleiter für Bürgerbeteiligung in Bonn. In Zeiten, in denen die Unternehmen keine Gewinne machen, falle diese Steuer entsprechend gering aus. Lahmann betont, die geplante Bürgerbeteiligung samt eKonsultation sei deswegen zunächst nur auf Konsolidierungsmaßnahmen ausgerichtet – also auf Sparen.
Bonn auf den Spuren von Solingen und Essen
Konzeptuell orientiere man sich in Bonn sehr an den Modelle von Solingen und Essen, so der Mitarbeiter der Stadtverwaltung weiter. Konkret können Bürger Sparvorschläge der Stadtverwaltung kommentieren und bewerten, aber auch eigene Einsparideen einbringen. Diese werden dann veröffentlicht und den Sparvorschlägen aus der Stadtverwaltung gleichgestellt.
Ein positiver Nebeneffekt sei, dass die Bürgerschaft für die Sparmaßnahmen senisbilisiert werde, so Lahmann weiter. Durch die aktive Beteiligung werde das Bewusstsein geschaffen und die Akzeptanz erhöht für die teils drastischen Einschnitte in die Lebenswelt der Einwohner. Voraussetzung ist deswegen laut Bonner Verwaltung immer, dass die Ergebnisse transparent und nachvollziehbar gestaltet seien. „Jeder Bürger muss wissen, was aus seinen Ideen geworden ist“, so Lahmann.
Vorbildliches Berlin
Allerdings sollte sich Bonn in Sachen Sparen nicht Solingen zum Vorbild
nehmen. Dort fertigte die Stadtverwaltung einen ersten Rechenschaftsbericht innerhalb von zwei Tagen im Schnellverfahren an. In
dem immerhin 240 Seiten langen Bericht ist deswegen zu lesen, dass die
Bürgervorschläge (pdf 1,8 MB zum Download) ein Einsparpotential von nur 85.000 Euro hätten. Viele der Ideen sind
aber noch nicht bearbeitet, sondern wurden nur weitergeleitet an die
Fraktionen im Rat. Was die aus den Vorschlägen machen, bleibt offen –
seit dem 6. Mai 2010.
Besser macht es ein Bezirk der Hauptstadt. Der Berliner Stadtbezirk Lichtenberg startet am 1. September 2010 die zweite Phase seines mittlerweile fünften Bürgerhaushaltes. Bis zum 16. September 2010 kann man über die bisher gesammelten Vorschläge zum Haushalt abstimmen. Die Vorschläge selbst konnten die Bürger von April bis Juni 2010 online einbringen. Eine detaillierte Dokumentation des Ablaufs ist dabei stets online. Für die Zukunft soll jeder Bürgervorschlag eine Nummer erhalten, mit der jederzeit nachvollziehbar sein soll, was aus der Idee wurde.